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AUFRUF/027: Marburg - Kundgebung gegen die Honduras-Politik der Naumann-Stiftung, 6.2.2010



attac Marburg - Gruppe d.i.s.s.i.d.e.n.t. - Verband der Studierenden aus Kurdistan, Marburg - - Lateinamerika Gruppe Marburg

KUNDGEBUNG IN MARBURG:
Gegen den Militärputsch in Honduras und seine deutschen Kollaborateure von der FDP!

Samstag, 6.2., 11 Uhr vor dem Welcome Hotel am Pilgrimstein 29
Solidarität mit den Sozialen Bewegungen in Honduras!

Wir protestieren gegen die Honduras-Politik der FDP und der Friedrich-Naumann-Stiftung!
Keine Kollaboration mit den PutschistInnen!
Gegen die Anerkennung der Putsch-Regierung und undemokratischer Wahlen!
Gegen Repression und für Solidarität mit den Sozialen Bewegungen in Honduras!

Am 6. Februar 2010 richtet die "Friedrich-Naumann-Stiftung FÜR DIE FREIHEIT" (FNSt, die Partei nahe Stiftung der FDP) ein Tagesseminar "Studierende und Entwicklungszusammenarbeit" im Welcome Hotel Marburg aus. Dabei soll auch eine Veranstaltung zu "Politikberatung in der Entwicklungszusammenarbeit am Beispiel lateinamerikanischer Länder" stattfinden.

Foto: Erika Harzer // www.eha-media.de //

Foto: Erika Harzer // www.eha-media.de //

Wie die Politikberatung und Entwicklungszusammenarbeit der FNSt aussieht, hat sich bei der Unterstützung des Putsches in Honduras vom 28. Juni 2009, der Putschregierung, undemokratischer "Wahlen" sowie der anhaltenden Repression gegen Soziale Bewegungen in Honduras gezeigt.


Repression gegen soziale Bewegungen

In Honduras gehören Einschränkungen der Presse-, Versammlungs-, Bewegungsfreiheit, gezielte politische Morde an bekannten Widerständigen, Morde an Frauen, Lesben, Schwulen und Transsexuellen, Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe, Verschleppung und Folter, Ausgangssperren und kollektive Internierungen im Nationalstadion zum Tagesgeschäft der PutschistInnen. Daran änderte sich auch nach den "Wahlen" im November nichts. Währenddessen feiert die FNSt in Honduras zynischer Weise einen "Sieg der Demokratie".


Handel, Handel über alles...

Sowohl das Außenministerium als auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung der BRD sind derzeit von der FDP besetzt. Dem Primat des Handels wird jegliche Politik dieser Ministerien untergeordnet. Dass diese Politik Menschenrechte mit Füßen tritt, wird im Fall Honduras offensichtlich. Offi ziell setzt sich die FNSt für die "Förderung demokratischer, marktwirtschaftlicher und rechtsstaatlicher Strukturen" ein.


"Ein Sieg der Demokratie?"

Ihr Mittel dabei ist die Unterstützung eines blutigen Militärputsches. Das Wort "Freiheit" im Titel der Stiftung meint nur die Freiheit des Marktes und die Freiheit der Menschen sich auf eben jenem zu verkaufen. Sobald sich Menschen die Freiheit nehmen Zwänge des Marktes oder gar des Kapitalismus bändigen zu wollen, kennt das liberale Freiheitsverständnis keine Gnade. Der schöne Schleier der Freiheit fällt und die Klassenpolitik zeigt sich völlig ungeschminkt: Politische Verfolgung, militärische Gewalt und Morde sind dann legitim.


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Zur Geschichte des Putsches 2009 und seinen Folgen

In Honduras herrschen seit 1982 zwei Parteien mit wenig demokratischen Mitteln. Manuel Zelaya (genannt "Mel") gewann Ende 2005 die Präsidentschaftswahlen in Honduras. Seine Liberale Partei (PL) vertrat - genauso wie die Nationale Partei (PN) - traditionell die Interessen der Oligarchie des mittelamerikanischen Landes - von UnternehmerInnen und GroßgrundbesitzerInnen. Zelaya setzte neben der Inszenierung seiner Person und einer moderaten Kriminalitätsbekämpfung auf soziale Maßnahmen und den Ausbau direkter Demokratie. Am 9. Oktober 2008 ratifi zierte das Parlament noch mit Stimmen der PL den Beitritt zum links-politischen, lateinamerikanischen Wirtschaftsbündnis ALBA. Diese Ansätze einer Abkehr vom marktradikalen Weg reichten der Oligarchie und deren VertreterInnen in der Partei Zelayas schon aus, um dagegen auf ein Mittel aus einer der traurigsten Phasen Lateinamerikas zu setzen: den Militärputsch.

