Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → BEDROHTE VÖLKER

EUROPA/527: Kosovo/Flüchtlinge - Protest gegen Sammelabschiebungen


Presseerklärung vom 12. April 2011

Protest gegen Sammelabschiebung

Gesellschaft für bedrohte Völker fordert Bleiberecht für Roma und Aschkali aus dem Kosovo als "Geste der Wiedergutmachung für Nazi-Verbrechen"


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) protestiert auf Schärfste gegen die für den heutigen Dienstag geplante Sammelabschiebung von rund 100 Roma und Aschkali. Die Flüchtlinge aus Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Sachsen sollen vom Düsseldorfer Flughafen in den Kosovo geflogen werden. Der GfbV-Generalsekretär Tilman Zülch fordert für die Roma und Aschkali ein dauerhaftes Bleiberecht als "Geste der Wiedergutmachung für Naziverbrechen an Sinti und Roma". Der Menschenrechtler erklärt wörtlich:

"Es müsste deutschen Landesregierungen und ihren Ministern von CDU, SPD und Grünen doch zumutbar sein, für 20 von den Nazis ermordete "Zigeuner" wenigstens einen Roma-Flüchtling aus dem Kosovo-Bürgerkrieg in unserem Land zu akzeptieren. 500.000 deutsche und europäische Sinti und Roma sind im Dritten Reich ermordet worden. Höchstens 100.000 leben heute in Deutschland.

Mit unmenschlicher Härte werden Verwandte skrupellos auseinander gerissen wie heute eine junge Familie aus Niedersachsen. Während der Vater mit Tuberkulose im Krankenhaus in Quarantäne liegt, werden seine Frau und ihre vier kleinen Töchter im Alter von ein, zwei, vier und fünf Jahren in Polizeigewahrsam Richtung Flughafen Düsseldorf deportiert. Die Bundespolizei hat der jungen Mutter das Handy konfisziert, so dass sie ihren Mann oder Freunde nicht einmal informieren kann, was mit ihr geschieht. Den deutschsprachigen Kindern und der Mutter drohen jetzt Armut, Verelendung, Krankheit und Diskriminierung.

Was nützt es, jeden Tag einen anderen Teil der Nazi-Historie in den Medien zu behandeln, wenn schutzlose Angehörige der früheren Opfergruppe der Sinti und Roma ohne öffentliche Empörung und umfangreiche Medienberichterstattung gewissenlos ins Elend deportiert werden? Dass das auch im grün-sozialdemokratisch regierten Nordrhein-Westfalen möglich ist, demonstriert die Hohlheit von "antifaschistischen Absichtserklärungen". Wir fordern eine nachhaltige Flüchtlingspolitik, damit diese Familien, für die sich Sozialarbeiter, Bürgerrechtler, Lehrer, Professoren, Geistliche und viele andere über Jahre, oft Jahrzehnte eingesetzt haben, nicht mehr aus dem Lande gejagt werden. Vergangenheitsbewältigung tut Not!

Etwa 20.000 Roma aus dem Kosovo, sehr viele Kinder, Frauen und Männer leben zum größten Teil schon seit Jahren in Deutschland. Als auch die Bundeswehr im Rahmen der Nato Kosovo 1999 befreit hatte und eine Million vertriebene Albaner zurückkehren konnten, verbrannten albanische Chauvinisten unter den Augen der Deutschen 70 von 75 Roma-Siedlungen und -Stadtteile. Roma und Aschkali wurden geschlagen, gefoltert, vergewaltigt, entführt und verschwanden, mussten zu tausenden das Land verlassen.


*


Quelle:
Presseerklärung Göttingen/Düsseldorf, den 12.04.2011
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. April 2011