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APPELL/066: Für eine neue Friedens- und Entspannungspolitik - Transatlantischer Appell (IPPNW)


IPPNW-Pressemitteilung vom 13. Dezember 2016
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland

Für eine neue Friedens- und Entspannungspolitik

Transatlantischer Appell


Die wachsenden Spannungen zwischen der NATO und Russland beunruhigen viele Menschen auf beiden Seiten des Atlantiks. Unter dem Motto "Die Spirale der Gewalt beenden - für eine neue Friedens- und Entspannungspolitik jetzt!" haben Persönlichkeiten aus Politik und Zivilgesellschaft aus Deutschland und den USA einen transatlantischen Appell für eine neue Entspannungspolitik mit Russland initiiert. "Immer mehr setzen die NATO und Russland auf Abschreckung durch Aufrüstung und Drohungen gegeneinander statt auf gemeinsame Sicherheit durch vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen, Rüstungskontrolle und Abrüstung. Sie missachten damit auch ihre Verpflichtungen zum Aufbau einer gesamteuropäischen Friedensordnung, zur Stärkung der Vereinten Nationen und zur friedlichen Beilegung von Streitfällen mit einer obligatorischen Schlichtung durch eine Drittpartei," heißt es in dem Aufruf.

Die UnterzeichnerInnen, zu denen Vertreterinnen und Vertreter aus Kirchen, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft gehören, drängen auf eine breite gesellschaftliche und parteiübergreifende Debatte zur Durchsetzung einer neuen "Entspannungspolitik jetzt!"

Mehrere Persönlichkeiten aus der Friedensbewegung unterstützen den Aufruf, darunter die IPPNW-Vorsitzende Susanne Grabenhorst, IPPNW-Vorstandsmitglied Dr. Sabine Farrouh und IPPNW-Ehrenvorstand Prof. Dr. Ulrich Gottstein, die Bundesvorsitzende der katholischen Friedensbewegung pax christi Wiltrud Rösch-Metzler, Dr. Christine Schweitzer, Co-Geschäftsführerin des Bundes für Soziale Verteidigung. Aus der US-amerikanischen Friedensbewegung haben Helen Caldicott, eine der Gründerinnen der Physicians for Social Responsibility, Ira Helfand, Co-Präsident der IPPNW, David Krieger, Präsident der Nuclear Age Peace Foundation und der Philosoph und Linguist Noam Chomsky den Aufruf unterzeichnet.

Aus der US-amerikanischen Friedensbewegung haben Helen Caldicott, eine der Gründerinnen der Physicians for Social Responsibility, Ira Helfand, Co-Präsident der IPPNW, David Krieger, Präsident der Nuclear Age Peace Foundation und der Philosoph und Linguist Noam Chomsky den Aufruf unterzeichnet. Weitere prominente Journalisten, Publizisten und Künstler aus den USA haben diesen Aufruf unterschrieben und so ein deutliches Signal für eine Zusammenarbeit über den Atlantik hinweg gegeben. Außerdem finden sich auch Vertreter aus Schweden, den Niederlanden, Belgien, Australien, Bulgarien, Großbritannien, Kanada und Polen unter den Unterstützern.

Zu den bekannte Namen von Erstunterzeichnern aus der deutschen Politik gehören beispielsweise die ehemaligen Bundesminister Björn Engholm, Herta Däubler-Gmelin und Renate Schmidt, die Bundestagsabgeordneten Gernot Erler, Gregor Gysi und Johannes Kahrs, der frühere Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye, der ehemalige EU-Kommissar Günter Verheugen, der frühere EKD-Auslandsbischof Martin Schindehütte sowie der jetzige Bremer Bürgermeister Carsten Sieling wie sein Vorgänger Henning Scherf.

Ein Bericht in der amerikanischen Zeitung "The Nation" am 06.12.2016 in einem OpEd "Détente NOW!" motivierte Gruppen der Zivilgesellschaft beiderseits des Atlantiks zur öffentlichen Sammlung von Unterschriften [1].

Wer den Appell unterstützen möchte, kann den Text online unterzeichnen [2].

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Aufruf
"Die Spirale der Gewalt beenden - für eine neue Friedens- und Entspannungspolitik jetzt!"

Immer mehr setzen die NATO und Russland auf Abschreckung durch Aufrüstung und Drohungen gegeneinander statt auf gemeinsame Sicherheit durch vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen, Rüstungskontrolle und Abrüstung.

