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MUMIA/963: Die wahre Geschichte des FBI (Mumia Abu-Jamal)


Kolumne 961
Die wahre Geschichte des FBI

Menschen auszuspionieren hat beim FBI Tradition. Solange es gegen schwarze Aktivisten geht, hat keiner Einwände. Kritik kommt nur auf, wenn ausnahmsweise wohlhabende Weiße Ziel von Überwachung und Ausspähung sind

von Mumia Abu-Jamal, Juni 2019


Der Vietnamkriegsveteran Robert Mueller war von 2001 bis 2013 Direktor der US-Bundespolizei Federal Bureau of Investigation (FBI). Das qualifizierte den langgedienten Marinesoldaten, Juristen und Regierungsbeamten für seine Tätigkeit als Sonderermittler, um im Auftrag des US-Justizministeriums von Mai 2017 bis in den Frühling dieses Jahres zu untersuchen, ob das Wahlkampfteam des Präsidentschaftskandidaten Donald Trump vor dessen Sieg Kontakte nach Russland unterhielt. Muellers Untersuchung erwiesen sich letzten Endes als Rohrkrepierer, weil sie der Demokratischen Partei nicht den Grund für das erhoffte Amtsenthebungsverfahren gegen Trump lieferte. Trotzdem waren vom Präsidenten und seinen Leuten immer wieder empörte Vorwürfe zu hören, der FBI-Mann Mueller habe sie »ausspioniert«.

Wer sich auch nur in Ansätzen mit der Geschichte des afroamerikanischen Befreiungskampfs auseinandergesetzt hat, für den sind die Vorwürfe aus dem Trump-Lager einfach nur lächerlich. Warum? Nun, weil das FBI seit Jahrzehnten seine Aufgabe vor allem darin sieht, Strukturen und Organisationen schwarzer Aktivistinnen und Aktivisten auszuspionieren. So erging es dem Panafrikanisten Marcus Garvey (1887-1940), der die Universal Negro Improvement Association gründete und die »Zurück-nach-Afrika«-Bewegung anführte.

Auch den schwarzen Bürgerrechtler Martin Luther King jr. (1929-1968) verfolgte das FBI auf Schritt und Tritt. In später offengelegten FBI-Dokumenten hieß es, die Kommunistische Partei der USA (CPUSA) habe sich »in den frühen 1960er Jahren bemüht, ein Bündnis zwischen Schwarzen und Arbeitern zu bilden, um ihre Ziele in diesem Land zu erreichen. (...) Martin Luther King jr. und seine Organisation wurden damit beauftragt, sich für diese Ziele einzusetzen«. Um King öffentlich zu demontieren und sein Familienleben zu zerstören, schickte das FBI heimlich in Hotelzimmern aufgenommene »Sex Tapes« an seine Frau Coretta.

Und schließlich richtete sich die Wühlarbeit des FBI im großen Stil gegen die Black Panther Party (BPP). Beispielhaft war der Fall von Fred Hampton (1948-1969), dem stellvertretenden Vorsitzenden der BPP in Illinois. Ein Informant bzw. Agent provocateur des FBI lieferte seinen Auftraggebern nicht nur einen Grundriss des Apartments, das Hampton mit anderen in Chicago bewohnte, sondern versetzte auch ein Getränk mit einem Schlafmittel, um sicherzustellen, dass Fred bei dem geplanten nächtlichen Überfall der Cops auf seine Wohnung keinen Mucks mehr tun und sich vor allem nicht mehr wehren konnte. Ich habe nach dem 4. Dezember 1969 selbst in dem Zimmer vor dem blutgetränkten Bett gestanden, in dem Fred im Schlaf erschossen worden war. Mit ihm starb das Black-Panther-Mitglied Mark Clark. Freds Freundin Deborah Johnson überlebte. Sie war im achten Monat schwanger.

Menschen auszuspionieren hat beim FBI eine sehr lange Tradition. Dagegen hat jedoch so lange niemand Einwände, wie die Zielpersonen schwarze Aktivisten sind. Kritik kommt nur auf, wenn ausnahmsweise wohlhabende Weiße Ziel von Überwachung und Ausspähung sind. Das ist die wahre Geschichte der Spionage und der Spione des FBI.

Wer sich ein genaueres Bild davon machen möchte, der möge die von Ward Churchill und Jim Vander Wall bei South End Press in Cambridge (Massachusetts) veröffentlichten Bücher »The FBI's Secret Wars Against the Black Panther Party and the American Indian Movement« (1988/2002) und »The Cointelpro Papers: Documents from the FBI's Secret Wars Against Dissent in the United States« (1990/2002) lesen.


Copyright: Mumia Abu-Jamal
mit freundlicher Genehmigung des Autors

Übersetzung: Jürgen Heiser
Erstveröffentlicht in "junge Welt" Nr. 132 vom 11. Juni 2019

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Quelle:
Der Beitrag entstammt der Website www.freedom-now.de
mit freundlicher Genehmigung von Jürgen Heiser
Internationales Verteidigungskomitee (IVK)
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E-Mail: ivk(at)freedom-now(dot)de
Internet: www.freedom-now.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juni 2019

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