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SÜDAMERIKA/007: Guatemala - Metallabbau und Menschenrechte


peace brigades international - Internationale Friedensbrigaden -
pbi Rundbrief 01/06

Guatemala: Metallabbau und Menschenrechte

Von Kerstin Reemtsma


In vielen Ländern geht transnationales Wirtschaften mit einer Zerstörung der Umwelt und massiven Menschenrechtsverletzungen einher. Mit besonders extremen Beispielen ist pbi derzeit in Guatemala, Kolumbien und Indonesien konfrontiert. Auf den folgenden Seiten schildern pbi-Freiwillige, wie in Indonesien im Namen des Gewinns illegale Landnahme, Gewalt und Vertreibung in Kauf genommen werden. Sie berichten von der Verletzung der Arbeitsrechte von Näherinnen in Guatemala, und dem Bergtagebau transnationaler Unternehmen, welche für die Versuchung des Trinkwassers verantwortlich sind. Von pbi begleitete Bauern und eine kirchliche Mitarbeiterin in Kolumbien stellen den Zusammenhang her zwischen Vertreibungspolitik und dem Anbau von Monokulturen wie der afrikanischen Ölpalme. Allein 800 Millarden Euro - so lesen wir in Wirtschaftsmagazinen - sollen in den nächsten Jahren in diesen Zukunftsmarkt zur Herstellung von "Biodiesel" weltweit investiert werden. Wer die zum Teil illegalen Praktiken der Unternehmen kritisiert, muß jedoch damit rechnen, aus dem Weg geräumt zu werden. pbi ist deshalb verstärkt im Schutz gesellschaftlicher Gruppen aktiv, welche die Lebensgrundlagen und die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte verteidigen. Dieser Arbeit ist der Schwerpunkt gewidmet.


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Der Konflikt um den Bergbau, der seit der Vergabe der Goldabbaulizenz für das Projekt Marlin in der Provinz San Marcos entbrannt ist, hat zu einer Polarisierung der Zivilgesellschaft und einem Klima der Bedrohung und Gewalt geführt. JACQUELINE HEFTI WIDMER von pbi-Schweiz hat die Hintergründe dieses Ressourcenkonfliktes zusammengefasst.

Die systematische Ausbeutung der Metallvorkommen Guatemalas begann mit der Kolonialisierung. Bald nach Erreichung der Unabhängigkeit führten liberale Reformen zur Öffnung für ausländische Investitionen. Erst der demokratisch gewählte Präsident Jacobo Arbenz setzte sich dafür ein, dass ausländische Unternehmen zumindest einen Teil ihres Gewinns im Land zurücklassen sollten. Nach seinem Sturz durch den Staatsstreich von 1954 wurden die Gesetze, die den Abbau von Mineralien regelten, immer mehr an die Interessen der Bergbaugesellschaften angepasst. 1965 beteiligten sich diese sogar an der Ausarbeitung des neuen, für sie viel vorteilhafteren Bergbaugesetzes. Eine besonders aktive Rolle spielte dabei die EXMIBAL, die guatemaltekische Tochter der kanadischen Bergwerksgesellschaft INCO, die am Izabalsee Nickel abbaute und der schwere Menschenrechtsverletzungen bis hin zu Mord und Beteiligung an einem Massaker angelastet werden. 1982 gab die EXMIBAL ihre Tätigkeit auf, während der sie keinerlei Abgaben an den Staat geleistet haben soll. Ab den 80er Jahren nahm das Interesse an der Bergbautätigkeit wegen des internen Konflikts, sinkender Metall- und steigender Energiepreise ab.


