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BERICHT/035: Aufbruchtage - Die Praxis eines jeden ... (2) (SB)


Versprechen und Wirklichkeit des grünen Wachstums

Vortrag von Clive Spash an der Universität Leipzig am 5. September 2014



Prof. Dr. Clive L. Spash lehrt Public Policy and Governance an der Universität Wien und ist Herausgeber des internationalen Wissenschaftsjournals Environmental Values. Als Vertreter der Ökologischen Ökonomie ist Spash mit der interdisziplinären Erforschung menschlichen Verhaltens, ökologischer Werte und der Transformation der globalen politischen Ökonomie zu einem sozial und ökologisch gerechteren Weltsystem befaßt. Auf der Internationalen Degrowth-Konferenz in Leipzig widmete er sich in seinem Vortrag, der an die Präsentation des Postwachstumsforschers Prof. Dr. Niko Paech anschloß, unter dem Titel "Eine sozialökologische Ökonomie der Zukunft: Wirklichkeit - Transformation - Utopie" vor allem den sozialen und politischen Hindernissen, die einer solchen Transformation im Wege stehen.

Im Vortrag - Foto: © 2014 by Schattenblick

Clive Spash
Foto: © 2014 by Schattenblick

So kritisierte er eingangs das Standardmodell der orthodoxen Makroökonomie als isoliertes System, das konzeptionell davon ausgehe, daß kein Austausch von Energie und Material zwischen der ökonomischen Sphäre und allem übrigen stattfinde. Tatsächlich habe man es jedoch mit offenen Systemen zu tun, die im stofflichen und energetischen Austausch mit der nichtökonomischen Sphäre stehen. Nur auf diese Weise könne man dem Problem der massiven Extraktion von Ressourcen und der Freisetzung der in ihnen enthaltenen Klimagase auf eine Weise gerecht werden, die alle daran beteiligten Faktoren menschlicher, gesellschaftlicher und natürlicher Art einbezieht und nicht auf geldförmige Tauschprozesse reduziert. Daß desto mehr verbraucht werde, je mehr produziert wird, könne auf der alleinigen Basis der Marktlogik nicht angemessen verstanden werden. Nur unter Berücksichtigung der Frage, wieviel Energie und Material durch das System der Produktion geschleust wird, des Problems der nicht verlustfreien Wiederverwendbarkeit von Ressourcen, der unzureichenden Lebensdauer der Konsumgüter und eines auch durch soziale Faktoren bedingten Verbrauchs, der über die Befriedigung essentieller Bedürfnisse weit hinausgeht, sei die Wirklichkeit des Wachstums in ihrer krisenhaften Entwicklung zu verstehen.

Einer der Vordenker der Ökologischen Ökonomie, der rumänische Gelehrte Nicholas Georgescu-Roegen [1], ist unter Verwendung der Thermodynamischen Gesetze zu der Erkenntnis gelangt, daß die Hauptquellen der heute genutzten Energie von niedriger Entropie sind. Maximale Entropie ist gegeben in einem Zustand minimaler Ordnung, das heißt der denkbar größten Angleichung von Temperaturunterschieden. Der Brennwert der fossilen Energieträger stellt quasi die in ihrem stofflichen Aggregat gebundene Sonneneinstrahlung dar, die im Prozeß ihrer Verbrennung freigesetzt wird. Niedrige Entropie, also eine durch große Unterschiede in der Temperatur oder ihrer stofflichen Aggregate gekennzeichnete Ordnung, die gleichbedeutend mit ihrer potentiellen Nutzbarkeit durch den Menschen ist, geht durch die Einebnung dieser Unterschiede infolge der Freisetzung der in dieser Ordnung gebundenen Energie in hohe Entropie über.

