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MUMIA/913: Kampf für Gesundheit (Mumia Abu-Jamal)


Kolumne 926
Kampf für Gesundheit

Von Mumia Abu-Jamal, Oktober 2018


Auf den ersten Blick kommt es einem merkwürdig vor, wenn man an einem Ort angemessene medizinische Versorgung erwartet, wo sich kaum jemand wirklich um die Menschen kümmert, die dort leben müssen. Gefängnisse sind ein solcher Ort. Sie sind die vom Staat geschaffenen Slums, in denen mehrheitlich die Ärmsten der besitzlosen Klasse zusammengepfercht werden. Wohlhabende Menschen trifft man in Gefängnissen nur äußerst selten an, und in gewissem Maße gilt das auch für die, die als »gesund« bezeichnet werden.

Gefängnisse sind Gebilde, die heute vor allem in ländlichen Gebieten, die von Rezession und Arbeitslosigkeit gezeichnet sind, dazu dienen, Kommunen mit vorwiegend weißer Bevölkerung krisensichere Jobs zu bieten. Diese Gemeinden profitieren von einem großen Angebot an Arbeitsplätzen in diesen Haftanstalten, und zwar nicht nur im Sicherheitsbereich, sondern auch in den dortigen Krankenabteilungen.

Niemand sollte überrascht sein, dass die medizinische Versorgung in den Knästen noch minderwertiger ist als die ohnehin schlechte in Gegenden und Stadtteilen, in denen arme Menschen und die Arbeiterklasse leben. Eins der derzeit größten Gesundheitsprobleme, mit denen Menschen dort genauso wie ihre Leidensgenossen hinter Gittern zu kämpfen haben, sind Infektionen mit dem Hepatitis-C-Erreger, die zu lebensbedrohlichen Schädigungen der Leber und Folgeerkrankungen führen.

Wenngleich Hepatitis C mittlerweile durch antivirale Medikamente heilbar ist, wird das durch hohe Kosten verhindert. Der aktuelle Verkaufspreis für den Wirkstoff, für den der Pharmakonzern Gilead ein Monopol auf dem Arzneimittelmarkt hat, liegt bei etwa 1.000 US-Dollar - pro Pille! Was bedeutet, dass die für eine acht- bis zwölfwöchige Kur notwendige Heilbehandlung für einen Patienten nahezu 90.000 US-Dollar kostet. Welcher Patient in Freiheit kann sich das leisten? Und welche Gefängnisbehörde ist bereit, diese Summe für Häftlinge aufzubringen?

Wie jedes andere soziale Gut erlangt man auch Gesundheit in dieser Gesellschaft nur durch beständigen Kampf. Es gab deshalb in der jüngeren Vergangenheit rechtliche Auseinandersetzungen, Proteste und massenhafte Anrufe bei den zuständigen Behörden, um uns Gefangene bei unserem Kampf für die Therapie der Hepatitis-C-Infektionen mit den teuren Medikamenten zu unterstützen. Einige Gefangene, unter ihnen der Verfasser, hatten damit Erfolg, viele andere warten nach wie vor auf ihre Behandlung. Der Kampf muss deshalb weitergehen - überall im Land.


Copyright: Mumia Abu-Jamal
mit freundlicher Genehmigung des Autors

Übersetzung: Jürgen Heiser
Erstveröffentlicht in "junge Welt" Nr. 233 vom 8. Oktober 2018


Nachdem Abu-Jamal und seine Anwälte nach zwei Jahren des Kampfs vor den Gerichten Pennsylvanias Ende März 2017 endlich seine medikamentöse Hepatitis-C-Behandlung durchgesetzt hatten, konnte der jW-Kolumnist drei Monate später in dieser Zeitung mitteilen: »Seit dem 30. Mai 2017 bin ich frei von Hepatitis C!« Heute will er daran erinnern, dass die entsprechende Therapie bislang in Pennsylvania nur etwa 200 schwerkranken Mitgefangenen zuteil wurde, die Gefängnisbehörden Pennsylvanias und anderer US-Bundesstaaten jedoch Tausenden Kranken weiterhin das Medikament verweigern. (jh)

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Quelle:
Der Beitrag entstammt der Website www.freedom-now.de
mit freundlicher Genehmigung von Jürgen Heiser
Internationales Verteidigungskomitee (IVK)
Postfach 150 323, 28093 Bremen
E-Mail: ivk(at)freedom-now(dot)de
Internet: www.freedom-now.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Oktober 2018

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