Gegensätzliche Interessen

Kaum war 1996 der Konflikt beendet, wurde das Bergbaugesetz reformiert und das Land für ausländische Direktinvestitionen geöffnet. Gemäß diesem Gesetz können Minen zu 100 % in ausländischem Besitz sein, sind die Bergbauunternehmen selbst für die Erstellung von Umweltverträglichkeitsanalysen zuständig, stellt der Staat das für den Abbau der Erze benötigte Wasser gratis zur Verfügung und verbleibt nur ein Prozent des Gewnns als Lizenzgebühr im Land. Anfangs unbemerkt, gewann das Thema jedoch an Brisanz, als im November 2003 die guatemaltekische Tochter des kanadisch-amerikanischen Unternehmens Glamis Gold Ltd., Montana Exploradora S.A., eine Lizenz für das Metallabbauprojekt Marlin in der Provinz San Marcos und einen Weltbank-Kredit über 45 Mio. US-Dollar bekam.

Nach und nach wurde bekannt, dass es sich hier um nur eine von vielen, ohne das Wissen der örtlichen Bevölkerungen beantragten oder bereits vergebenen Lizenzen handelte. An der zunehmend hitzigen Debatte beteiligen sich VertreterInnen von Politik, Medien, Zivilgesellschaft, der katholischen Kirche sowie verschiedene indigene Gemeinschaften. Die Befürworter verweisen auf Investitionen, die ländliche Entwicklung und Arbeitsplätze schaffe, die gegnerische Seite gibt zu bedenken, die betroffenen Gemeinschaften bekämen zwar die Umwelteinflüsse der Bergbauaktivitäten zu spüren, nicht aber die Profite und Gestaltungsmöglichkeiten.


Die Betroffenen

Die Gemeinden San Miguel Ixtahuacán und Sipacapa gehören zur Provinz San Marcos im nordwestlichen Hochland von Guatemala. Vertrieben von spanischen Kolonisatoren, zogen die Vorfahren der heutigen BewohnerInnen um etwa 1530 aus dem Tiefland in das 2000 m hohe, halbtrockene Gebiet. Nun ist die karge Lebensgrundlage der Bevölkerung, die zu 95 % in extremer Armut lebt, wiederum in Gefahr. Die Umwelt der beiden Gemeinden und weiterer Gebiete der Region, die vom Grundwasser des betroffenen hydrologischen Beckens versorgt werden, ist gefährdet.


Hochtoxisches Verfahren

Im Gegensatz zum traditionellen Stollenbau, wird hier erstmalig ein "großflächiger Abbau mit niedrigen Kosten" - praktiziert. Auf 20 km² Tagebaufläche wird Gestein bis zu einer Tiefe von 200 m abgebaut, pulverisiert und in einer Cyanidlauge "gewaschen", damit das darin enthaltene Gold und Silber heraus gelöst werden kann. Dabei sollen in 10 bis 13 Jahren Betriebszeit etwa 38 Millionen Tonnen hochgiftigen "Gesteinsabfalls" anfallen. Dieser soll zwar in mit Beton umhüllten Stahlbehältern gelagert und das darin enthaltene Cyanid in weniger giftiges Cyanat umgewandelt werden. Dennoch kann von einer langfristig sicheren Lagerung der toxischen Abfälle in der Erdbeberiregion keine Rede sein. Vordringlicher ist allerdings die Sorge um das Wasser, das schon vorher nicht im Überfluss vorhanden war: 250.000 Liter pro Stunde verbraucht die Mine Marlin, demgegenüber stehen 20 bis 30 Liter, die eine einheimische Familie einschließlich Bewässerung ihrer Felder pro Tag verbraucht.