Als vor 200 Jahren damit begonnen wurde, von einer auf Holz und Biomasse beruhenden, erneuerbaren Energiewirtschaft auf Kohle, Erdöl und Erdgas als Energieträger umzusteigen, nahm der Prozeß Fahrt auf, in dem die niedrige Entropie der fossilen Energie unter Freisetzung von CO2 in hohe Entropie gewandelt wurde. Für Spash wird in unserer Gesellschaft Ordnung hergestellt, indem wir woanders Unordnung erzeugen. Die ärmsten Staaten leiden am meisten unter dem Klimawandel und haben am wenigen von der Kohlenstoff-Ökonomie profitiert, die diese zerstörerische Entwicklung wesentlich bedingt. Das durch die geringe Entropie der fossilen Energie ermöglichte hohe Niveau an industrieller Produktivität bildet die Basis des warenproduzierenden Systems des industrialisierten Nordens, das im globalen Süden von hoher Entropie betroffene Einöden der Zerstörung hinterläßt. Ist der in niedriger Entropie vorhandene energetische Nutzen einmal verbraucht, dann ist er als Ressource für den Menschen - im Unterschied zu erneuerbaren Energien - nicht mehr verfügbar. Der Brand der Kohle hinterläßt Asche, heizt das Klima auf und zerstört die atembare Luft, tritt also im Endeffekt als unumkehrbarer Verbrauch in Erscheinung.

Folie aus dem Vortrag von Dr. Clive Spash - Foto: 2014 by Schattenblick

Nichts geht verloren, aber alles verbrennt ...
Foto: 2014 by Schattenblick

Spash legt Wert auf die Feststellung, daß die ökologische Krise nicht nur im Klimawandel und in der drohenden Überhitzung der Ökosphäre manifest wird. Die Erosion fruchtbaren Bodens verschärft das Ernährungsproblem, die Abholzung der Wälder hinterläßt ebenfalls Ödland und verschlechtert die Qualität der Atemluft, die Versalzung des Wassers verringert das für den menschlichen Konsum wie für die Landwirtschaft unersetzliche Reservoir verfügbaren Trinkwassers, Insektizide und Pestizide zerstören die Natur und vergiften die Nahrung, Feinstäube in der Luft und bodennahe Ozonbildung fördern Atemwegserkrankungen, die Übersäuerung der Ozeane verringert deren Kapazität zur Aufnahme von CO2, Schwermetalle und Asbest vergiften Nahrung und Atemluft, die Abfälle der Atomwirtschaft stellen eine beständige Bedrohung aller Lebewesen dar, der Verlust an Biodiversität macht Ökosysteme insgesamt anfälliger für ihre Schädigung und Vernichtung durch Krankheiten oder Umweltfaktoren, die Kontamination des Trinkwassers durch Hormone und Antibiotika schädigt die Gesundheit von Mensch und Tier, und so weiter und so fort. Jedes einzelne der Probleme, die der Referent in seinem aus Zeitgründen hochkomprimierten Vortrag erwähnt, beschäftigt seit Jahren Heerscharen von Wissenschaftlern und Regierungsbeamten, ohne daß dies zu einschneidenden Veränderungen im Sinne beanspruchter Nachhaltigkeit und Suffizienz geführt hätte.

Bis 2050 soll in den hochentwickelten Industriestaaten eine 80prozentige Reduktion an CO2 und Äquivalenten in Form anderer Klimagase, bemessen am Niveau von 1990, erreicht werden, um noch die Chance zu haben, den Temperaturanstieg auf zwei Grad zu begrenzen. Clive Spash ist sich mit Niko Paech einig darin, daß die Frage, wie und zu welchem Zweck Güter hergestellt und verbraucht werden, für das Erreichen dieses Zieles von zentraler Bedeutung ist. Das Konzepts des grünen Wachstums oder der Green Economy, das sich auch in der deutschen Regierungspolitik wachsender Beliebtheit erfreut, ist für die beanspruchte CO2-Reduktion in den Augen beider Referenten nicht zielführend. Das Prinzip, die Effizienz der Ressourcenverwertung durch marktgerechte Preisbildung und Investitionslogik zu steigern, begrenzt die Wachstumsdynamik nicht, sondern lenkt sie bestenfalls in weniger zerstörerische Bahnen. Eine Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcennutzung findet nicht statt, wenn insgesamt mehr Ressourcen verbraucht und sogenannte Rebound-Effekte erzeugt werden, die eine Verringerung des CO2-Ausstoßes durch wiederum ausgeweiteten oder auf andere Felder verlagerten Konsum aufheben.

