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MELDUNG/005: Entscheidung zum Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen auf Patientenwunsch begrüßt


Pressemitteilung der Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union,
vereinigt mit der Gustav Heinemann-Initiative - Berlin 25.6.2010

Eine gute Entscheidung, aber keine Lösung für die bestehenden Rechtsunsicherheiten am Lebensende.

Humanistische Union begrüßt die Entscheidung des BGH zum Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen auf Patientenwunsch und mahnt gesetzgeberische Klarstellung zur Sterbehilfe an


Die Humanistische Union begrüßt die heutige Entscheidung des Bundesgerichtshofes (2 StR 454/09), mit der die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen unabhängig vom Stadium einer Erkrankung der betroffenen Patienten bestätigt wurde. Das Gericht folgte der bisherigen Rechtsprechung, wonach der Abbruch einer medizinischen Behandlung keine Tötung auf Verlangen, sondern eine zulässige Form der Sterbehilfe sei. Das Verfahren verweist nach Ansicht der Bürgerrechtsorganisation einmal mehr auf den gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Rosemarie Will, Bundesvorsitzende der Humanistischen Union, appelliert deshalb an die Abgeordneten des Deutschen Bundestags: "Nach der zivilrechtlichen Anerkennung der Patientenverfügungen im vergangenen Jahr ist es nun höchste Zeit, die Grenzen zwischen aktiver, passiver und indirekter Sterbehilfe im Strafrecht zu klären." Die Bürgerrechtsorganisation verweist dazu auf einen eigenen Gesetzentwurf, der eine klare Abgrenzung zwischen den verschiedenen Formen der Sterbehilfe enthält und für eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe eintritt.

Dem heute entschiedenen Verfahren lag ein Behandlungsabbruch vor 30 Monaten zugrunde. Der Rechtsstreit verdeutlicht nach Ansicht der Bürgerrechtsorganisation das Ausmaß der bestehenden Rechtsunsicherheiten in Bezug auf ein selbstbestimmtes Lebensende. "Die in der Behandlung schwerstkranker Patienten immer wieder auftretenden Fragen, welche Formen des Behandlungsabbruchs zulässig sind und welche nicht, sind weder neu noch unlösbar", so Rosemarie Will. "Seit Jahren weisen Untersuchungen darauf hin, dass Palliativmediziner oder Vormundschaftsrichter immer wieder verwechseln, welche Formen der (Nicht-)Behandlung einer passiven oder indirekten Sterbehilfe entsprechen und zulässig sind, und wo die aktive Sterbehilfe beginnt." Auch diesmal hätten die Richter der Vorinstanzen nicht erkannt, dass der Abbruch einer Behandlung auf ausdrücklichen Wunsch der Patientin keine Tötung auf Verlangen sei. "Um den Schutz von Patienten vor unerwünschten medizinischen Eingriffen zu verbessern, ist der Gesetzgeber gefordert", so die Verfassungsrechtlerin, "endlich einmal Klarheit im Strafrecht zu schaffen."

Die Humanistische Union hat bereits im vergangenen Jahr einen Entwurf zur Änderung des § 216 Strafgesetzbuch vorgelegt. Er beschreibt die zulässigen Formen einer passiven und indirekten Sterbehilfe und könnte dazu beitragen, so langwierige und in existentiellen Situationen frustrierende Verfahren zu vermeiden. Mit ihrem Gesetzentwurf schlägt die Humanistische Union zudem eine Freigabe aktiver Sterbehilfe vor. Es mache aus ihrer Sicht keinen Sinn, dass sich jeder gesunde Mensch straffrei bei der Selbsttötung helfen lassen könne, eine aktive Sterbehilfe aber hilflosen Menschen verwehrt werde.



Weiterführende Informationen:

Den Gesetzentwurf der Humanistischen Union zur strafrechtlichen Freigabe von aktiver, passiver und indirekter Sterbehilfe finden Sie dokumentiert unter:
http://www.humanistische-union.de/index.php?id=1690

Die strafrechtliche Klärung der Sterbehilfe fordern Juristen seit Jahren, so etwa der 66. Deutsche Juristentag in seinen Beschlüssen vom September 2006, abrufbar unter:
http://www.djt.de/files/djt/66/66_DJT_Beschluesse.pdf


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Quelle:
Pressemitteilung vom 25. Juni 2010
Humanistische Union e.V.
- Bundesgeschäftsstelle -
Greifswalder Straße 4
10405 Berlin
Tel: 030 - 204 502 56
Fax: 030 - 204 502 57
Web: www.humanistische-union.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juni 2010