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BERICHT/148: Den Staaten auf die Finger schauen (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 3/2007
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Den Staaten auf die Finger schauen

Von Martin Wolpold-Bosien


"Erst kommt das Essen, das ist die Moral", so sagen wir in Anlehnung an Bertolt Brecht. FoodFirst, ohne Nahrung ist kein Leben möglich. Angemessene Ernährung für Alle ist nicht nur ein ethisches oder politisches Ziel, sondern ein international anerkanntes Menschenrecht. Damit es umgesetzt wird, müssen wir den Staaten genau auf die Finger schauen. Das "Monitoring-Projekt" von FIAN und der Deutschen Welthungerhilfe (DWHH) setzt hieran.


Der neue Monitoring-Leitfaden, den FIAN in Zusammenarbeit mit der DWHH und der Welternährungsorganisation (FAO) ausgearbeitet hat, basiert auf den staatlichen Verpflichtungen gegenüber dem Recht auf Nahrung, wie es in Art. 11 des internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte verankert ist. Methodisch baut der Leitfaden auf den FAO-Richtlinien zum Recht auf Nahrung auf. Die Mitgliedsstaaten der FAO hatten sich in einem zweijährigen Prozess, bei dem auch zivilgesellschaftliche Akteure wie FIAN beratend beteiligt waren, auf diese Richtlinien zur Umsetzung des Rechts auf Nahrung auf nationaler Ebene geeinigt. Der Monitoring-Leitfaden nimmt sich jede einzelne der 19 Richtlinien vor und fragt mit einer Checkliste nach, in welcher Weise diese Richtlinie in der nationalen Gesetzgebung verankert ist, wie die Umsetzung verläuft und welche Ergebnisse zu verzeichnen sind.

Der Monitoring-Leitfaden wurde im Mai und Juni bei Seminaren mit Partnerorganisationen in Bolivien, Indien, Kolumbien, Uganda und Guatemala vorgestellt und diskutiert. Zahlreiche Organisationen aus diesen Ländern sind inzwischen dabei, mit diesem Leitfaden nationale Schattenberichte zum Recht auf Nahrung zu erstellen. Sie werden von dem gemeinsamen Anliegen getragen, zu beobachten und zu dokumentieren, inwiefern die staatlichen Behörden ihre Verpflichtungen gegenüber dem Recht auf Nahrung nachkommen. Das bedeutet, dass auch staatliche Unterlassungen gegenüber dem Recht auf Nahrung und insbesondere Verletzungen dieses Rechts sichtbar werden. Nicht nur die gute Praxis wird erkennbar, auch die schlechte.

Das pragmatische und zugleich emanzipatorische Potenzial des Rechts auf Nahrung lässt sich am Beispiel des Monitoring gut illustrieren: einerseits nehmen wir als normative und methodische Grundlagen ausschließlich Dokumente, die für die Staaten rechtsverbindlich sind und denen sie selbst zugestimmt haben. Andererseits wird bei dieser Übung deutlich, wo die großen Lücken im Kampf gegen den Hunger klaffen, wo politisches Handeln gefordert, politische Reformen notwendig sind, um dem Recht auf Nahrung der bedrohten Gruppen Geltung zu verschaffen. Auch die vorbildhaften politischen Maßnahmen werden offenkundig und zeigen letztlich, welche Maßnahmen effektiv und zielführend sind. Die ersten Ergebnisse des Pilotvorhabens wurden im November bei Workshops mit Fachleuten aus dem UN-Menschenrechtssystem in Genf sowie am Rande der FAO-Konferenz in Rom vorgestellt. Erste Kommentare zum Monitoring-Leitfaden aus Fachkreisen waren sehr ermutigend. Auch auf internationaler Ebene werden neue Instrumente gesucht, um einen wesentlich höheren Einsatz der Politik in Nord und Süd einfordern zu können. Denn was bislang geschehen ist im Kampf gegen den Hunger, ist viel zu wenig. Die Millenniumsziele werden nicht erreicht werden, wenn das bisherige Schneckentempo, das jede Minute Menschenleben kostet, nicht durchbrochen wird. Ein präzises Monitoring staatlicher Politiken ist notwendig, damit für alle Beteiligten klar wird, woran es fehlt und der öffentliche Druck für die dringenden Veränderungen entsteht.

Das Menschenrecht auf Nahrung ist eine Grundlage für Zusammenarbeit zwischen Nord und Süd, zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren. Es ist ein Konzept, das die von Hunger bedrohten Gruppen nicht als Hilfsempfänger sieht, sondern als Menschen mit Rechtsansprüchen. Dieser Perspektivenwechsel begründet ein Umdenken in vielen Köpfen, auch in den Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit. Die damit verbundenen Chancen für einen erfolgreicheren Kampf gegen den Hunger zu nutzen, ist dringend geboten. Zu diesem viel versprechenden Prozess leistet das Monitoring-Projekt einen wesentlichen Beitrag.


Der Autor ist Koordinator des Programms "Monitoring State's Right to Food Policies" bei FIAN-International.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 3/2007, S. 16
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Düppelstraße 9-11, 50679 Köln
Tel. 0221/702 00 72, Fax 0221/702 00 32
E-Mail: fian@fian.de
Internet: www.fian.de

Erscheinungsweise: drei Ausgaben/Jahr
Einzelpreis: 4,50 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Februar 2008