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EUROPA/650: Europäischer Gerichtshof soll vor Wahlen in der Türkei Urteil fällen


Gesellschaft für bedrohte Völker - Pressemitteilung vom 24. Mai 2018

Inhaftierter Kandidat für türkische Präsidentschaft wartet auf Straßburger Richterspruch - Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte soll Demirtas-Urteil vorantreiben


Göttingen, den 24. Mai 2018 - Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat ein zeitnahes Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in dem Verfahren des inhaftierten kurdischen Kandidaten für die türkischen Präsidentschaftswahlen, Selahattin Demirtas, gegen die Türkei gefordert. "Millionen Wählerinnen und Wähler, die im Juni über die zukünftige Führung ihres Landes abstimmen sollen, sollten eine faire Chance erhalten zwischen allen Kandidaten zu entscheiden. Aus seiner Gefängniszelle kann der Vorsitzende der prokurdischen HDP keinen fairen und freien Wahlkampf führen", erklärte der GfbV-Direktor Ulrich Delius am Donnerstag in Göttingen. Demirtas und elf weitere HDP-Politiker haben Verfahren vor dem Straßburger Gericht gegen ihre willkürliche Inhaftierung angestrengt. Neun der zwölf Politiker sitzen noch immer im Gefängnis.

"Achtzehn Monate rechtswidrige Inhaftierung sind genug. Die Straßburger Richter sollten nicht aus Angst vor möglichen türkischen Reaktionen vor einem zügigen Urteil im Fall des Kurdenpolitikers zurückschrecken", sagte Delius. "Sollten die Richter ein Urteil im Frühsommer 2018 bewusst vermeiden, um nicht den Ärger der türkischen Regierung zu provozieren, so wäre dies auch eine Einmischung in den Wahlkampf. Denn durch Nichtstun ergreift man indirekt auch Partei und entmündigt die Wählerinnen und Wähler." Unter Führung von Demirtas hatte die HDP im Juni 2015 erstmals die Zehn-Prozent-Sperrklausel überwunden und konnte in das türkische Parlament einziehen.

Erst am Montag hat ein Gericht in Ankara die Freilassung von Demirtas abgelehnt. Der Politiker und Menschenrechtsanwalt war im November 2016 festgenommen worden und der "Terrorpropaganda" und der "Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation" beschuldigt worden. Zur Begründung der Vorwürfe verweist die türkische Staatsanwaltschaft auf Parlamentsreden, Auftritte bei Wahlkampfveranstaltungen sowie abgehörte Telefonate. Mitschnitte von Telefongesprächen waren jedoch illegal, da sie vor der Aufhebung der Immunität des Parlamentariers aufgezeichnet wurden. "Dies entspricht auf keinen Fall rechtsstaatlichen Standards, und wir erwarten vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein deutliches Signal zur Sicherung von Bürgerrechten in der Türkei", sagte Delius.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 24. Mai 2018
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Mai 2018

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