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EUROPA/414: Entführte türkische Soldaten vor dem Militärgericht?


Presseerklärung vom 12. November 2007


Entführte türkische Soldaten vor dem Militärgericht?

Soldatenmütter und kurdisch-türkische Abgeordnete fordern ihre sofortige Freilassung

Mit Unverständnis hat die Gesellschaft für bedrohe Völker (GfbV) heute auf Ermittlungen der militärischen Staatsanwaltschaft der Türkei gegen acht türkische Soldaten reagiert, die im Oktober von PKK-Kämpfern in den Nordirak entführt und dort am 4. November auf Drängen der Regionalregierung des irakischen Bundesstaates Kurdistan freigelassen worden waren. Ihnen wird "illegale Ausreise aus dem Land ohne Reisepass" vorgeworfen. "Dieser Vorwurf ist absurd", so Dr. Kamal Sido, Nahostreferent der GfbV, "die acht türkischen Soldaten hatten nach ihrer Gefangennahme keine andere Wahl als mit ihren Entführern mitzugehen."

Die acht türkischen Soldaten befinden sich zurzeit in Militärgefängnis von Van in Südostanatolien. Die Militärstaatsanwaltschaft ermittelt zu der Frage, ob sie während ihrer Gefangenschaft Informationen an die PKK weitergegeben haben. Weiter geht es darum, ob fehlerhaftes Verhalten zu der Gefangennahme geführt hätte. Allein auf diese Straftat steht in der Türkei eine Mindeststrafe von einem Jahr.

Die türkisch-kurdischen Parlamentsabgeordneten Aysel Tugluk, Osman Özcelik und Fatma Kurtulan fordern gemeinsam mit den Müttern der Soldaten deren sofortige Freilassung. Die Stimmung im Land ist gereizt. "Die türkischen Medien führen eine erschreckende Hetzkampagne gegen die acht Soldaten und die kurdisch-türkischen Abgeordneten, die sich für die Freilassung der Soldaten einsetzten", beschreibt Sido die Situation. Ihnen werde Vaterlandsverrat vorgeworfen. An dieser Hetzkampagne seien auch türkische Politiker beteiligt. So habe der türkische Vize-Ministerpräsident und Justizminister Cemil Cicek medienöffentlich verkündet, als türkischer Staatsbürger akzeptiere er nicht, dass diese Soldaten mit den Terroristen "weggegangen seien". In einer solchen Situation müsse ein türkischer Soldat bereit sein zu sterben. Der Vorsitzende der linksnationalistischen Isci Partisi (IP, Arbeiterpartei), Dogu Perinçek habe es sogar für wünschenswert befunden, wenn die Soldaten als Tote zurückgekehrt wären. Dann hätte man sie als Märtyrer feiern können.

Die Freilassung der acht Soldaten war von der Regionalregierung des irakischen Bundesstaates Kurdistan vermittelt worden, die den Vorgang als Akt der Menschlichkeit bewertete. Der irakische Präsident Dschalal Talabani und der Massud Barsani, Präsident des irakischen Bundesstaates Kurdistan, hatten sich persönlich eingeschaltet, berichtete GfbV-Repräsentant in Irakisch-Kurdistan, Aziz Hassan Aziz.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen vom 12. November 2007
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-0, Fax: 0551/58028
E-Mail: info@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. November 2007