Die Gemeinde Sipacapa wehrt sich

Gestützt auf die von der Regierung unterzeichnete Konvention 169 der internationalen Arbeitsorganisation (ILO), welche den in Guatemala lebenden UreinwohnerInnen bzw. indigenen Völkern die Selbstbestimmung über die Entwicklung des von ihnen genutzten Landes zugesteht, führte die etwa 14.000 EinwohnerInnen zählende Gemeinde Sipacapa am 18. Juni 2005 in Eigenregie eine Volksabstimmung durch. Bei einer Beteiligung von ca. 45 % der Stimmberechtigten sprachen sich 98 % gegen die Bergbauaktivitäten auf ihrem Gebiet aus. Im März 2006 wurde die Regierung Guatemalas vom Lateinamerikanischen Wassergericht moralisch verurteilt, weil sie "Bergbauaktivitäten zugelassen hat, welche die Gesundheit und die Ökosysteme des Landes langfristig schädigen können, und weil sie die Interessen von Privatpersonen und transnationalen Gesellschaften höher gewichtet hat als das Wohl guatemaltekischer Völker". Anfang April 2006 wurde bekannt, dass das Verfassungsgericht kurz vor Ablauf seiner regulären Amtszeit die Volksabstimmung als verfassungsmäßig beurteilt hatte. Doch kaum hatte das neue Verfassungsgericht seine Arbeit aufgenommen, hieß es, das Urteil sei nicht von allen scheidenden Richtern unterzeichnet worden, und der Fall müsse neu beurteilt werden. Dem Urteil des neuen Verfassungsgerichts darf mit Spannung entgegen gesehen werden, denn es könnte sich um einen Präzedenzfall von internationaler Bedeutung handeln. Verschiedene guatemaltekische Gemeinschaften haben das demokratische Beispiel Sipacapas bereits kopiert und eigene Volksabstimmungen zur Bergbaufrage durchgeführt. - pbi


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Ihr Engagement gegen den Metallabbau brachte ihnen
Morddrohungen ein:

- Dominga Vázquez*,
im Jahr 2005 indigene Bürgermeisterin von Sololá,

- Carlos Guárquez*,
Mitarbeiter der Fundación Maya in Sololá, die sich für
die Rechte der indigenen Bevölkerung einsetzt,

- Alfonso Guárquez,
Korrespondent der Nachrichtenagentur CERIGUA, Ehemann
von Dominga Vázquez und Bruder von Carlos Guárquez,

- Eloyda Mejía*,
Präsidentin der Vereinigung der Freunde des
Izabalsees,

- Monseñor Alvaro Ramazzini,
Bischof von San Marcos und Vorsitzender der
Bergbaukommission,

- Magali Rey Rosa* und José Manuel Chacón,*
leitende Mitglieder des Kollektivs Madre-Selva,

- Mario und Juan Tema,
lokale Vertreter von Sipacapa, die eine aktive Rolle
bei der Vorbereitung der Abstimmung gegen das Marlin-
Projekt innehatten.

* Diese Personen wurden oder werden von pbi begleitet.


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Im März und April 2006 waren zwei von pbi in Guatemala begleitete MenschenrechtsverteidigerInnen auf Europa-Rundreise. Carlos Morales ist Vertreter der Unión Verapacense de Organizaciones Clampesinas (UVOC), eines Zusammenschlusses von Bauern- und Landarbeiterorganisationen in den Departements Alta und Baja Verapaz, Izabal und Quiche. Eloyda Mejía ist Leiterin der Asociación de Amigos del Lago Izabal (ASALI), einer Umweltschutzorganisation, die die umweltzerstörenden Auswirkungen des Abbaus von Nickel durch Bergbauunternehmen am Ufer des Izabal- Sees öffentlich gemacht hat. Sie besuchten verschiedene Aussenministerien und trafen sich mit politischen Mandatsträgern, u.a. in Berlin mit der Deutsch-Mittelamerikanischen Parlamentariergruppe, sowie Agrar- und Umweltorganisationen und kirchlichen Hilfswerken wie Misereor. Ziel war es, die Öffentlichkeit auf die ungelösten Landkonflikte, die Umweltschutzproblematik und zunehmende Gefährdung der MenschenrechtsverteidigerInnen in Guatemala aufmerksam zu machen.


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Quelle:
pbi Rundbrief 01/06, Seite 10-11
Herausgeber: pbi-Deutscher Zweig e.V.
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den 16. Januar 2007