Folie aus dem Vortrag von Dr. Clive Spash - Foto: 2014 by Schattenblick

In den Startlöchern für grünes Wachstum
Foto: 2014 by Schattenblick

Spash spitzt die Kritik am unternehmerischen Entwicklungsweg des grünen Wachstums auf eine Inwertsetzung des Ökosystems zu, bei der natürliche Ressourcen in ökonomische Werte verwandelt werden, um die konventionelle, auf Kapitalakkumulation basierende Wachstumslogik fortzuschreiben. Im Fokus internationaler Agenturen der Krisenbewältigung wie der Vereinten Nationen ständen Fragen der Preisfestlegung und Börsennotierung, des Marketings und des Investments. Die existentielle Bewältigung der multidimensionalen ökologischen Probleme werde dem Ziel unterworfen, zerstörerische Katastrophen in unternehmerische Chancen zu verwandeln, was den zynischen Schluß zulasse, daß die Zunahme ökologischer Krisen auch den Wohlstand vergrößere. Man könnte an dieser Stelle auch das neoliberale Prinzip der kreativen Zerstörung erwähnen, laut dem sich die größten geschäftlichen Möglichkeiten ergeben, wenn erst einmal plattgemacht wird, was es dann zugunsten neuer Investitionen und Gewinne wieder aufzubauen gilt.

Die große Attraktivität des grünen Wachstums ergibt sich auch daraus, daß die Kommodifizierung bislang nicht gehandelter Güter und Dienstleistungen natürlicher Art neue Möglichkeiten zur Verwertung der immensen Geldmengen bietet, die die globale Finanz- und Schuldenkrise hervorgebracht hat. Obwohl CO2-Emissionen auf einem milliardenschweren Markt gehandelt werden, hat sich dies kaum in der Verringerung des Ausstoßes von Klimagasen niedergeschlagen. Mit der Kapitalisierung ökologischer Zerstörungspotentiale ist jedoch etwas gelungen, was an den alchemistischen Wunschtraum denken läßt, unedles Metall in Gold zu verwandeln. Das gilt auch für die Ansicht einiger Wirtschaftswissenschaftler, die die Endlichkeit natürlicher Ressourcen selbst ohne die technologische Möglichkeit ihrer Substitution für unproblematisch halten, da Naturkapital und Humankapital praktisch gegeneinander austauschbar wären.

Spash, der den Anspruch erhebt, ökonomische Prozesse stets in Sicht auf ihren Zusammenhang zu Mensch und Natur zu erforschen, läßt an dem Versprechen der Green Economy, die durch technologische Innovationen gesicherte Wettbewerbsfähigkeit schaffe Vollbeschäftigung und vergrößere den Wohlstand aller Menschen, kein gutes Haar. So sorge das Gros moderner Produktionsweisen dafür, daß die Lohnabhängigen ihre Arbeit unter der entmenschlichenden Bedingung totaler Kontrolle verrichten müssen, ganz zu schweigen von der Verdichtung der Arbeitsintensität und der Entfremdung durch den Warencharakter der Arbeit. Zudem ständen die Nationalstaaten in Konkurrenz miteinander, was zur Folge habe, daß der Gewinn Deutschlands in Griechenland oder Portugal als Verlust manifest werde oder daß das industrielle Wachstum Chinas entsprechende Einbußen in Südostasien erzeuge. Nicht unerwähnt bleibt auch die Tatsache, daß die führenden Wirtschaftsnationen inklusive der BRICS-Staaten die größten Militärhaushalte unterhalten, um ihre Position im Weltwirtschaftssystem abzusichern oder auch mit kriegerischen Mitteln durchzusetzen.

Für Spash würde eine wettbewerbsfähige Postwachstumsgesellschaft denn auch wenig vom erreichten Stand globaler Entwicklung abweichen. Sie ginge mit einer nach wie vor erheblichen Extraktion natürlicher Mineralien und fossiler Energieträger einher, deren Förderung Umweltschäden zeitige und Rohstoffkriege provoziere. Die Inwertsetzung natürlicher Landschaften und sensibler Ökoysteme werde ebenfalls zu einem Thema nationaler Sicherheit, was wie der anwachsende Unilateralismus in den internationalen Beziehungen nicht erst in Zukunft geschehe, sondern bereits Gegenwart sei.

