Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → MEINUNGEN

STELLUNGNAHME/049: Nein zum Bundeswehreinsatz in Mali - Hungerhilfe statt Waffenhilfe! (Friedensratschlag)


Bundesausschusses Friedensratschlag - Pressemitteilung vom 12. Februar 2014

Friedensbewegung: Nein zum Bundeswehreinsatz in Mali - Hungerhilfe statt Waffenhilfe!

Bundesregierung verstärkt Militärpolitik in Afrika ...
... und unterstützt französischen Neokolonialismus



Berlin/Kassel, 12. Februar 2014 - Anlässlich der bevorstehenden Bundestagsdebatte über den Antrag der Bundesregierung, den Bundeswehreinsatz in Mali auszuweiten, erklärten die Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag in einer Stellungnahme:

Der im Januar 2013 begonnene französische Kriegseinsatz in Nordmali, unterstützt von westafrikanischen Streitkräften, hat nur scheinbar zur Beruhigung des Landes, zugleich aber vor allem zur Vertreibung der Tuareg und diverser islamistischer Kräfte geführt. Die UNO führt mit MINUSMA (zurzeit 5.500 Soldaten, davon 2.500 Franzosen und knapp 1.000 Polizisten) eine gemischte Kampf- und Stabilisierungstruppe und die EU mit EUTM Mali eine reine Ausbildungstruppe für die malische Armee ins Feld. Die Bundeswehr beteiligt sich an MINUSMA mit Lufttransport und Luftbetankung mit zurzeit 77 (und bis zu 330 möglichen) Soldaten sowie an EUTM mit zurzeit 102 Soldaten (180 sind möglich). Das deutsche EUTM-Kontingent soll nun, so sieht es der Antrag der Bundesregierung vor, auf 250 Soldaten erweitert werden.

Was so harmlos klingt, hat einen harten wirtschaftlichen Kern. Es handelt sich um ein neokolonialistisches Projekt Frankreichs. Frankreichs ökonomischer Einfluss in Schwarzafrika hat sich im letzten Jahrzehnt etwa halbiert.

  • Malis Nachbarland Niger allerdings schwingt sich mit französischem Kapital auf, zum zweitgrößten Uranproduzenten der Welt zu werden. Frankreichs Staatskonzern AREVA bezieht von dort den Großteil seines Yellowcakes für die heimischen AKW. Französische Spezialeinheiten schützen in Folge des Malieinsatzes dort die Anlagen.
  • Mali ist der drittgrößte Goldförderer Afrikas - jedoch ohne französische Eigentümer. Malis Boden enthält große Vorkommen an Bauxit, Phosphat, Mangan und anderen Mineralien, die weitgehend noch unerschlossen sind. Uran wird abgebaut. Bei der Konzessionsvergabe für die Erdgas- und Erdölsuche - der gesamt Norden und ein Großteil des Südens sind konzessioniert - kamen französische Firmen jedoch auch nicht zum Zuge. Mit der Wahl des von Frankreich unterstützten neuen malischen Präsidenten Keita dürfte es auf Dauer für Paris besser aussehen. Keita gilt als frankophil und sorgte während seiner Zeit als Premierminister Ende der 90er Jahre bereits für die Schwächung der Bergbaugewerkschaften. Deshalb ist eine Teilhabe der bitterarmen malischen Bevölkerung an den Einnahmen aus den Rohstoffexporten nicht zu erwarten. Sie werden weiter in die bereits prall gefüllten Taschen der Reichsten des Landes fließen und sorgen andererseits für sprudelnde Gewinne der Rohstoffkonzerne. Frankreich hat im Dezember auf dem Pariser Afrika-Gipfel verkündet, erstmals auch in Mali einen französischen Militärstützpunkt einzurichten.

