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MELDUNG/022: Liga unterstützt Protest und Verfassungsbeschwerde gegen Volkszählung 2011 (ILMR)


InternationaIe Liga für Menschenrechte - 16. Juli 2010

Liga unterstützt Proteste und Verfassungsbeschwerde gegen Volkszählung 2011 - Beschwerde heute eingereicht


Hier entsteht eine riesige zentrale Datensammlung mit erheblichem Missbrauchspotential. Der Zensus 2011 verstößt gegen Informationelle Selbstbestimmung.

Heute, Freitag, 16. Juli 2010, haben Bürgerrechtler vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) eine Verfassungsbeschwerde gegen die Volkszählung 2011 (Zensus) beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht. Zusammen mit der Beschwerdeschrift übergaben sie eine Unterschriftenliste, auf der mehr als 13.000 Menschen die Verfassungsbeschwerde unterstützen. Sie protestieren damit gegen die geplante umfangreiche Erfassung und Zusammenführung ihrer persönlichen Daten bei der im kommenden Jahr anstehenden Volkszählung.

Anders als bei früheren Volkszählungen werden mit dem Zensus 2011 personenbezogene Informationen aus zahlreichen Quellen zusammengeführt - allerdings ohne Einwilligung der Betroffenen. So werden etwa bei Meldebehörden, Liegenschaftskatastern, der Bundesagentur für Arbeit sowie aus »allgemein zugänglichen Quellen« Daten abgefragt. Außerdem wird bis zu einem Drittel der Bevölkerung verpflichtet, Fragen aus dem persönlichen Lebensbereich zu beantworten. Die erfassten Daten des Zensus 2011 können über eindeutige Ordnungsnummern zugeordnet werden - obwohl das Bundesverfassungsgericht eine solche Personenkennziffer bereits früher untersagt hatte.

Rolf Gössner, Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte, hält den Zensus 2011 und das zugrunde liegende Gesetz zumindest teilweise für verfassungswidrig:

"Mit den zweckentfremdeten Informationen aus diversen staatlichen Datenbanken, angereichert mit sensiblen Daten einer Zwangsbefragung, entstehen hoch problematische Personenprofile. Die Daten werden zusammengeführt und zentral gespeichert und können über Identifikationskennziffern verknüpft bzw. zugeordnet werden. So entsteht eine riesige zentrale Datensammlung mit erheblichem Missbrauchspotential. Unseres Erachtens verstößt der Zensus 2011 in wesentlichen Punkten gegen das Grundrecht auf Informationelle Selbstbestimmung."

Aus diesem Grunde unterstützt die Internationale Liga für Menschenrechte die bürgerrechtliche Opposition und die Verfassungsbeschwerde gegen den Zensus 2011.


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Pressemitteilung des FoeBuD e.V. anlässlich der Einreichung der Verfassungsbeschwerde gegen die Volkszählung 2011

Verfassungsbeschwerde gegen Volkszählung 2011 beim
Bundesverfassungsgericht eingereicht

13.000 Menschen unterstützen die Verfassungsbeschwerde


Bürgerrechtler vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) haben am Freitag, 16. Juli 2010 eine Verfassungsbeschwerde gegen die Volkszählung 2011 beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht. Zusammen mit der Beschwerdeschrift übergaben sie eine Unterschriftenliste, auf der mehr als 13.000 Menschen die Verfassungsbeschwerde unterstützen. Sie protestieren damit gegen eine umfangreiche Erfassung und Zusammenführung ihrer persönlichen Daten bei der im kommenden Jahr anstehenden Volkszählung (Zensus).

Die Bürgerrechtler sehen das Zensus-Gesetz, das der Volkszählung 2011 zugrunde liegt, als in Teilen verfassungswidrig an. "Ein großes Problem stellt der Datenschutz und dabei insbesondere die Datensicherheit dar", erklärte die Bremer Rechtsanwältin Eva Dworschak, die die Beschwerdeschrift erstellt hat, gegenüber dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. "So sind die Daten der Volkszählung 2011 in den ersten vier Jahren über eine eindeutige Personenkennziffer zuzuordnen. Zusätzlich sind bei einem durchaus möglichen Angriff sodann sämtliche - auch persönliche - Daten dem Zugriff ausgesetzt und zwar nicht nur einzelne", sagte Dworschak weiter. Die Zuordnung der persönlichen Daten durch eine Ordnungsnummer hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem Volkszählungsurteil von 1983 ausdrücklich verboten.

"Mehr als 13.000 Menschen unterstützen die Verfassungbeschwerde gegen die Volkszählung 2011", sagte Rena Tangens vom FoeBuD. "Diese große Zahl zeigt, dass Datenschutz vielen Menschen sehr wichtig ist", sagte Tangens in Karlsruhe weiter.

Für die Volkszählung 2011 werden die Daten aller in Deutschland lebenden Menschen im nächsten Jahr in einer gewaltigen Datenbank zusammengeführt und ausgewertet. Für die deutschland- und EU-weite Volkszählung (Zensus) wird bis zu ein Drittel der deutschen Bevölkerung zur Beantwortung zahlreicher Fragen aus dem persönlichen Lebensbereich verpflichtet. So wird zum Beispiel nach der Religionszugehörigkeit gefragt, obwohl die EU-Vorlage dieses nicht vorschreibt. Sensible persönliche Daten werden aus zahlreichen Quellen ohne Einwilligung der davon Betroffenen zusammengeführt. Die Daten von Meldeämtern und Behörden werden somit zweckentfremdet - das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung wird verletzt.


Über die Initiative
Die Kampagne gegen die Volkszählung 2011 ist eine Initiative des Arbeitskreises Zensus, der unter dem Dach des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) gegründet wurde. Im Rahmen seiner Arbeit will der AK Zensus gegen das neue Gesetz zur Vollerfassung der Bevölkerung vorgehen und gleichzeitig datenschutzfreundlichere Lösungen entwickeln. Auf seiner Webseite www.zensus11.de informiert er über das Gesetz und die möglichen Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger. Der AK Vorrat ist ein Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internetnutzern, der in Zusammenarbeit mit weiteren zivilgesellschaftlichen Initiativen überparteilich und unabhängig agiert. Die Initiative gegen die Volkszählung 2011 wird durch weitere Organisationen unterstützt, zum Beispiel durch das "Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V" (FIfF) und den FoeBuD e.V.

Über den FoeBuD
Der FoeBuD e.V. setzt sich seit seiner Gründung 1987 für Bürgerrechte, Datenschutz und freie Kommunikation. Leitbild ist eine lebenswerte Welt im digitalen Zeitalter. Seit 2000 richtet der FoeBuD die Verleihung der BigBrotherAwards aus. 2008 erhielt der FoeBuD die Theodor-Heuss-Medaille für sein Engagement für Bürgerrechte.

www.foebud.org
ww.bigbrotherawards.de
www.stoprfid.de


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Quelle:
Pressemitteilung vom 16. Juli 2010
InternationaIe Liga für Menschenrechte
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Tel.: 030 - 396 21 22, Fax: 030 - 396 21 47
E-Mail: vorstand@ilmr.de
Internet: www.ilmr.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juli 2010