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BERICHT/161: Indien - Boomende Wirtschaft und Verletzung des Rechts auf Nahrung (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 2/2008
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Indien: Boomende Wirtschaft...
...und massive Verletzungen des Rechts auf Nahrung

Von Sabine Pabst


Am 9. Mai 2008 war es endlich soweit: Das Komitee für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte bei den Vereinten Nationen beendete seine zweitägige Prüfung des bereits seit mehr als 15 Jahren überfälligen Staatenberichts Indiens.


"Die Stellungnahmen von Seiten der indischen Delegation waren sehr schwach und wenig überzeugend. Es gelang den VertreterInnen des indischen Staates nicht, zu vermitteln, welche konkreten Maßnahmen ergriffen wurden, um die im internationalen Pakt über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte verbrieften Rechte zu realisieren", so die Einschätzung des indischen FIAN Repräsentanten D. Gurusamy, Teil einer 8-köpfigen ElAN-Delegation aus Indien und Deutschland, die aus diesem Anlass nach Genf gereist waren.

Während der zweitägigen Befragung der indischen UN-Delegation durch das Komitee wurde schnell klar, dass die Komiteemitglieder überaus gut informiert waren über den mangelhaften Fortschritt Indiens in Bezug auf die Implementierung der Paktrechte. Dies lag nicht zuletzt am Engagement zivilgesellschaftlicher Organisationen wie ElAN, welche mit einem Parallelbericht zur Information des Komitees einen wichtigen Beitrag geleistet haften. Der 140-seitige FIAN-Parallelbericht mit 39 dokumentierten Fällen von Verletzungen des Rechts auf Nahrung und diversen Beiträgen von verschiedenen ExpertInnen ist im wesentlichen das Ergebnis zweier Prozesse, die FIAN Indien in den letzten Jahren angestoßen hat: Zum einen ein dreijährigen, von Minereor finanzierten Projekt, in dem es vor allem darum ging, FIAN-Mitglieder und andere am Rechtsansatz interessierte VertreterInnen zivilgesellschaftlicher Organisationen zu vernetzen und zu befähigen, Fälle zu dokumentieren und über die Situation des Rechts auf Nahrung in Indien kritisch zu berichten. Zum anderen ein von der Welthungerhilfe unterstütztes Projekt zur Entwicklung eines Monitoring-Instruments zu den FAO-Richtlinien zum Recht auf Nahrung, das dazu dienen soll, staatliche Politiken im Hinblick auf das Recht auf Nahrung zu analysieren und zu bewerten.

Die Antworten der indischen Delegation während der Befragung durch das Komitee bezogen sich meint auf Gesetze, Politiken und Pläne, aber so gut wie überhaupt nicht auf Herausforderungen bezüglich ihrer Umsetzung. Einige VertreterInnen den Komitees bedauerten dieses "Aneinandervorbeireden" und das Fehlen eines konstruktiven Engagements der indischen Delegation mit dem Komitee. Alarmierend wirkte der Kommentar von Dr. Pronab Sen. Staatssekretär für Statistik der indischen Regierung und Mitglied der indischen UN-Delegation, nachdem er auf die Vertreibung von Menschen und die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen durch so genannte Entwicklungsprojekte angesprochen worden war: "Das ist erst der Anfang. Die Staaten im indischen Nordosten bergen ein riesiges Potential an Hydroenergie, an deren Erschließung kein Weg vorbeiführt."

In seinen abschließenden Empfehlungen, die zwei Wochen nach der Sitzung des Komitees veröffentlicht wurden, vermerkt das Komitee "die Abwesenheit von Schwierigkeiten oder anderer Umstände, die die Implementierung des Paktes verhindern könnten." Das Komitee empfiehlt unter anderem, dringende Maßnahmen zu ergreifen, um Armut und Unterernährung wirksam zu bekämpfen, um Gesetze und Bestimmungen durchzusetzen, gewaltsame Vertreibungen zu beenden und angemessene Entschädigung oder Rehabilitierung zu sichern, sowie offene, partizipatorische und sinnvolle Konsultationen mit den betroffenen Anwohnern und Gemeinschaften durchzuführen.

Ujjaini Halim, FIAN-Vertreterin aus West Bengalen, äußert die Hoffnung, dass mithilfe der abschließenden Bemerkungen und Empfehlungen des Komitees die indische Regierung in die Pflicht genommen werden kann, um die Menschenrechtssituation zu verbessern. "Wir werden uns in unserer Arbeit verstärkt auf diese Empfehlungen beziehen, und unser durch den Parallelberichtsprozess entstandenes Netzwerk weiter ausbauen. Eine breite Allianz von zivilgesellschaftlichen Kräften in Indien ist nötiger denn je, damit das Recht auf Nahrung der marginalisierten Bevölkerungsteile Indiens nicht noch weiter ausgehöhlt wird".


Die Autorin ist Koordinatorin für Südasien bei FIAN-International.
Den Parallelbericht erhalten Sie bei FIAN-International, www.fian.org.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 2/2008, S. 11
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
Tel. 0221/702 00 72, Fax 0221/702 00 32
E-Mail: fian@fian.de
Internet: www.fian.de

Erscheinungsweise: drei Ausgaben/Jahr
Einzelpreis: 4,50 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. September 2008