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AFRIKA/038: Land, Nahrung und gesunde Gemeinden? Eine Erfolgsgeschichte aus Malawi (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 1/2010
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Land, Nahrung und gesunde Gemeinden?
Eine Erfolgsgeschichte aus Malawi

Von Dr. Rachel Bezner-Kerr


Im Jahr 2000 wurde das Projekt Land, Nahrung und gesunde Gemeinden (1) im Norden Malawis von zwei Wissenschaftlern zusammen mit einem lokalen Krankenhaus ins Leben gerufen. Ziel des Projekts ist die Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit, der Ernährungssicherheit und der Gesundheit der an dem Projekt teilnehmenden Bäuerinnen und Bauern durch lokal angepasste, ökologische Anbaumethoden.


Die Ausgangssituation im Jahr 2000 war katastrophal. Als eine Folge der Wirtschaftspolitik der vorangegangenen Jahrzehnte war die Zahl der unterernährten BäuerInnen und Kinder deutlich angestiegen. Nach dem Ende der Kolonialzeit (1964) versuchte die Regierung Malawis durch umfassende Subventionierung von Dünger und durch die Verteilung von Saatgut die Modernisierung der Landwirtschaft voranzutreiben. Im Zuge der auferlegten Strukturanpassungsmaßnahmen von Weltbank und Internationalem Währungsfond in den 1980er Jahren wurden diese staatlichen Hilfen zusammengestrichen. Diese neoliberale Ausrichtung der Wirtschaftspolitik stürzte die Landwirtschaft in eine Krise. Der Wegfall der Subventionen verursachte starke Preisanstiege bei Düngemitteln und Saatgut Wegen der Abhängigkeit ihrer Anbaupraktiken von diesen externen Inputs brachen daraufhin die Erträge ein und viele Familien konnten sich nicht mehr selbst ernähren. Ziel des Projektes war es daher, diese Abhängigkeit zu beenden und die Ernährungssouveränität sicher zu stellen, welche das Recht der BäuerInnen impliziert, ihre eigene Nahrung anzubauen.


Unser Dünger: Die Pflanze selbst

Als Alternative zu kommerziellem Dünger, von dem die Ernteerträge bis dato abhängig waren, wurden in dem Projekt Mais und Hülsenfrüchte (wie Straucherbsen oder Erdnüsse) im Mischanbau angepflanzt. Das Unterpflügen der abgeernteten Pflanzen erhöht die Bodenfruchtbarkeit und führte schnell zur Verbesserung der Bodenqualität. Im ersten Jahr nahmen 183 BäuerInnen aus sieben Dörfern an dem Projekt teil. Wegen der schnellen Erfolge bei der Steigerung der Ernteerträge stieg aber auch die Zahl der am Projekt Teilnehmenden kontinuierlich an. Im Jahr 2008 waren es bereits mehr als 6.000 BäuerInnen.

Eine wichtige Voraussetzung für die Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit war das Unterpflügen der Pflanzenreste direkt nach der Ernte. Dies wurde anfangs allerdings nicht immer umgesetzt, da die Frauen, denen diese Aufgabe traditionell oblag, oft überlastet waren. So bekam das Projekt eine weitere wichtige Dimension, die sich um die Frage der Aufgabenverteilung zwischen Mann und Frau drehte. Nicht nur der ungerechten Aufgabenverteilung, sondern auch dem mangelnden Wissen beispielsweise über die richtige Ernährung von Kleinkindern begegnete man mit Aufklärungskampagnen in Form von Aktionstagen und Diskussionsgruppen.


Aufbau und Stärkung von lokalem Wissen

Neben der Umstellung der Anbaumethoden hat das Projekt Schulungen organisiert und den Aufbau von lokalem Wissen im Bereich Landwirtschaft vorangetrieben, damit die BäuerInnen selbst darüber entscheiden konnten, was zu tun ist. Vor allem die Tatsache, dass sich die BäuerInnen genossenschaftlich zusammengeschlossen und eine gemeinschaftliche Saatgut-Bank gegründet haben, die von den Mitgliedern selbst verwaltet wird, zeigen den Erfolg des Projektes. Nach der Ernte muss die doppelte Menge des genutzte Saatguts wieder an die Bank 'zurückgezahlt' werden. 2008 beispielsweise wurden so über 6.000 Kilo Soja- und Erdnusssamen eingesammelt, die dann an 1.207 BäuerInnen verteilt wurden, die nicht genug Samen hatten.

Durch das gesamte Projekt ist nicht zuletzt ein neues Gemeinschaftsgefühl innerhalb der Dörfer entstanden. Das Ziel, die Bauern und Bäuerinnen durch die Verwendung des alternativen und zugleich ökologischen Düngers von den wirtschaftspolitischen Entscheidungen der Regierung unabhängiger zu machen und dadurch eine bessere und nachhaltigere Nahrungsmittelversorgung zu erzielen, wurde erreicht. Sicherlich gibt es noch einige spezifische Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Projektes, wie beispielsweise die Sicherstellung, dass alle Farmer gleichermaßen von den Erfolgen des Projektes profitieren, aber das Grundkonzept und die Erfolge des Projektes zeigen sehr deutlich, dass die Stärkung der Unabhängigkeit der Bauerngemeinden von grundlegender Bedeutung für ihre Ernährungssicherheit ist.

Dr. Rachel Bezner-Kerr arbeitet an der Universität West Ontario und begleitete das Projekt neun Jahre lang.
http//soilandfood.org/


Anmerkung:
(1) Food and Healthy Communities (SFHC) project


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 1/2010, März 2010, S. 7
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. April 2010