Als Zelaya für den 28. Juni 2009 eine Volksbefragung ansetzte, in der über die Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung entschieden werden sollte, schlugen die Militärs mit Rückhalt der Friedrich-Naumann-Stiftung (FNSt) los. Zelaya wurde am Morgen des 28. Juni von Soldaten mit Maschinengewehren im Bett seines Hauses aus dem Schlaf gerissen und noch im Schlafanzug nach Costa Rica entführt.

Foto: Erika Harzer // www.eha-media.de //

Foto: Erika Harzer // www.eha-media.de //


Präsident im Schlafanzug entführt

Militärs und Oligarchie griffen ein, bevor eine verfassungsgebende Versammlung Chancen für einen tieferen sozialen Wandel geben konnte. Die Volksbefragung sei nicht verfassungskonform, lautete der Vorwand, mit dem die Militärs den Putsch versuchen zu legitimieren. Dieser Argumentation folgte auch die FNSt, die seit 1984 in Honduras aktiv ist und dort mit der PL zusammenarbeitet. Während sogar die Regierungen der USA, die EU und die Organisation amerikanischer Staaten den Putsch verurteilten, wurde er von der FDP geleugnet und ihre Stiftung leistete den Rückhalt. Bereits am Tag des Putsches veröffentlichte die liberale Stiftung ein Papier mit dem zynischen Titel "Mel Zelaya - mehr Täter als Opfer" und einen Tag nach dem Putsch wurde ein Papier unter dem dreisten Titel "Die Legende vom Militärputsch dient vor allem Mel Zelaya" publiziert. Der Putsch-Präsident Micheletti wurde bejubelt und zum Vorsitzenden der Liberalen Internationalen gewählt.


Massenproteste gegen den Putsch

In der Folge des Putsches gab es große spontane Proteste der Bevölkerung, die mit massiver Repression von Seiten der PutschistInnen und des Militärs beantwortet wurden. Unabhängige Medien wurden abgeschaltet oder von den PutschistInnen übernommen. Mehrere Menschen starben durch Angriffe des Militärs und der Polizei mit Gas und Schusswaffen. Als Reaktion aus der Bevölkerung bildete sich die Widerstandsfront, in der sich verschiedene Soziale Bewegungen zusammen organisieren. Viele im Widerstand gegen den Putsch aktiven Frauen gründeten u.a. die Feministas en Resistencia (Feministinnen im Widerstand). Mit Parolen wie Ni golpes de estado ni golpes a las mujeres (Weder Putsch noch Gewalt gegen Frauen) nehmen sie am Widerstandsbündnis teil. Viele Frauen haben sexuelle Übergriffe und andere starke Menschenrechtsverletzungen erlebt. Die Zahl der Frauenmorde ist von 16 pro Monat Anfang 2009 auf 51 im Juli angestiegen. Mindestens neun Transsexuelle, Lesben und Schwule wurden seit dem Putsch erschossen, einige hatten Spuren von Folter. Die "Wahlen" vom 29. November wurden von der Widerstandsfront, von allen linken und demokratischen Kräften sowie ihren Kandidaten boykottiert.

Foto: Erika Harzer // www.eha-media.de //

Foto: Erika Harzer // www.eha-media.de //


Scheinwahlen

Nach Repression gegen demokratische Bewegungen, der Verletzung der Versammlungs-, Bewegungs- und Pressefreiheit, sowie Einschüchterungen durch das Militär während der Wahl, ging der Kandidat der PN, Porfi rio Lobo, als Sieger der Wahl hervor. Lobo wird die Interessen der oligarchischen Putschisten verfolgen. Das Oberste Wahltribunal selbst musste im Nachhinein zugeben, dass es am Wahlabend falsche Zahlen zur Wahlbeteiligung veröffentlicht hatte. UN und EU hatten erst gar keine BeobachterInnnen entsandt. Weder die "Wahl" noch das Lobo-Regime werden von der Mehrheit der Lateinamerikanischen Staaten anerkannt. Anders jedoch die deutschen Liberalen und ihre Stiftung. Sie feiern einen "Sieg für die Demokratie".


Veranstalter:
- attac Marburg
- Gruppe d.i.s.s.i.d.e.n.t.
- Verband der Studierenden aus Kurdistan, Marburg
- Lateinamerika Gruppe Marburg

© für alle Fotos by Erika Harzer // www. eha-media.de //


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Quelle:
Lateinamerika Gruppe Marburg
E-Mail: lama-marburg@web.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Februar 2010