Warum also ist die ökologische Bewegung, gemessen an ihren vor Jahrzehnten formulierten Zielen, weitgehend gescheitert? Spash stellt diese Frage in Sicht auf gesellschaftliche Machtverhältnisse, die es nicht zulassen, Probleme der politischen und ökonomischen Ausbeutung unbeeinträchtigt von den Akteuren zu diskutieren, die dafür wesentlich verantwortlich sind. Daß Staaten und Konzerne die Praktiken und Strukturen, die ihren Einfluß und Gewinn sichern, nicht kampflos preisgeben, versteht sich von selbst. Wie sie die Fähigkeit entwickeln, ihnen zuwiderlaufende Positionen zu schwächen, zu delegitimieren und gegen sich selbst zu wenden, hat der Referent in Hinsicht auf die Umweltbewegung genauer untersucht.

Folie aus dem Vortrag von Dr. Clive Spash - Foto: 2014 by Schattenblick

Teilen und Herrschen grün gewendet ...
Foto: 2014 by Schattenblick

So wurden die großen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) der Umweltschutzbewegung schon frühzeitig von den PR-Strategen der multinationalen Konzerne ins Visier genommen, um zu erkunden, mit welchen Fraktionen man zusammenarbeiten könne und welche sich einer solchen Vereinnahmung verweigerten. Die Aktivistinnen und Aktivisten der NGOs in Radikale, Opportunisten, Idealisten und Pragmatiker einzuteilen habe zum Ziel gehabt, die ökologische Bewegung zu spalten und zu schwächen. Die Radikalen isolieren, die Opportunisten einkaufen und die Idealisten mit Argumenten von der wohlmeinenden Absicht der wirtschaftlichen Akteure zu überzeugen, um sie zu Pragmatikern zu machen und zur Zusammenarbeit zu bewegen, sei das Grundmuster dieser Strategie der Kooptierung und Immunisierung.

So präsentierten sich die großen Akteure im Banken- und Finanzgeschäft als zivilgesellschaftliche Akteure, um die Ideen der Aktivistinnen und Aktivisten für neue Möglichkeiten der Wertschöpfung wie den Emissionshandel oder die geplanten Biodiversity Offsets, einen marktförmigen Kompensationsmechanismus für Verluste an Biodiversität, zu erschließen. Dies erfolge auch in Aussicht darauf, staatliche Subventionen zu mobilisieren und damit eine Art ökologisch getarnte Querfinanzierung wichtiger nationaler Wirtschaftszweige zu etablieren.

Die neuen Umweltpragmatiker, wie Spash die NGO-Aktivistinnen und -Aktivisten nennt, die sich radikalen Veränderungen widersetzen, um sich statt dessen im Kontext unternehmerischer Strategien zu professionalisieren, plädieren innerhalb der ökologischen Bewegung für die Notwendigkeit wachstumsfördernder Kapitalakkumulation, vertragsrechtliche Konvergenzprozesse und einen um Ökosystemdienstleistungen und Naturkapital entfalteten Kommodifizierungsprozeß. Sie stellen das Individuum als am leichtesten zu beherrschendes Subjekt in den Mittelpunkt eines marktliberalen Demokratieethos, reagieren vor allem defensiv auf die Herausforderungen der Privatisierung und Liberalisierung, lassen sich mit lokalen Projekten, Initiativen und Einpunktaktionen abspeisen und fallen damit für gesamtgesellschaftliche Veränderungsprozesse weitgehend aus.

Spash versteht das Konzept der Green Economy und des Nachhaltigen Wachstums als eine Art falscher Utopie, da im wesentlichen alles so bleibt, wie es ist. Den Menschen zu suggerieren, mit dem Kauf elektrischer Autos, erneuerbarer Energie und anderer Ökoprodukte alles gegen den Klimawandel und die Umweltzerstörung getan zu haben, was in ihrem Vermögen liegt, ändere weder etwas am dominanten Wachstumskurs noch an der Ausbeutung der Bevölkerungen des globalen Südens. Zu behaupten, es gebe für alles eine Lösung technologischer Art, liege auf der Linie der traditionellen Utopie, die auf Kapitalakkumulation basierendes Wachstum zur perspektivischen Antwort für die großen Menschheitsprobleme erhebe.

Dafür macht Spash auch den sogenannten Brundtland-Report verantwortlich, der das Ergebnis der von den Vereinten Nationen 1983 unter Leitung der norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland eingesetzten Kommission zu Umwelt und Entwicklung darstellt. In dem 1987 unter dem Titel "Our Common Future" veröffentlichten Bericht wird eine "neue Ära wirtschaftlichen Wachstums" ausgerufen, das "kraftvoll (...) und zugleich sozial und ökologisch nachhaltig" zu sein habe. Das damit in die Welt gesetzte Paradigma eines nachhaltigen Wachstums harmonisiert gesellschaftliche Widersprüche in Sicht auf das Versprechen, letztlich allen Menschen ein Leben ohne Armut und Hunger zu ermöglichen, und schwächt damit die Handlungsmacht derjenigen, die am meisten Grund dazu hätten, die Befriedigung ihrer Bedürfnisse streitbar einzufordern.

Folie aus dem Vortrag von Dr. Clive Spash - Foto: 2014 by Schattenblick

Wie die Zukunft der grünen Wettbewerbsgesellschaft aussehen könnte ...
Foto: 2014 by Schattenblick

Da sich dieses Versprechen 27 Jahre später alles andere als erfüllt hat, wirbt Spash für das alternative Konzept des Degrowth, das die biophysische und soziale Wirklichkeit mit wissenschaftlichen Mitteln untersuchen müsse, um sie grundlegend verändern zu können. Wesentlich dafür sei, gesellschaftliche Machtfragen nicht zu ignorieren, sondern den herrschenden Interessen einen umfassenden Ansatz der Reduktion klimaschädlicher Energien und Produkte auf der Angebots- wie Nachfrageseite entgegenzustellen. Wenn der Einsatz fossiler Energie und ökologisch prekärer Mineralien verringert wird, habe das auch Auswirkungen auf das Verhältnis von Kapital und Arbeit. So komme man mit der Abschaffung der auf hohen Verbrauch dieser Produktionsmittel angewiesenen Maschinen und Roboter nicht umhin, zu arbeitsintensiverer Produktion zurückkehren. Auch sei der massive Energieverbrauch großer Städte nicht aufrechtzuerhalten. Man müsse statt dessen darüber nachdenken, wie groß das Maximum des individuell zu beanspruchenden Wohnraums sei und wie ökologisch suffiziente Gemeinden technologisch auszustatten seien. Energieeinsparung und Umstrukturierung seien auch im Bereich der Mobilität wie der Telekommunikation notwendig.

Vor allem aber gelte es, im Rahmen der wissenschaftlichen Untersuchung einer künftigen Postwachstumsgesellschaft die Frage nach der Zukunft des Lebens und Arbeitens der Menschen aufzuwerfen. Spash schlägt vor, überschaubare und handlungsfähige Gemeinschaften zu schaffen, anstatt in Ansammlungen von Millionen Menschen unterzugehen. Um den Wettbewerb zwischen hochindividualisierten und damit maximal verfügbar gemachten Menschen zu beenden, seien kooperative Strukturen zu entwickeln, in denen die Sorge um und der Respekt für den anderen Menschen wie alle Lebewesen an vorderster Stelle ständen. Da dieses Ziel mit den Geschäftsinteressen multinationaler Konzerne unvereinbar sei, gelte es, alle wesentlichen Dienstleistungen der Daseinsfür- und -vorsorge zu vergemeinschaften und das öffentliche Eigentum zurück in die Hände der Menschen zu legen, die damit ihr Leben gestalten.

Die Wirtschaft sei zu wichtig, um sie Ökonomen zu überlassen, die die biophysische Realität ignorieren, so Spash an die Adresse seiner Berufskollegen. Um derart anspruchsvolle gesellschaftliche Veränderungen zu erreichen, müsse vor allem Einigkeit unter den Kritikern der Konzern- und Kapitalmacht hergestellt und ihre Verankerung in institutionellen und gesellschaftlichen Strukturen hinterfragt werden. Gerade weil gesellschaftliche Verhältnisse sich jeder Veränderung widersetzten, habe die Degrowth-Bewegung die Aufgabe, sie einer umfassenden wie detaillierten Kritik zu unterziehen und daraus die Entwürfe ihrer Überwindung zu entwickeln.

(wird fortgesetzt)


Fußnoten:


[1] http://www.neues-deutschland.de/artikel/950254.der-entropie-oekonom.html?action=print


Bisherige Beiträge zur Degrowth-Konferenz in Leipzig im Schattenblick unter
www.schattenblick.de → INFOPOOL → BÜRGER/GESELLSCHAFT → REPORT:

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29. Oktober 2014


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