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OFFENER BRIEF/056: EU-Freihandelsabkommen mit Kanada - wie entscheidet die SPD? (TTIP-Unfairhandelbar)


TTIP-Unfairhandelbar - 5. Juni 2016

Mut zum Nein. CETA ist nicht zustimmungsfähig!
Rote Linien einhalten!

EU-Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) - wie entscheidet die SPD?


Liebe Delegierte des SPD-Parteikonvents am 5. Juni 2016,
liebe Mitglieder des SPD-Parteivorstandes,
sehr geehrte Damen und Herren,

im September 2016 soll ein Konvent über die endgültige Positionierung der SPD zum geplanten EU-Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) entscheiden. Im Vorfeld dieses wichtigen Beschlusses möchten wir Sie bitten,

• sich für eine Ablehnung von CETA stark zu machen, weil dieses Abkommen die ,roten Linien' der SPD klar überschreitet und den Forderungen der deutschen und kanadischen Gewerkschaften, der Zivilgesellschaft und der Mehrheit der SPD-Mitglieder und WählerInnen nicht entspricht.

• sicherzustellen, dass die Entscheidung des Herbst-Konvents nicht schon in den Wochen vor der Sommerpause 2016 durch das Regierungshandeln des SPD-geführten Wirtschaftsministeriums für eine schnelle CETA-Ratifizierung vorweggenommen und damit unterlaufen wird! Die SPD hat auf Ihrem Bundesparteitag im Dezember 2015 u.a. beschlossen: "Wenn die Ergebnisse der Gespräche und Verhandlungen vorliegen, werden wir diese im Austausch mit unseren europäischen Schwesterparteien bewerten und auf einem erneuten SPD-Parteikonvent oder Bundesparteitag entscheiden, ob sie in ihrer Gesamtschau unseren Anforderungen entsprechen und also eine Zustimmung der SPD erlauben. Für uns ist klar: Es gibt keinen Automatismus."

• eine vorläufige Anwendung von CETA vor einer Entscheidung des Bundestages und Bundesrates im Rahmen der Ratifizierung zu verhindern. Sie wie wir haben in vielfältigen Diskussionen im Lande die Rolle von Bundestag und Bundesrat bei der Entscheidung über Handelsabkommen betont. Eine vorläufige Anwendung des Abkommens vor der Ratifizierung durch die Europäischen Mitgliedstaaten würde in der Öffentlichkeit nicht verstanden werden.

Auch in anderen Ländern Europas wachsen Zweifel und Widerspruch gegen das Abkommen. Es liegt dabei nicht nur an Deutschland allein, auch in Ländern wie Österreich, den Niederlanden, Belgien oder Slowenien wächst die Kritik an CETA. Die Zustimmung dieser Länder zu dem Abkommen wird zunehmend fraglich.

Wir wissen, dass viele von Ihnen die Sorge haben, die Ablehnung eines ausverhandelten Vertrags würde für die SPD und für die Handelspolitik der EU zu einer Belastungsprobe. Aber weder Sie noch wir haben die Partei und die Europäische Union in diese Lage gebracht. Und vor allem: Eine Ratifizierung von CETA würde die Krise der EU vertiefen, denn die Folgen dieses einseitig auf die Interessen weniger transnationaler Konzerne ausgerichteten Abkommens würden die Legitimität des politischen Handelns der EU weiter untergraben. Die SPD wird Wähler/innen und Mandate verlieren - und damit möglicherweise auch die Chance, eine andere, eine faire Handelspolitik in Regierungsverantwortung umsetzen zu können.

Wir möchten Sie daher auf die Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes vom 5.4.2016 aufmerksam machen und begrüßen die klaren Worte darin: dass "der CETA-Text trotz Verbesserungen noch nicht den gewerkschaftliches Anforderungen an ein zustimmungsfähiges Abkommen" entspricht. Insbesondere kritisieren wir:

• beim Investitionsschutz: Die inhaltlichen Rechte, die ausländischen Unternehmen weiterhin gewährt werden - insbesondere der Anspruch auf "gerechte und billige Behandlung" (fair and equitable treatment, FET) und der Schutz so genannter "legitimer Erwartungen" - lassen weiterhin breiten Interpretationsspielraum zu. Das reformierte System der Schiedsgerichtstribunale bedeutet faktisch die Aufrechterhaltung der Sondergerichtsbarkeit für Konzerne. Auch die Unabhängigkeit der Richter ist weiterhin nicht gewährleistet. Es kann nicht sein, dass Sozialdemokraten sich an dem Aufbau eines Systems beteiligen, das Investoren Sonderrechte gibt ohne gleichzeitige Verpflichtungen im Umwelt- und Arbeitsschutz.

• bei der Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten muss weiterhin die "fehlende Verpflichtung zur tatsächlichen Ratifizierung aller Kernarbeitsnormen" kritisiert werden, sowie die fehlenden Sanktions- und Durchsetzungsmechanismen.

• bei der Dienstleistungs-Liberalisierung: Mit dem Negativlistenansatz werden für alle Dienstleistungsbereiche, die nicht explizit aufgelistet sind, Liberalisierungsverpflichtungen eingegangen. Eine Überprüfung, ob alle wichtigen, schützenswerte Bereiche ausgenommen wurden, ist so kaum möglich. Auch zukünftige Dienstleistungsarten können naturgemäß nicht auf einer Negativliste vermerkt werden. Außerdem führt die so genannte "Sperrklinken-Klausel", die stets das höchste erreichte Liberalisierungsniveau festschreibt, dazu, dass einmal vollzogene Liberalisierungsschritte nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Der Schutz für Öffentliche Dienstleistungen in CETA ist weiterhin unzureichend.

Das Abkommen ist daher derzeit nicht zustimmungsfähig und wir bitten Sie daher, CETA abzulehnen.

Mit freundlichen Grüßen
TTIP-Unfairhandelbar - ein Bündnis von 100 zivilgesellschaftlichen Organisationen

www.ttip-unfairhandelbar.de

*

Quelle:
Bündnis TTIP-Unfairhandelbar
Pressemitteilung vom 5. Mai 2016
c/o Forum Umwelt & Entwicklung
Marienstraße 19-20, 10117 Berlin
Telefon: +49 (0) 30 678 1775 93, Fax: +49 (0) 30 678 1775 80
E-Mail: info(at)forumue.de
Internet: www.ttip-unfairhandelbar.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juni 2016

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