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EUROPA/638: Kroatien - Suizid vor Kriegsverbrechertribunal hat "fatale Signalwirkung"


Gesellschaft für bedrohte Völker - Pressemitteilung vom 29. November 2017

Suizid vor Tribunal in Den Haag hat "fatale Signalwirkung" - Gerechte Strafverfolgung: Mitverantwortung Kroatiens für Verbrechen in Bosnien und Herzegowina darf nicht heruntergespielt werden


Der Suizid des früheren Militärchefs der bosnischen Kroaten, Slobodan Praljak, nach Verkündung seines Urteils im Gerichtssaal des UN-Kriegsverbrechertribunals (ICTY) in Den Haag hat nach Auffassung der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) "fatale Signalwirkung". Die Menschenrechtsorganisation bedauerte, dass der heute 72-Jährige in Kroatien nun höchstwahrscheinlich zum Märtyrer hochstilisiert werde, obwohl das Gericht seine Verurteilung wegen schwerer Kriegsverbrechen im Bosnien-Krieg (1992-1995) zu 20 Jahren Haft am Mittwoch bestätigt hat. "Es ist schockierend, dass der inhaftierte Praljak an Gift kommen und es vor aller Augen zu sich nehmen konnte. Besonders dramatisch ist jedoch auch, dass dieses Ereignis die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von den Verbrechen, einer gerechten Strafverfolgung und der Mitverantwortung der politischen und militärischen Führung Kroatiens ablenkt", erklärte die GfbV.

Die Richter in Den Haag hatten in ihrem Urteil anerkannt, dass die Verbrechen in Bosnien und Herzegowina mit Hilfe der Armee des Nachbarlandes Kroatien begangen wurden und damit den Krieg in Bosnien und Herzegowina als internationalen Konflikt qualifiziert. "Die Richter erklärten, es sei eindeutig bewiesen, dass die Republik Kroatien zweifellos Kontrolle über die Armee und Regierung der von bosnischen Kroaten kontrollierten "Herceg-Bosna" hatte", betonte die GfbV. "Demnach gab es auch eine eindeutige Absicht der Regierung Kroatiens unter Franjo Tudjman, Teile von Bosnien und Herzegowina ethnisch zu "säubern" mit dem Ziel der Schaffung eines ethnisch reinen kroatischen Gebietes."

Die GfbV hatte der kroatischen Armeeführung bereits 1993 öffentlich vorgeworfen, sich an der Vernichtung der Bosniaken mitschuldig zu machen. 1998/1999 recherchierte die GfbV-Sektion Bosnien und Herzegowina im Auftrag des ICTY über Kriegsverbrechen in der Herzegowina. Die Menschenrechtsorganisation befragte Tausende überlebende Opfer und bestätigte in ihrer Bilanz, dass die Verbrechen dort nach einem detaillierten Plan begangen wurden.

Die sechs Angeklagten waren in Den Haag in erster Instanz bereits 2013 wegen Verbrechen an Nichtkroaten wie Vertreibung, Tötung, Vergewaltigung, Deportationen, Zwangsarbeit, unmenschlicher Behandlung von Gefangenen, Zerstörung und Aneignung fremden Eigentums, Vernichtung und Zerstörung von Städten und Dörfern sowie Angriffe und Terror gegen Zivilisten verurteilt worden.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 29. November 2017
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Dezember 2017

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