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FREE GAZA/086: Israel tötet Gaza-Helfer (jW)


junge Welt - Die Tageszeitung - Ausgabe vom 1. Juni 2010

Israel tötet Gaza-Helfer

Von Karin Leukefeld


In der Nacht zu Montag haben die israelische Marine und Elitetruppen sechs Schiffe der »Freiheitsflotte« der internationalen Free-Gaza-Bewegung angegriffen und gekapert. Dabei wurden letzten Meldungen zufolge bis zu 20 Personen getötet und Dutzende verletzt. Die Schiffe sollen Berichten zufolge in die israelischen Häfen Haifa und Aschdod geschleppt worden sein, die Passagiere gelten als festgenommen. Der Überfall ereignete sich weit vor der palästinensischen Küste in internationalen Gewässern.

Schon am späten Sonntag abend war die »Freiheitsflotte«, die 10000 Tonnen Hilfsgüter in den von Israel blockierten Gazastreifen bringen wollte, von israelischen Kriegsschiffen bedrängt worden. Die Besatzung forderte die Israelis auf, sich fernzuhalten und wies die Passagiere an, Schwimmwesten anzulegen und sich unter Deck aufzuhalten. Nach Angaben von Journalisten an Bord des Leitschiffs »Mavi Marmara« erfolgte der Angriff gegen 5 Uhr am Montag früh. Dabei seilten sich schwerbewaffnete Elitesoldaten von Hubschraubern auf das Schiff ab und begannen ohne Vorwarnung zu schießen. Die Szenen wurden von der Bordkamera live übertragen. Kurz darauf wurde die Satelliten- und Funkverbindung der »Mavi Marmara« gekappt.

Die israelische Regierung verhängte zunächst eine Nachrichtensperre. Am Montag morgen erklärte ein Regierungssprecher dann, die Soldaten hätten in Selbstverteidigung ihre Schußwaffen eingesetzt. Der israelische Industrie- und Handelsminister Benjamin Ben Elieser bezeichnete die Fernsehbilder von der Erstürmung als »nicht schön«. Die Armee habe nicht die Absicht gehabt, das Feuer zu eröffnen, »aber es gab eine enorme Provokation«. Die Soldaten seien mit Äxten und Messern erwartet worden, »und wenn dann noch jemand versucht, ihnen ihre Waffe wegzunehmen, dann fängt man an, die Kontrolle über die Lage zu verlieren«, so Elieser. Der stellvertretende israelische Außenminister Danny Ayalon bezeichnete die Flotte als »eine Armada aus Haß und Gewalt zur Unterstützung der Hamas«. Die Aktion sei eine »vorsätzliche und abscheuliche Provokation« gewesen, die Aktivisten an Bord hätten die Absicht gehabt, Gewalt einzusetzen, und so wäre es gekommen.

Die Organisatoren des Hilfskonvois wiesen die Vorwürfe zurück. Die Friedensaktivisten hätten »weiße Fahnen geschwungen und keine Äxte«. An Bord der Schiffe seien keine Waffen gewesen, erklärte Greta Berlin von »Free Gaza«. Die Passagiere hätten sich höchstens zur Wehr gesetzt und »dazu hatten sie mit Sicherheit auch das Recht«.

Die Europäische Union forderte eine Untersuchung des Angriffs, die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton forderte Israel auf, die Blockade des Gazastreifens für Hilfslieferungen und normale Handelsgüter »sofort und ohne Bedingungen« zu lockern. Gregor Gysi, Vorsitzender der Bundestagsfraktion der Fraktion Die Linke erklärte, die Schiffe mit den Hilfsgütern zu stoppen, sei »rechtswidrig« und die Schiffe zu besetzen »verbrecherisch«. Die Bundesregierung solle die israelische Regierung zu einem Gewaltverzicht auffordern und eine internationale Untersuchungskommission bilden, um die Vorgänge zu klären. Auch SPD und Grüne zeigten sich schockiert und forderten eine unabhängige internationale Untersuchung.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat einen geplanten Besuch im Weißen Haus am Dienstag abgesagt. Der UN-Sicherheitsrat kam am Montag (nach jW-Redaktionsschluß) zu einer Sondersitzung zusammen.

www.freegaza.de


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Quelle:
junge Welt vom 01.06.2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juni 2010