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BERICHT/136: Umstrittene Nahrungsmittelhilfe (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 2/2007
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Umstrittene Nahrungsmittelhilfe

Von Ralf Leonhard


Letztes Jahr gab es große Aufregung um italienische Tiefkühlhühner, die wegen der Vogelgrippehysterie in Europa keinen Absatz fanden und deswegen als Nahrungsmittelhilfe nach Afrika geschickt werden sollten. Es ist erwiesen, dass Food Aid, wie die Hilfe im internationalen Jargon heißt, oft weniger den Bedürfnissen des Empfängerlandes, als jenen des Geberlandes entspricht. Entweder entsprechen die Lebensmittel nicht den örtlichen Ernährungsgewohnheiten, oder das plötzliche Überangebot zerstört den heimischen Markt.


Notorisch ist die Politik der USA, aber auch die EU bleibt hinter ihrem Anspruch zurück. Auch aus Österreich gibt es in der Vergangenheit Beispiele derartiger fehlgeleiteter 'Hilfe'. Die Kritik daran ist auch bei den Verantwortlichen im Außenministerium (das von der seit Januar amtierenden Koalitionsregierung in Bundesministehum für europäische und internationale Angelegenheiten - BMeia - umgetauft wurde) angekommen und wird ernst genommen.

Die zuständige Sektion hat daher ein Orientierungspapier entworfen, das die Regeln und Grundsätze für die Leistung von Nahrungsmittelhilfe vorerst für den internen Gebrauch definiert. Es ist anzunehmen, dass daraus verbindliche Leitlinien werden sollen. FIAN-Österreich und die Arbeitsgemeinschaft Entwicklungszusammenarbeit (AGEZ), in der die wichtigsten einschlägigen NRO zusammengeschlossen sind, wurden dazu im vergangenen März um Stellungnahmen und Ergänzungen gebeten. Das beweist, dass FIAN nicht nur als Lobbyorganisation, sondern auch als Expertenpool in Sachen Nahrung anerkannt ist und als Berater geschätzt wird.

In ihren Stellungnahmen ergänzen FIAN und AGEZ einander, in vielen Punkten haken sie mit ähnlichen Kritiken ein. Etwa im Bereich der Biotreibstoffe, die in der Einleitung des acht Seiten starken Orientierungspapiers als Ursache für zusätzliche Nachfrage nach Lebensmitteln angesprochen werden. Eine tiefer schürfende Befassung fehlt aber. FIAN wünscht sich da etwas mehr Problembewusstsein und will die Beobachtung der derzeit noch schwer einschätzbaren Folgen verankert sehen. Die AGEZ weist ausdrücklich darauf hin, dass die Forcierung der Biospritproduktion nur durch den Zukauf von Rohstoffen aus dem Süden denkbar ist und schwere soziale (zum Beispiel Hungerlöhne) sowie ökologische (zum Beispiel Abholzung des Regenwaldes) Auswirkungen nach sich ziehen kann.

Den Abschnitt über Ernährungssouveränität und Recht auf Nahrung, wo auf die kleinbäuerliche Landwirtschaft und ökologisch wie sozial verträgliche Produktion Bezug genommen wird, will FIAN durch einen Zusatz ergänzt sehen: "Den Zugang zu produktiven Ressourcen und Mitteln für Arme sicherzustellen und zu gewährleisten, stellen unabdingbare Voraussetzungen dafür dar". Die AGEZ vermerkt positiv, dass das Grundrecht auf Nahrung anerkannt wird.

Begrüßt wird von der AGEZ auch das gestiegene Problembewusstsein im Ministerium, was die Nahrungsmittelhilfe betrifft. Das problematische Vorgehen einiger Geber sei "der Hauptgrund für das Entstehen von Abhängigkeiten und den nicht vorhandenen Links zwischen humanitärer Hilfe und Entwicklung".

Das Orientierungspapier nimmt immer wieder auf das Recht auf Nahrung Bezug und verlangt dessen weltweite Durchsetzung. Die AGEZ reklamiert aber mehr Einbindung der betroffenen Menschen: "Partizipation von Betroffenen ist ein Menschenrecht und muss auch in Nothilfesituationen angemessen berücksichtigt werden".

FIAN verweist wiederholt auf die Leitlinien der FAO zum Recht auf Nahrung. Die AGEZ empfiehlt die Einbeziehung des Landwirtschaftsministeriums in den Diskussionsprozess. Denn nur wenn die einzelnen Ministerien ihre Politik abstimmen, kann die ausdrücklich angestrebte entwicklungspolitische Kohärenz hergestellt werden.

Der Autor ist Vorstandsmitglied von FIAN-Österreich


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 2/2007, März 2007, S. 10
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Düppelstraße 9-11, 50679 Köln
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E-Mail: fian@fian.de
Internet: www.fian.de

Erscheinungsweise: drei Ausgaben/Jahr
Einzelpreis: 4,50 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. August 2007