Sie missachten damit auch ihre Verpflichtungen zum Aufbau einer gesamteuropäischen Friedensordnung, zur Stärkung der Vereinten Nationen und zur friedlichen Beilegung von Streitfällen mit einer obligatorischen Schlichtung durch eine Drittpartei, die die Staatschefs Europas und Nordamerikas vor 25 Jahren in der "Charta von Paris"*) feierlich unterschrieben haben. Seitdem ist mühsam aufgebautes Vertrauen zerstört, und die friedliche Lösung der Krisen und Konflikte erschwert worden.

Ohne Zusammenarbeit mit Russland drohen weitere Konfrontation und ein neues Wettrüsten, die Eskalation des Ukraine-Konflikts, und noch mehr Terror und Kriege im Nahen Osten, die Millionen Menschen in die Flucht treiben. Europäische Sicherheit wird - trotz aller politischen Differenzen über die Einschätzung des jeweils anderen inneren Regimes - nicht ohne oder gar gegen, sondern nur gemeinsam mit Russland möglich sein.

Das ist die zentrale Lehre aus den Erfahrungen mit der Entspannungspolitik seit den 60er Jahren, namentlich der westdeutschen Bundesregierung unter Willy Brandt. Er erhielt dafür 1971 den Friedensnobelpreis mit der Begründung des Nobelkomitees, er habe "die Hand zur Versöhnung zwischen alten Feindländern ausgestreckt". Niemand konnte damals wissen, dass kaum zwanzig Jahre später der friedliche Fall der Berliner Mauer und des "Eisernen Vorhangs" in Europa einen Neuanfang ermöglichen würden, nicht zuletzt ein Ergebnis der von Willy Brandt durchgesetzten und danach fortgesetzten Entspannungspolitik!

Der Ausweg aus der Sackgasse der Konfrontation führt auch heute nur über Kooperation, durch Verständigung mit vermeintlichen "Feindländern"!

Anfang 2009, zum Amtsantritt von Präsident Obama, mahnte der "Architekt der Entspannungspolitik", Egon Bahr, gemeinsam mit Helmut Schmidt, Richard von Weizsäcker und Hans Dietrich Genscher, in einem Appell für eine atomwaffenfreie Welt: "Das Schlüsselwort unseres Jahrhunderts heißt Zusammenarbeit. Kein globales Problem ist durch Konfrontation oder durch den Einsatz militärischer Macht zu lösen".

Ähnliche Aufrufe von "Elder Statesmen" gab es in anderen Ländern. Im Bundestag einigten sich im März 2010 Union, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen auf einen gemeinsamen Antrag (17/1159), der unter anderem den "Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland" forderte. Angesichts der Eskalation der Ukraine-Krise und zur Unterstützung von "Minsk 2" wuchs Anfang 2015 auch in den Parteien die Forderung nach einer "neuen Entspannungspolitik".

Egon Bahr und andere machten immer wieder Vorschläge zur Entschärfung bzw. Lösung der aktuellen Konflikte mit Methoden der Entspannungspolitik. Zahlreiche, teils prominente Bürgerinnen und Bürger engagierten sich mit Erklärungen und Aufrufen. In einer gemeinsamen Erklärung fordern VertreterInnen aus Kirchen, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft "eine neue Friedens- und Entspannungspolitik jetzt!". Aber diese Aufrufe verhallten nahezu ungehört.

Heute ist die breite gesellschaftliche und parteiübergreifende Debatte über Entspannungspolitik notwendiger denn je, um zu helfen, die Konfrontation in Europa zu beenden und die europäischen Krisen zu bewältigen und - mit Nutzen für die ganze Welt - eine Zone gesamteuropäischer "gemeinsamer Sicherheit" durch Zusammenarbeit aller Staaten von Vancouver bis Wladiwostok durchzusetzen.

http://neue-entspannungspolitik.berlin/de/aufruf/


[1] OpEd "Détente NOW!" in der amerikanischen Zeitung "The Nation":
https://www.thenation.com/article/detente-now-a-new-call-for-peace-security-and-cooperation/

[2] Die deutsche Version des Aufrufs und die Möglichkeit, ihn online zu unterzeichnen, ist zu finden unter:
http://neue-entspannungspolitik.berlin/de/aufruf/

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Quelle:
Pressemitteilung vom 13. Dezember 2016
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland
Körtestr. 10, 10967 Berlin
Tel. 030/69 80 74-0, Fax: 030/69 38 166
E-Mail: ippnw@ippnw.de
Internet: www.ippnw.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Dezember 2016

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