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BERICHT/215: Wer regiert die Welternährung? (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 2/2010
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Wer regiert die Welternährung?
Reformierter Ausschuss für Welternährungssicherung tritt im Oktober zusammen

Von Ute Hausmann


Im Oktober wird in Rom, wie jedes Jahr, der zwischenstaatliche Ausschuss für Welternährungssicherung (Committee on World Food Security - CFS) zusammentreten. Nachdem das CFS drei Jahrzehnte lang politisch marginalisiert war, soll es nun die zentrale Plattform für Entscheidungen in Fragen der Welternährung werden. Erstmals werden Vertreter der Zivilgesellschaft auf Augenhöhe mitreden.


Das CFS wurde im Anschluss an den ersten Welternährungsgipfel im Jahr 1974 als zwischenstaatliches und für die Welternährung zuständiges Gremium unter dem Dach der Vereinten Nationen gegründet. Die bedeutenden politischen Entscheidungen wurden aber insbesondere seit den 1980er Jahren in der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds und der Welthandelsorganisation getroffen. Infolge der Nahrungsmittelpreiskrise im Jahr 2008 wurde deutlich, dass die Kooperation zwischen den UN-Organisationen überdacht werden muss. Eine gemeinsame Antwort der UN-Organisationen auf die Krise trug jedoch weiterhin die Handschrift der Weltbank. Auch gelang es der Weltbank, die Führerschaft in Fragen der Welternährung und der Landwirtschaft an sich zu ziehen, z.B. durch die Ansiedlung mehrerer Fördertöpfe. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) ist dagegen in den letzten Jahrzehnten zunehmend marginalisiert worden und präsentierte ihrerseits in Reaktion auf die Ernährungskrise vor allem ihre Vorstellung von einer "Grünen Revolution in Afrika". Alternative Ansätze, wie sie im Rahmen des Weltagrarberichts vorgestellt wurden und die dem industriellen Agrarmodell kritisch gegenüber stehen, wurden durchgehend ignoriert.

Vor diesem Hintergrund stellte sich die zentrale Frage, wer in Zukunft die Welternährungssituation mitbestimmt und wo bedeutende Entscheidungen zwischen Regierungen getroffen werden. Damit rückte das CFS erstmals seit den 1970er Jahren wieder in das Zentrum der Welternährungspolitik und die Bereitschaft unter den Staaten wuchs, das CFS wieder zu der zentralen Plattform für Welternährungsfragen zu machen. Die 125 im CFS vertretenen Staaten gaben sich im Herbst 2009 ein neues Mandat, das die neue Rolle des CFS widerspiegelt. Ein Erfolg für FIAN war es, dass die freiwilligen Leitlinien der FAO zum Recht auf Nahrung Teil des neuen Mandats des CFS geworden sind. Ob die Regierungen sich dazu bereit erklären, sich einer menschenrechtlichen Überprüfung ihrer Politiken zu unterziehen, bleibt vorerst jedoch offen. Dies muss von der Zivilgesellschaft eingefordert werden. Die Reform des CFS ist auch deshalb bedeutsam, da die Zivilgesellschaft jetzt gleichberechtigt an der Vorbereitung und an den Sitzungen selbst teilnehmen kann, auch wenn die Beschlussfassungen den Regierungsvertretern vorbehalten bleiben. Neben bekannten Nichtregierungsorganisationen sitzen im CFS nun auch VertreterInnen der vom Hunger besonders betroffenen Bevölkerungsgruppen wie Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, Nomadinnen und Nomaden, Fischerinnen und Fischer. Damit können die Regierungen die Stimmen dieser Gruppen nicht weiter ignorieren. Die Zivilgesellschaft wiederum steht vor der Herausforderung, sich zu organisieren und gemeinsame Anliegen voranzubringen. Für FIAN ergibt sich die Aufgabe, die VertreterInnen der Zivilgesellschaft fit zu machen, damit sie sich aktiv für das Menschenrecht auf Nahrung im CFS einsetzen können.

Einig sind sich die VertreterInnen der Zivilgesellschaft bereits darin, dass das Thema "Land Grabbing" auf die Agenda des CFS gehört und von den Regierungen eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Lösungsansätzen im Interesse der Betroffenengruppen erwartet wird. Auch wird es als bedeutend angesehen, dass sich das CFS z.B. mit der Frage der Nahrungsmittelspekulation befasst und sich neben landwirtschaftlichen Fragen stärker als bisher auch gesundheitlichen Problemstellungen bei Unter- und Fehlernährung stellt. Letztlich wird das CFS daran gemessen werden, ob es gelingt, dass die Zahl der Hungernden nicht weiter steigt, sondern sinkt. Ein klares Signal richtet sich deshalb auch an den Gipfel zu den Millenniums-Entwicklungszielen (MDGs), der im September in New York stattfindet. Dieser soll die bedeutende neue Rolle des CFS als koordinierendes Gremium für Welternährungsfragen bestätigen.

Ute Hausmann ist Geschäftsführerin von FIAN Deutschland.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 2/2010, Juli 2010, S. 3
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. August 2010