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ATTAC/620: Heiner Geißler - "Die Weltwirtschaft läuft aus dem Ruder"


Attac Deutschland - Pressemitteilung vom 31. Mai 2007

* Heiner Geißler: "Die Weltwirtschaft läuft aus dem Ruder"

* Attac stellt humane Alternativen zur neoliberalen Globalisierung vor


Heiner Geißler hat am Donnerstag bei einem Pressegespräch in Berlin seine Entscheidung, dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac beizutreten, begründet und seine Kritik am neoliberalen Kurs der G8 bekräftigt.

"Die Weltwirtschaft läuft aus dem Ruder, die Kluft zwischen Arm und Reich auf der Welt wird immer größer und das Flüchtlingselend immer bedrohlicher", sagte er. Die reichen Länder müssten sich in Heiligendamm überlegen, ob sie den bisherigen Weg weitergehen wollen oder ob nicht das Modell einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft die bessere Alternative sei. Zu einer neuen Ordnung gehörten eine stärkere Kontrolle der internationalen Finanzsysteme, die Schließung der Off-shore-centers, die Einführung einer internationalen Devisentransaktionssteuer, die Beschränkung der europäischen und amerikanischen Agrarsubventionen sowie eine Reform der globalen Institutionen wie Weltbank, IWF und WTO.

"Ohne Achtung der Menschenwürde und solidarische Standards, die Lohnsklaverei, Ausbeutung, Kinderarbeit und Zerstörung der Natur verbieten und verhindern, ist eine humane Weltwirtschafts- und Weltfriedensordnung nicht möglich", betonte der Christdemokrat. Die Alternativen seien Blutvergießen, Wirtschaftskriege um Wasser, Ernährung und Energie, Zerstörung der natürlichen Ressourcen sowie Fundamentalismus und weltpolitisches Chaos. "Sich für die humane Alternative zu entscheiden und endlich zu handeln, ist die Pflicht und Verantwortung der G8-Staaten", so Heiner Geißler.

"Wir leben in einer Welt voller Reichtum, in der die Armut nicht beseitigt wird. Dies zeigt, dass mit unserem Weltwirtschaftssystem etwas nicht Ordnung ist und grundsätzliche Alternativen gefragt sind", ergänzte Pedram Shahyar vom Attac-Koordinierungskreis bei dem Gespräch. Um die Wirtschaft den Menschen zugute kommen zu lassen, sei eine umfassende Demokratisierung der Wirtschaft notwendig. Der Trend zur Privatisierung öffentlicher Güter müsse gestoppt werden, erfolgte Privatisierten seien rückgängig zu machen. Pedram Shahyar: "Gas, Energie, Transport, Wasser und Bildung gehören unter demokratische Kontrolle und dürfen nicht der Profitgier der Investoren unterworfen werden."

Heiner Geißler, ehemaliger CDU-Generalsekretär, ist vor zwei Wochen während einer TV-Sendung Attac beigetreten.


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Pressestatement
Dr. Heiner Geißler
Berlin, 31. Mai 2007

"Die Globalisierung human gestalten"

Warum Heiner Geißler Attac unterstützt

Es gibt gute Gründe, das globale Netzwerk Attac zu unterstützen und ihm beizutreten. Heute ist Attac eine machtvolle soziale Bewegung, die immer mehr Zulauf vor allem von jungen Menschen erhält, die sich gewaltfrei für die humane Gestaltung des Globalisierungsprozesses einsetzen. Die Demonstrationen sind deswegen notwendig, weil sich die Weltwirtschaft in einem Zustand der Anarchie befindet, in dem sich die Kapitalinteressen ohne Rücksicht auf soziale und ökologische Folgen durchsetzen. Es gibt keinen geordneten Wettbewerb mehr, der früher das Kennzeichen einer sozialen Marktwirtschaft gewesen ist. Die Ökonomie ist global aufgestellt, die Nationalstaaten sind immer noch national organisiert. Es ist klar, wer da am längeren Hebel sitzt. Nicht die Globalisierung muss rückgängig gemacht werden, sondern die Politik muss sich internationalisieren. Aber wie sich jetzt schon bei der Vorbereitung des G8-Gipfels in Heiligendamm herausstellt, driftet die Politik auseinander. Angela Merkel hat sieben wichtige Punkte auf die Tagesordnung gesetzt. Aber beim Klimaschutz sind die Amerikaner dagegen, bei der Kontrolle der internationalen Hedge-Fonds die Engländer und beim Abbau der Agrarsubventionen die Franzosen. Subventionierte holländische Zwiebeln, französische Tomaten und amerikanische Baumwolle verdrängen afrikanische Produkte vom Markt und machen Millionen Afrikaner arbeitslos, die dann als Flüchtlinge in Europa landen. Das sind nur wenige Beispiele dafür, dass die Weltwirtschaft aus dem Ruder läuft und die Kluft zwischen Arm und Reich auf der Welt immer größer und das Flüchtlingselend immer bedrohlicher wird.

Die reichen Länder müssen sich in Heiligendamm überlegen, ob sie den bisherigen Weg weitergehen wollen oder ob nicht das Modell einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft die bessere Alternative ist. Die Co-Finanzierung der Entwicklungsländer in Form eines Welt-Marshall-Plans würde etwa ein bis zwei Prozent des Weltbruttosozialprodukts kosten. Zu einer neuen Ordnung gehören eine stärkere Kontrolle der internationalen Finanzsysteme, die Schließung der Off-shorecenters, die Einführung einer internationalen Finanztransaktionssteuer, die Beschränkung der europäischen und amerikanischen Agrarsubventionen und eine Reform der globalen Institutionen wie Weltbank, IWF und WTO, die der Nobelpreisträger Josef Stieglitz dafür verantwortlich macht, dass die Globalisierung bisher schief gelaufen ist. Ohne Achtung der Menschenwürde und ohne solidarische Standards, die Lohnsklaverei, Ausbeutung, Kinderarbeit und Zerstörung der Natur verbieten und verhindern, ist auf die Dauer eine humane Weltwirtschaftsordnung und Weltfriedensordnung nicht möglich. Die Alternativen sind Blutvergießen, Wirtschaftskriege um Wasser, Ernährung und Energie, Zerstörung der natürlichen Ressourcen, Überhandnahme des Fundamentalismus und weltpolitisches Chaos. Sich für die humane Alternative zu entscheiden und endlich zu handeln ist die Pflicht und Verantwortung der G8-Staaten in Heiligendamm.


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Quelle:
Presssemitteilung vom 31.05.2007
Pressesprecherin Attac Deutschland
Frauke Distelrath
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juni 2007