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INTERNATIONAL/003: Ägypten - Demonstrantinnen zu 'Jungfräulichkeitstest' gezwungen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. März 2011

Ägypten: Demonstrantinnen zu 'Jungfräulichkeitstest' gezwungen - Armee weist Vorwürfe zurück

Von Cam McGrath


Kairo, 25. März (IPS) - Salwa El-Hosseiny hatte sich gerade den Demonstranten auf Kairos Tahrir-Platz angeschlossen, als sie von einem Polizisten in Zivil festgenommen wurde. Der Mann brachte sie in ein nahe gelegenes Museumsgebäude, wo Soldaten sie bedrohten, schlugen und mit Elektroschocks traktierten. Später wurde sie mit 17 weiteren jungen Frauen in ein Militärgefängnis außerhalb der ägyptischen Hauptstadt verbracht. Dort - drei Tage vor dem Sturz des damaligen Staatspräsidenten Husni Mubarak - griff die Armee dann offenbar zu ihrer letzten Waffe, um den politischen Widerstand zu brechen: sexueller Erniedrigung.

"Wir wurden in einen Raum geführt, in dem es ein Fenster und zwei Türen gab", erzählte El-Hosseiny unlängst auf einer Pressekonferenz. Dort sollten sich die jungen Frauen ausziehen. "Wir baten die Gefängniswärterin, die Türen zu schließen, doch sie weigerte sich. Nachdem wir uns entkleidet hatten, filmte man uns, offenbar um Beweismaterial zu fabrizieren, das uns mit Prostitution in Verbindung bringt."

El-Hosseiny und die anderen 17 Gefangenen berichteten zudem von erzwungenen 'Jungfräulichkeitstests' und Drohungen gegenüber den unverheirateten Frauen, wegen Prostitution vor Gericht gestellt zu werden, sollten sie den Test nicht bestehen. "Die Wärterin zog uns aus und schlug uns mit einem Wasserschlauch", berichtete eine 29-jährige Sozialarbeiterin, die ebenfalls der peinlichen Leibesvisite unterzogen wurde.

Die Opfer erklärten weiter, angekettet und mit verbundenen Augen ausgepeitscht und mit Elektroschocks gefoltert worden seien. Mindestens sechs von ihnen mussten die 'Jungfräulichkeitstests' über sich ergehen lassen. Zu den Übergriffen kam es im Anschluss an Versuche der Armee, die auf dem Tahrir-Platz kampierenden Demonstranten gewaltsam zu entfernen. Mehr als 170 Personen einschließlich der 18 Frauen wurden verhaftet und in ein Nebengebäude des Ägyptischen Museums geführt.


Anschlag auf grundlegendes Menschenrecht

17 ägyptische Menschenrechtsgruppen haben die Fälle von Folter, Misshandlung und sexueller Gewalt in einer gemeinsamen Stellungnahme auf das Schärfste verurteilt. "Folter ist schon an sich eine schlimme Menschenrechtsverletzung und ein Anschlag auf die Unversehrtheit des menschlichen Körpers", heißt es in der Mitteilung. Zudem seien sie ein Verstoß gegen jede ärztliche Ethik.

Wie Amal Abdel Hadi, Leiterin der Neuen Frauenstiftung erklärte, sind Verstöße gegen das Recht auf Unversehrtheit des weiblichen Körpers schon immer ein Mittel der Streitkräfte gewesen, um Menschen einzuschüchtern. So seien Frauen festgenommen und gezwungen worden, sich auszuziehen, um ihre Männer zu Geständnissen zu bewegen.

Sexuelle Demütigung sei eine schlimme aber wirksame Form der psychologischen Folter, sagte Abdel Hadi und erinnerte an den Folterskandal 2006 im Abu-Ghraib-Gefängnis im Irak. Die Bilder der Opfer und ihrer feixenden US-Folterer gingen um die Welt.


Angst vor der öffentlichen Moral

In der konservativen ägyptischen Gesellschaft kommt der sexuellen Enthaltsamkeit ein hoher Stellenwert zu. Erwartet wird, dass Frauen jungfräulich in die Ehe gehen. Das Stigma von Nacktheit und vorehelichem Sex hat schon viele Frauen in den Selbstmord getrieben oder zu Opfern von Ehrenmorden gemacht.

Hamed hatte mit etlichen der Opfer des 9. März persönlich gesprochen. Die Frauen berichteten, dass die Armeeärzte männlichen Soldaten erlaubt hätten, bei den Leibesvisiten zuzusehen und Bilder zu schießen. Sie fürchteten nun, dass die Fotos veröffentlicht werden.

Die meisten der Frauen wurden wegen ordnungswidrigen Verhaltens, Zerstörung öffentlichen Eigentums, Störung des öffentlichen Verkehrs und Waffenbesitzes vor ein Militärgericht gestellt und zwei Tage später auf Bewährung freigelassen.

Militärvertreter haben die Folter- und Missbrauchsvorwürfe inzwischen als falsch und einen Versuch zurückgewiesen, "die Beziehungen zwischen dem Volk und der Armee zu zerstören". (Ende/IPS/kb/2011)

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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. März 2011