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AFRIKA/036: Recht auf Nahrung von Indigenen in Afrika gefährdet (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 2/2009
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Der Fluch der Ressourcen
Recht auf Nahrung von Indigenen in Afrika gefährdet

Von Ulrich Delius


Reiche Bodenschatzvorkommen, Wasserkraft und Tropenholz werden für die indigenen Völker Afrikas zum Fluch. Denn statt ihre Lebensqualität zu verbessern, führen diese Ressourcen dazu, dass viele indigene Völker ihr Recht auf Nahrung kaum durchsetzen können. Jahrzehnte lang schienen die Batwa-Gruppen, Tuareg und Himba in den letzten Rückzugsgebieten zu leben, die weder die Mehrheitsbevölkerung in ihren Ländern, noch staatliche Stellen oder multinationale Konzerne interessierten.


Indigene werden verdrängt

Mit steigenden Rohstoff- und Energiepreisen sowie einer zunehmenden Verarmung der Mehrheitsbevölkerung änderte sich jedoch dramatisch die Lage. So sind es heute nicht nur Rohstoffkonzerne, die in die Tropenwälder vordringen, um die wirtschaftlich interessantesten Bäume zu roden und um Bodenschätze abzubauen. Die Leerfischung der Meere durch internationale Fischfangflotten rund um den afrikanischen Kontinent hat dazu geführt, dass immer mehr Angehörige der afrikanischen Mehrheitsbevölkerung die Wälder nutzen, um Wild zu jagen oder um Landwirtschaft zu betreiben. Für traditionelle Jäger- und Sammler-Völker wie die Batwa in Zentral-Afrika hat dies weit reichende Folgen. Sie werden immer mehr aus ihrem traditionellen Siedlungsgebiet verdrängt und leben heute meist in unmittelbarer Nähe der Bantu-Dörfer, um sich dort als Tagelöhner zu verdingen. Die Jagd mussten sie meist aufgeben, da das Wild immer häufiger ausbleibt. Zu groß ist der Druck der Wilderer, die auf der Suche nach "Bushmeat" keine Rücksicht auf die traditionelle Wirtschaftsweise der Batwa nehmen. So mögen die Batwa-Gruppen zwar physisch überleben, doch ihre Identität als Gruppe mit einer eigenständigen Kultur und Wirtschaftsweise ist massiv gefährdet.


Zwischen allen Fronten

Erschwert wird die Lage noch durch den Krieg, dem seit 1996 rund fünf Millionen Menschen im Kongo zum Opfer gefallen sind. Immer wieder geraten Batwa zwischen die Fronten der Konfliktparteien, werden von ihnen als Fährtensucher instrumentalisiert, um im nächsten Moment gejagt zu werden aufgrund ihrer vermeintlich übersinnlichen Kräfte. Willkürlich werden Batwa-Gruppen von der Mehrheitsbevölkerung diskriminiert. Ihre traditionellen Landrechte werden missachtet, wenn auch einige Staaten in den letzten Jahren gesetzliche Bestimmungen zum Schutz der indigenen Völker verabschiedeten. Solange der Krieg weiter andauert, werden diese Gesetze nicht umgesetzt werden.


Klimawandel schürt Ressourcenkonflikte

Kaum hoffnungsvoller ist die Lage indigener Völker in den Wüsten und Savannen Nordwestafrikas und Namibias. Tuareg in Mali und Niger beklagen, dass der größte Teil ihres traditionellen Landes inzwischen von den Behörden beider Staaten Rohstoffkonzernen zur Prospektion nach Erdöl, Erdgas, Gold, Diamanten, Uran und anderen Bodenschätzen überlassen wurde. Prestigeträchtige Bewässerungsprojekte sollen die landwirtschaftliche Produktion fördern, haben aber enorme Landverluste der Tuareg zur Folge. So steht den Halbnomaden heute immer weniger Land als Weidegrund für ihre Viehherden zur Verfügung. Folglich nehmen auch Konflikte mit sesshaften Bauern weiter zu. Der Klimawandel verursacht extreme Wetterlagen, die den Bestand der Viehherden sehr gefährden. Extreme Dürre oder Flut führten zum Tod von hunderttausenden Tieren und machen die Tuareg immer mehr zu Bittstellern, die auf internationale Hilfe angewiesen sind, um ihre dezimierten Herden wieder aufzubauen. Von den afrikanischen Nationalstaaten bekommen sie wenig Hilfe, da Anstoß an ihrer halbnomadischen Wirtschaftsweise genommen wird, die staatlichen Ökonomen nicht am förderungnwürdig gilt. Mit einer Mischung aus Rassismus und Arroganz verfolgen viele einheimische Landwirtschaftnexperten argwöhnisch die Wirtschaftsweise der indigenen Völker. Erst langsam setzt sich bei Agrarwissenschaftlern die Erkenntnis durch, dass die Tuareg mit ihrer der Natur angepassten Wirtschaftsweise langfristig znkunftsweisender sind als manche ausländische Experten.


Ernährungsgrundlage durch Staudämme bedroht Auch die Himba-Viehhirten im Norden Namibias müssen um ihr Recht auf Nahrung kämpfen. Seit zwei Jahrzehnten wehren sie sich gegen den Bau von Grosstaudämmen am Kunene-Fluss, der große Gebiete überschwemmen würde und Dattelpalm-Plantagen der Himba zerstören würde. Auch die Regierung Namibias hat sich jahrelang nicht um die Himba gekümmert. Um jeden Preis will sie nun die Wasserkraft zur Energiegewinnung nutzen und setzt sich dabei auch über den Widerstand der Himba hinweg.


Ulrich Delius ist Afrikareferent der Gesellschaft für bedrohte Völker.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 2/2009, Juni 2009, S. 10
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. September 2009