Der militärische Beitrag Deutschlands im Rahmen von EUTM stützt diese neokolonialistische Politik. Zwar ist er, verglichen mit dem MINUSMA-Einsatz zur Unterstützung des französischen Luftkriegs, eher symbolisch; er gewinnt jedoch an Bedeutung im Kontext der Regierungspläne, Auslandseinsätze der Bundeswehr Schritt für Schritt insbesondere in Afrika auszuweiten. Zentralafrika (wofür bereits ein EU-"Mandat" vorliegt) und Somalia sollen die nächsten Stationen sein. In Mali werden - unter schwierigsten Klimabedingungen - Erfahrungen dafür gesammelt. Nicht so sehr der malischen Armee dient also die Ausbildung, sondern den Bundeswehrsoldaten selber. Größere Schritte leistet sich die Bundesregierung vorerst nicht - auch weil sie weiß, dass eine Ausweitung der Bundeswehreinsätze in der Bevölkerung hier zu Lande auf breite Ablehnung stößt. Da haben selbst die Werbeoffensiven von Gauck, Steinmeier und von der Leyen auf der Münchner Sicherheitskonferenz zu keinem Meinungsumschwung geführt: Die Tagesschau meldete am 7.02.2014, dass 75 Prozent der Deutschen gegen eine Ausweitung der Bundeswehreinsätze sind.

Der Zivilbevölkerung Malis hat der Militäreinsatz keine Besserung ihrer Lage gebracht. Die Unsicherheit im Norden ist nach wie vor so groß, dass sich die Flüchtlinge kaum zurück trauen. Registrierte das Flüchtlingshilfswerk UNHCR im April 2013 insgesamt 470.000 Flüchtlinge, sind es zurzeit immer noch etwa 450.000. Das ist fast ein Drittel der Bevölkerung Nord-Malis. Zudem schlägt die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO (FAO) Alarm, weil in Mali 970.000 Menschen an ernsthaftem Nahrungsmittelmangel leiden. Die humanitäre Nothilfe aus Deutschland ist mangelhaft. Zuletzt wurden im Juli 2013 lächerliche fünf Millionen Euro für Mali zugesagt. Offensichtlich viel zu wenig. An einsatzbedingten Zusatzkosten für MINUSMA wurden damals gleichzeitig für ein Jahr 46,3 Millionen Euro bewilligt, der Einsatz EUTM Mali soll für ein Jahr 17,2 Millionen Euro verschlingen. Die versprochene Entwicklungshilfe des BMZ beläuft sich auf 100 Millionen Euro verteilt auf 2013 und 2014. Die Gelder sollen für landwirtschaftliche Entwicklung, Trinkwasseraufbereitung und Abwasserentsorgung verwendet werden. Das ist viel zu wenig, wenn man bedenkt, dass aus dem BMZ im selben Zeitraum nach Afghanistan das Neunfache an Entwicklungshilfe fließen wird. Das ist pro Kopf fünf Mal so viel wie nach Mali. - Dass die Mittel in Afghanistan auch nicht die gewünschten Ergebnisse bringen, hat mit der ungelösten Sicherheitslage dort zu tun.

Es ist ein Skandal, Millionen und Abermillionen in militärischen Abenteuern zu verpulvern, anstatt den hungernden Menschen unmittelbar zu helfen. Für die gesamte Sahelzone ist es notwendig, multilateral einen umfassenden Plan zur nachhaltigen sozio-ökonomischen Entwicklung zu erstellen, der sich an den Interessen der dortigen Gesellschaften orientiert. Minderheiteninteressen müssen berücksichtigt werden. Der Ressourcenreichtum dieser Region muss für die Entwicklung der Menschen vor Ort verwendet werden. Die sehr zahlreichen jungen Menschen benötigen Bildung und Arbeitsplätze.

Wir fordern den Bundestag auf, die neokolonialistische Politik Frankreichs in Afrika nicht weiter zu unterstützen und die Soldaten aus der Ausbildungstruppe EUTM Mali und aus MINUSMA abzuziehen. Die so frei werdenden Gelder müssen umgehend in die humanitäre Nothilfe Malis fließen.

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Kassel)
Lühr Henken (Berlin)

*

Quelle:
Pressemitteilung vom 12. Februar 2014
AG Friedensforschung und Bundesausschuss Friedensratschlag
Germaniastr. 14, 34119 Kassel
Telefon: (0561) 93717974
E-Mail: Bundesausschuss.Friedensratschlag@gmx.net
Internet: www.ag-friedensforschung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Februar 2014