Schattenblick → INFOPOOL → BÜRGER/GESELLSCHAFT → MEINUNGEN


STELLUNGNAHME/065: Demokratiewidrige Attacken auf die Pressefreiheit (ILMR)


Internationale Liga für Menschenrechte - Pressemitteilung vom 31. Juli 2015

Demokratiewidrige Attacken auf die Pressefreiheit

Zweierlei Maß: Generalbundesanwalt ermittelt gegen Journalisten wegen "Landesverrats" - während er Ermittlungen gegen Bundesregierung und Geheimdienste wegen Massenüberwachung der Bevölkerung systematisch verschleppt.


Die Internationale Liga für Menschenrechte verurteilt die Strafanzeigen des Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz und die nun bekannt gewordene Einleitung von Ermittlungen durch den Generalbundesanwalt als demokratiewidrige Attacken auf Pressefreiheit und Bürgerrechte. Das gegen Journalisten gerichtete Verfahren dient keinesfalls der Aufklärung möglicher Straftaten, sondern ist dazu geeignet, die so notwendige und überaus wichtige publizistische Aufklärungsarbeit über geheimdienstliche Praktiken und Grundrechtsverstöße zu erschweren sowie Whistleblower, Journalisten und Presseorgane einzuschüchtern. Dieses Ermittlungsverfahren gefährdet den investigativ-aufklärerischen Journalismus, der für eine demokratische und freiheitliche Gesellschaft unabdingbar ist. Bundesregierung und Geheimdienste wollen ganz offensichtlich mit allen Mitteln die Wahrheit über die massive bundesdeutsche Verstrickung in den NSA-Skandal unterdrücken.

Die Internationale Liga für Menschenrechte verurteilt in diesem Zusammenhang die Politik des zweierlei Maßes, die hier zum Ausdruck kommt. Denn derselbe Generalbundesanwalt, der nun so forsch gegen Journalisten vorgeht, verschleppt seit Anfang letzten Jahres die Ermittlungen gegen Bundesregierung und Geheimdienste, die für die anlasslose Massenüberwachung der gesamten Bevölkerung mitverantwortlich sind und endlich zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Die Liga hatte nach den Enthüllungen des ehemaligen NSA-Mitarbeiters und Whistleblowers Edward Snowden bereits im Februar 2014 zusammen mit ChaosComputerClub und Digitalcourage Strafanzeige in dieser Angelegenheit erstattet.

Rolf Gössner, Liga-Vizepräsident und Miterstatter der Strafanzeige: "Wir werten die Verschleppung der Ermittlungen und die Verweigerung von Rechtsschutz als politisch motiviert und als skandalöse Kapitulation des Rechtsstaates vor staatlichem Unrecht. Nach Auffassung der Liga und der Anzeigeerstatter lässt das zweierlei Maß, das hier zum Ausdruck kommt, an der Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz zweifeln."

Unsere Strafanzeige richtete sich gegen Geheimdienstverantwortliche sowie gegen die Bundesregierung wegen massiver Verstrickung bundesdeutscher Geheimdienste in das globale Massenüberwachungssystem, wegen millionenfacher Verletzung des Menschenrechts auf Privatsphäre und wegen sträflich unterlassener Abwehr- und Schutzmaßnahmen zugunsten der Bevölkerung. Der Anzeige haben sich in der Folgezeit sechs weitere Vereinigungen und fast 2.000 Einzelpersonen angeschlossen.

Die Internationale Liga für Menschenrechte fordert den Generalbundesanwalt auf, das offensichtlich politisch motivierte Ermittlungsverfahren gegen die Betreiber von "Netzpolitik.org" wegen Landesverrats unverzüglich einzustellen und endlich die Strafermittlungen gegen Bundesregierung und Geheimdienst-Verantwortliche wegen der jahrelangen anlasslosen Massenüberwachung der Bevölkerung offiziell einzuleiten - und zwar ohne Ansehen von Person und Amt und ohne Rücksicht auf (außen-)politische Interessen.


Hintergrund:

Die Strafanzeige gegen Geheimdienstverantwortliche und die Bundesregierung wegen geheimdienstlicher Massenausforschung erstatteten im Februar 2014:

• die Internationale Liga für Menschenrechte und ihr Vizepräsident Rechtsanwalt Dr. Rolf Gössner
http://ilmr.de/wp-content/uploads/2014/02/Strafanzeige-NSA.3.2.14.pdf (Doku)

• der Chaos Computer Club e.V., Hamburg, und seine Sprecherin Dr. Constanze Kurz
http://www.ccc.de/de/updates/2014/complaint

• der Datenschutzverein digitalcourage e.V. (Bielefeld) und dessen Vorstandsmitglieder Rena Tangens und padeluun
https://digitalcourage.de/blog/2014/strafanzeige-gegen-die-bundesregierung

*

Quelle:
Pressemitteilung vom 31. Juli 2015
Internationale Liga für Menschenrechte
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Telefon: 030 - 396 21 22, Fax: 030 - 396 21 47
E-Mail: vorstand@ilmr.de
Internet: www.ilmr.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. August 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang