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BERICHT/069: Das Anti-TTIP-Bündnis - Lackmustest Verschärfung ... (SB)


Vom Bürgerprotest zum zivilen Ungehorsam?

TTIP Strategie- und Aktionskonferenz in Kassel


In den zurückliegenden drei Jahren hat die Anti-TTIP-Bewegung bemerkenswerte Erfolge auf dem Feld der Information und des öffentlich zum Ausdruck gebrachten Protests erzielt. So ist es insbesondere gelungen, das Mißtrauen zahlreicher Menschen zu wecken und damit den klandestinen Charakter des monströsen Vorhabens in wachsendem Maße gegen sich selbst zu kehren. Die Komplexität seiner Konstruktion und die Verschleierung seiner Konsequenzen können es nicht länger vor einer zunehmenden öffentlichen Wahrnehmung und um sich greifenden Kritik verbergen. Das Dilemma der Befürworter, mit den Zielen und Folgen von TTIP, CETA und TiSA hinter dem Berg halten zu müssen, um nicht einen Sturm der Entrüstung in der Bevölkerung loszutreten, doch mit dieser Geheimhaltung und Leugnung um so empörteren Widerstand wachzurufen, bietet der breit aufgestellten Bewegung gegen diese Handelspolitik Ansatzpunkte, den Keil tiefer in die Risse ihrer Widersprüchlichkeit zu treiben. Und da sie damit einem Frontalangriff die Stirn bietet, der weite Sektoren der Gesellschaft in Mitleidenschaft zu ziehen droht, fehlt es nicht an Argumenten, die Betroffenheit der Mehrheitsbevölkerung anzusprechen und für die Mobilisierung zu nutzen.

Charakteristisch für die bislang mit ermutigenden Resultaten bewältigte Etappe des Widerstands waren vielfältige Werkzeuge der Aufklärung, um immer mehr Menschen zu erreichen und einzubeziehen, wie auch Aktionsformen, welche die Ablehnung von TTIP massenhaft zum Ausdruck brachten. Auf diese Weise wuchs die Bewegung, vervielfachte damit ihre Entfaltungsmöglichkeiten und setzte deutliche Zeichen ihrer Präsenz und Bereitschaft, sich der Durchsetzung dieses Projekts der EU-Kommission und der Bundesregierung in den Weg zu stellen. Sie bediente sich diverser Verfahrensweisen der Meinungsbildung, Meinungsäußerung und Einflußnahme, wie sie im Rahmen der parlamentarischen Demokratie zumindest formal vorgesehen und rechtlich legitimiert sind.

Man kann davon ausgehen, daß die Betreiber des transatlantischen Großprojekts die ihren Interessen widerstrebende Bewegung registrieren, analysieren und zu neutralisieren versuchen. So steht insbesondere zu befürchten, daß die entscheidenden Weichenstellungen dem Votum der Wählerschaft, der parlamentarischen Einflußnahme in den Mitgliedsländern und der parteipolitischen Repräsentanz auf EU-Ebene entzogen und in übergeordnete administrative Gremien verlagert werden. Wenngleich man daher unter Berücksichtigung aller denkbaren Szenarien in Betracht ziehen kann, daß TTIP & Co. im Falle einer erforderlichen Ratifizierung in sämtlichen EU-Staaten auf tönernen Füßen stünden, ist keineswegs sicher, daß es überhaupt dazu kommen wird.

Für die Anti-TTIP-Bewegung stellt sich daher nicht zuletzt die strategische Frage künftiger Aktionsformen, die ergänzend zu den weiterhin zu verfolgenden und auszubauenden juristischen, parlamentarischen, publizistischen und in der Öffentlichkeit wirksamen Ansätzen und Kampagnen für notwendig erachtet werden könnten. Wie die Erfahrung früherer und aktueller Bewegungen gegen Atomkraft, Kohleverstromung, infrastrukturelle Großprojekte, neoliberale Stadtentwicklung und zahlreiche weitere zu verhindernde Entwicklungen oder für zu erhaltende Lebenszusammenhänge lehrt, nähern sich die Auseinandersetzungen zwangsläufig einer Grenze oder Grauzone, an der sich die zuvor im Widerstand vereinten Geister zu scheiden drohen.

Die Rede ist hier von Aktionsformen im Übergang vom Bürgerprotest zum zivilen Ungehorsam, der sich auch dann nicht abschrecken und befrieden läßt, wo er es um seines Anliegens willen für geboten hält, die Schranken des ihm gewährten Bewegungsraums zu überschreiten. Wenngleich die letztendliche Entscheidung über die Vorgehensweise aus der konkreten Auseinandersetzung heraus von den darin engagierten Menschen getroffen wird, wäre doch die Devise, die eigene Handlungsweise spontan von den angetroffenen Umständen abhängig zu machen, ein schlechter Ratgeber. So hat es sich stets als hilfreich erwiesen, die zu erwartenden oder befürchtenden restriktiven Maßnahmen der Gegenseite präventiv in den Blick zu nehmen und das eigene Vorgehen frühzeitig auszuloten und abzustimmen.

Das wiederum hat zur Voraussetzung, daß die Widersprüche und Bruchlinien innerhalb der Bewegung nicht um deren Breite willen ausgeklammert, sondern auf solidarische Weise so weit ausdiskutiert werden, daß die proklamierte Einheit unter Wahrung der Verschiedenheit nicht zu einer Leerformel gerinnt, die unter dem Druck zugespitzter Auseinandersetzungen platzt. Daß es sich bei einem solchen produktiv zu nennenden Streit um einen Grenzgang handelt, der in einem fortlaufenden Prozeß unter beträchtlicher Mühe immer wieder ausgesteuert werden muß, steht außer Frage. Zu den größten Herausforderungen jeder emanzipatorischen Bewegung zählen bekanntlich von außen an sie herangetragene Spaltungsversuche, die an innere Widerspruchslagen anzudocken versuchen. Um solche Angriffe ins Leere laufen zu lassen, dürfte es hilfreich sein, die Kontroversen längst in einem Maße ausgetragen zu haben, daß die Einheit unterschiedlicher Aktionsformen tragfähig geworden ist.


Auf dem Podium vor TTIP-Schild - Foto: © 2016 by Schattenblick

Nelly Grotefendt und Clara Buer eröffnen die Konferenz
Foto: © 2016 by Schattenblick

Auch für die Anti-TTIP-Bewegung gilt, daß jeder Mensch da angetroffen und abgeholt werden kann, wo ihn der Schuh drückt, ohne daß man eine Deckungsgleichheit der grundsätzlichen Interessenlage zur Voraussetzung macht. Gleichermaßen gilt es aber auch zu klären, wohin man zusammen mit ihm gehen möchte. Dieser Widerspruch bleibt als potentieller Spaltpilz virulent, solange er verdrängt, verschoben oder vernachlässigt wird. Die Vorstellung, man könne TTIP & Co. zunächst mit vereinten Kräften verhindern und alle darüber hinausweisenden Fragen im Anschluß klären, mag auf den ersten Blick plausibel und womöglich sogar praktikabel anmuten. Je intensiver man jedoch die Handelspolitik unter die Lupe nimmt, um so deutlicher wird ihre zentrale Bedeutung im Kontext deutscher und europäischer Hegemonieansprüche und ihre Verflechtung mit der gesamtgesellschaftlichen Architektur. Es geht folglich nicht um ein bloßes Scharmützel, sondern das Zentrum einer Auseinandersetzung, deren absehbare Verschärfung gewissermaßen zum Lackmustest der Bewegung wird.


Auftaktpodium und Konferenzteilnehmer - Foto: © 2016 by Schattenblick

Großer Hörsaal für eine ehrgeizige Bewegung
Foto: © 2016 by Schattenblick


"Was hat uns stark gemacht?"

Die erste von insgesamt drei Podiumsdiskussionen der TTIP Strategie- und Aktionskonferenz stand unter dem Motto: "3 Jahre Bewegung gegen TTIP & CETA: Was hat uns stark gemacht, was haben wir erreicht, und warum haben wir es erreicht?" Zu Wort kamen verschiedene Schlüsselfiguren der Bewegung, die die weite Fächerung der Themen und Perspektiven wie auch kritische Momente der letzten drei Jahre näher beleuchten wollten. Unter Moderation von Jutta Sundermann (Bewegungsarbeiterin bei Aktion Agrar und attac-Mitbegründerin) diskutierten Georg Janßen (Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft), Margot Rieger (STOPP TTIP Berchtesgadener Land/Traunstein), John Hilary (War on Want), Ernst-Christoph Stolper (BUND), Petra Pinzler (Journalistin und Buchautorin), Stefan Körzell (Bundesvorstand DGB) und Martina Römmelt-Fella (KMU gegen TTIP).


Auf dem Podium - Foto: © 2016 by Schattenblick

Ernst-Christoph Stolper
Foto: © 2016 by Schattenblick

Gehören dem Bündnis TTIP unfairhandelbar [1] inzwischen rund hundert Initiativen und Organisationen an, so verdeutlichte auch die Besetzung des Podiums, mit welcher Breite die Bewegung aufwarten kann. Daß Vertreterinnen und Vertreter der Bauern und Gewerkschaften, Umweltverbände und Organisationen sozialer Kämpfe, mittelständischer Unternehmen, lokaler Initiativen und Medien bei der Strategie- und Aktionskonferenz an einem Tisch saßen, um gemeinsam eine Zwischenbilanz zu ziehen und die weiteren Schritte zu erörtern, mutet beeindruckend an. Wie alle Beteiligten unterstrichen, sei diese Breite und Einheit das herausragende Merkmal der Bewegung und habe deren spektakulären Erfolge erst möglich gemacht.


Auf dem Podium - Foto: © 2016 by Schattenblick

Margot Rieger
Foto: © 2016 by Schattenblick

Die Vielfalt der Zugänge und Schwerpunktsetzungen kam in den Berichten zum Ausdruck, mit denen die Referentinnen und Referenten Akzente aus ihren jeweiligen Arbeitsfeldern setzten. So ging Ernst-Christoph Stolper insbesondere auf die Rolle der großen Verbände in dem von Bundeswirtschaftsminister Gabriel eingerichteten Beirat ein, die fünf zentrale Kritikpunkte formulierten. Der Wucht des Angriffs stehe ein gemeinsames Handeln unterschiedlicher Bereiche der Zivilgesellschaft entgegen. Margot Rieger berichtete von ihrem erfolgreichen Engagement auf Ebene der Gemeinden und Kreisräte in Südbayern, das selbst örtliche CSU-Vertreter und Kirchenleute ins Boot geholt habe. Georg Janßen stellte die Bewegung in den Kontext der tiefen Krise auf den Höfen, der zahlreiche bäuerliche Betriebe zum Opfer fallen. Stefan Körzell nannte gewerkschaftliche Anforderungen an TTIP und berichtete von heftigen Diskussionen in der SPD. Martina Römmelt-Fella schilderte die wachsenden Bedenken hinsichtlich der Handelspolitik in Kreisen kleiner und mittelständischer Unternehmen, und John Hilary hob die gelungene Einbindung der britischen Gewerkschaften und den erfolgreichen Druck auf die Labour-Abgeordneten im EU-Parlament hervor. Petra Pinzler legte der Bewegung ans Herz, ihre Erfolge gebührend zu feiern, mahnte aber zugleich eine Kritik der Handelspolitik als solcher an.


Auf dem Podium - Foto: © 2016 by Schattenblick

Unternehmensvertreterin Martina Römmelt-Fella und Gewerkschafter Stefan Körzell
Foto: © 2016 by Schattenblick


Gewerkschaftlicher Spagat in der Handelspolitik

So einig sich alle Beteiligten in der Zielsetzung waren, TTIP, CETA und TiSA zu verhindern, zeichneten sich doch hinsichtlich einer grundsätzlichen Kritik der Handelspolitik Divergenzen ab. Im Sinne des auf dem Podium mehrfach gebrauchten Bildes vom Wasser im Wein des Erfolgs sind die im folgenden thematisierten potentiellen Bruchlinien der Bewegung als Ansatz zu verstehen, zur Diskussion um die aufgeworfenen Fragen anzuregen. Für Stefan Körzell steht außer Frage, daß ein Land wie die Bundesrepublik auf Handel angewiesen sei, wogegen die Gewerkschaften prinzipiell keine Einwände hätten. Der DGB trete jedoch für einen fairen Welthandel ein, der nachhaltig, umweltschonend und sozial gerecht gestaltet werden müsse. Dieser gewerkschaftliche Spagat, auf deutsche Exportstärke zu setzen und ihr zugleich einen Kodex anzuempfehlen, dem ihr Charakter fundamental widerspricht, bedarf zweifellos der weiteren kritischen Auseinandersetzung um grundsätzliche Analysen und Positionen.

Die Bundesrepublik als führende Wirtschaftsmacht Europas nutzt ihr insbesondere durch gesenkte Kosten der Arbeitskraft erreichtes höheres Produktivitätsniveau, um schwächere Volkswirtschaften in der EU wie beispielsweise Griechenland und um so mehr in den Ländern des globalen Südens niederzukonkurrieren. Dies ist mit der Vernichtung der dortigen Produktions- und Erwerbsmöglichkeiten verbunden, fördert massenhafte Verarmung und vergrößert den Vorsprung der führenden Industrienationen. All das ist weithin und natürlich auch deutschen Gewerkschaftern, NGOs und der Regierungspolitik bekannt. Man darf wohl unterstellen, daß die Formel des "nachhaltigen, umweltschonenden und sozial gerechten Welthandels" inzwischen gerade deswegen konsensfähig geworden ist, weil sie die grundsätzliche Widerspruchslage zwischen handeltreibenden Staaten unterschiedlicher ökonomischer Stärke um so wirksamer verschleiern kann.


Auf dem Podium - Foto: © 2016 by Schattenblick

Petra Pinzler
Foto: © 2016 by Schattenblick


Verklärter Blick auf das europäische Projekt

Als Petra Pinzler davor warnte, den Euroskeptizismus zu befördern, da man doch ein anderes Europa wolle, oder Ernst-Christoph Stolper erklärte, man brauche Europa, um TTIP zu bekämpfen, weshalb dieses Europa nicht zerbröseln dürfe, wurden diese Aussagen mit Beifall bedacht. Wenngleich man die auf der Konferenz mehrfach formulierte Absage an den Antiamerikanismus, der ins nationalkonservative Fahrwasser abdriftet, nur unterstreichen kann, sollte das doch nicht dazu führen, die europäische Einigung vom Grundsatz her gutzuheißen und die Europäische Union für reformierbar zu erklären. Die EU war schon in ihren Vorläufern und erst recht im Zuge ihrer Durchsetzung nie etwas anderes als ein Projekt der führenden Nationalstaaten und ihrer Kapitalfraktionen, einen freien Verkehr von Gütern, Kapital, Dienstleistungen und Arbeitskräften zu ermöglichen, dabei jedoch soziale Standards auszublenden. Wiederum stand die ungehinderte Nutzung der unterschiedlichen Produktivitätsniveaus im Dienst expandierender Kapitalverwertung und Zugriffsentwicklung seitens der Konstrukteure des Einigungsprozesses zu Lasten der schwächeren Mitgliedsländer im Inneren und der EU insgesamt gegenüber anderen Ländern und Handelsblöcken.

Diesen Zusammenhang nicht zu berücksichtigen, hieße hinter die Konsequenzen aus dem an derselben Fehleinschätzung gescheiterten Vorhaben der Syriza-Regierung zurückzufallen, die die griechische Bevölkerung um so tiefer in die Abhängigkeit von den Institutionen der EU und damit in die Verelendung geführt hat. Will man die bilateralen Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TiSA verhindern, greift eine Kritik zu kurz, die die wesensverwandte Handelspolitik der EU nicht vom Grundsatz her einbezieht.


Auf dem Podium - Foto: © 2016 by Schattenblick

John Hilary und Jutta Sundermann
Foto: © 2016 by Schattenblick


Plädoyer für eine breitere politische Diskussion

Wie schon Prof. Dr. Christoph Scherrer, der an der Universität Kassel das Fachgebiet Globalisierung und Politik leitet, in seinem Grußwort zum Auftakt der Konferenz unterstrichen hatte, dienten die neuen Handels- und Investitionsabkommen dem Zweck, den Vorsprung der fortgeschrittenen Ökonomien dauerhaft abzusichern. Es gelte zugleich, das tiefe Eindringen des Neoliberalismus in die Gesellschaft zu stoppen. John Hilary rief in der Diskussion dazu auf, die politische Dimension des Freihandels zu thematisieren und aufzuzeigen, daß es zugleich um die Sparpolitik der EU und der nationalen Regierungen wie auch die Flüchtlingsproblematik gehe. Die häßliche Debatte um das Referendum zur EU-Mitgliedschaft in seinem Land kreise um die Frage, wie man die Märkte öffnen und die Grenzen schließen könne. Ausgehend von der Kritik an TTIP gelte es, eine breitere politische Diskussion zu eröffnen.


Auf dem Podium - Foto: © 2016 by Schattenblick

Margot Rieger und John Hilary
Foto: © 2016 by Schattenblick

Wenngleich man der TTIP-Konferenz gewiß nicht zum Vorwurf machen kann, daß sie es angesichts ihrer anspruchsvollen Thematik tunlichst vermied, sich weiteren gesellschaftlich virulenten Fragen etwa nach Wachstumskritik oder Medienmacht in der gebotenen Ausführlichkeit zu stellen, zeichnete sich doch ein Wunsch und Bedarf ab, das Netz zu führender Diskussionen Zug um Zug weiter auszuwerfen. Wie jede junge Bewegung geht sie mit Frische ihren eigenständigen Weg und hat in Konzentration auf ihr einmütig ausgewiesenes Ziel ein hierzulande seit Jahren nicht mehr erreichtes Mobilisierungspotential entwickelt. Zugleich sollte sie in Anbetracht ihrer gestandenen Altersstruktur und versammelten Expertise durchaus zu einem beiderseitigen Austausch und Übertrag mit anderen emanzipatorischen Bewegungen in der Lage sein.


Auf dem Podium - Foto: © 2016 by Schattenblick

Georg Janßen
Foto: © 2016 by Schattenblick


Ausblick auf kommende Auseinandersetzungen

Mit Blick auf die weitere Vorgehensweise mahnte Georg Janßen Ungeduld in Reaktion auf aktuelle Erfordernisse und zugleich einen langen Atem an, da man auf vielen Ebenen arbeiten und die Menschen mitnehmen müsse. Dem schloß sich Stefan Körzell mit der Warnung an, daß man angesichts der verschiedenen Verhandlungsrunden und Schrittfolgen bei TTIP und CETA das Pulver nicht zu früh verschießen dürfe. Es gelte zu überdenken, ob man den Mobilisierungserfolg des 10. Oktober 2015 nicht selbst entkräfte, wenn man im Herbst an fünf oder sechs verschiedenen Orten jeweils nur wenige tausend Leute auf die Straße bekomme. Auf eine skeptische Nachfrage aus dem Publikum, ob die deutschen Gewerkschaften Probleme mit einer Mobilisierung im Ausland hätten, versicherte er, daß man natürlich auch in Brüssel demonstriere. Wichtig sei nur, nicht allein hinzufahren, sondern die Bewegung zu europäisieren. Margot Rieger regte an, die kleineren Initiativen künftig noch stärker einzubeziehen und sich nicht zuviel zuzumuten, da jede Aktion und Demonstration vor Ort organisiert werden müsse. Ernst-Christoph Stolper plädierte zudem für eine Diskussion über eine alternative Wirtschaftspolitik.

Wie Georg Janßen warnte, dürfe sich die Bewegung nicht auseinanderdividieren lassen. Deshalb lehne er eine Ausgliederung von speziellen Themenbereichen aus den Freihandelsabkommen ab, die es insgesamt zu verhindern gelte. Dazu müsse man Druck auf die Straße bringen und unbedingt dorthin gehen, wo die Entscheidungen fallen. Er habe im letzten Herbst mit Tausenden Bauern und tausend Treckern in Brüssel gegen die katastrophale Milchpolitik der EU-Kommission demonstriert:

"Da wurden halt Reifen und Stroh angesteckt - die Umweltschützer müssen jetzt mal weghören - die Polizei fuhr mit Wasserwerfern auf, zwei Bauern kletterten hoch auf ihren Schlepper und hielten ein Schild 'STOPP TTIP - STOPP CETA' hoch."

Abschließend ermutigte Janßen die Anwesenden unter Verweis auf die Tradition bäuerlichen Widerstands:

"Ihr kennt das Symbol der Bäuerlichen Notgemeinschaft aus dem Wendland, diesen arroganten Storch, der den Frosch fressen will. Doch der Frosch legt langsam Hand an den Storch und sagt: 'Niemals aufgeben!' Das ist mein Wunsch an diese Konferenz."


Transparent 'Fairer Handel für die bäuerliche Landwirtschaft statt Freihandel für Konzern-Profite' - Foto: © 2016 by Schattenblick

Foto: © 2016 by Schattenblick


Fußnote:


[1] http://www.ttip-unfairhandelbar.de/


TTIP Strategie- und Aktionskonferenz in Kassel im Schattenblick
www.schattenblick.de → INFOPOOL → BUERGER → REPORT:

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12. März 2016


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