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BERICHT/077: Das Anti-TTIP-Bündnis - Abwicklungsdruck ... (SB)


Sand ins Getriebe der CETA-Ratifizierung!

TTIP Strategie- und Aktionskonferenz in Kassel


Das geplante europäisch-kanadische Freihandelsabkommen CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) gilt nicht zuletzt als Blaupause und möglicher Türöffner für das US-amerikanisch-europäische Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP), dem es inhaltlich in wesentlichen Zügen gleicht. Gibt CETA schon für sich genommen allen Anlaß, es im Interesse der Bevölkerungsmehrheit beiderseits des Atlantiks zu Fall zu bringen, so gilt das um so mehr angesichts seiner aktuellen Schlüsselfunktion im Kontext der gesamten Freihandelspolitik. Daß Kanada lediglich 35 Millionen Einwohner hat und als Markt für europäische Exporte von eher nachrangiger Bedeutung ist [1], darf nicht zu der Fehleinschätzung verleiten, beim Kampf gegen CETA handle es sich lediglich um ein Scharmützel vor der eigentlichen Schlacht um TTIP. Da der Widerstand in vielen europäischen Ländern wächst und sich zunehmend Gehör verschafft, werden die maßgeblichen Protagonisten des Freihandelsabkommens alles daransetzen, eine Ratifizierung durch die nationalen Parlamente der Mitgliedsstaaten vor Inkrafttreten aus dem Feld zu schlagen. Die parlamentarische Zustimmung in allen EU-Mitgliedsstaaten wäre nicht nur zeitaufwendig, sondern böte insbesondere Gelegenheit, das gesamte Vorhaben an irgendeiner Stelle dieser Kette auszuhebeln. CETA gilt daher nicht allein in inhaltlicher Hinsicht, sondern auch mit Blick auf das Verfahren seiner Durchsetzung als ein Muster, dessen Verhinderung von größter Tragweite für künftige Auseinandersetzungen ist.

Um Parlamenten und Öffentlichkeit die Wahrnehmung der brisanten Inhalte vorzuenthalten, verhandelte die EU-Kommission seit 2009 mit Kanada unter strenger Geheimhaltung über CETA. Hingegen gewährte man Lobbyisten der Wirtschaft erheblichen Einfluß auf den Vertragstext, der erst 2014 nach Verhandlungsabschluß veröffentlicht wurde. Da infolge des Abkommens ein massiver Abbau demokratischer Standards, öffentlicher Daseinsvorsorge und des Umweltschutzes droht, lief die Strategie der Protagonisten stets darauf hinaus, vollendete Tatsachen zu schaffen. Bezeichnenderweise waren es durchweg geleakte Informationen, die Einzelheiten über bestimmte Aspekte des Projekts vorab zugänglich machten. Soweit schließlich der Text auch offiziell publiziert wurde, geschah dies offensichtlich nicht im Selbstverständnis erwünschter demokratischer Partizipation, sondern war vielmehr dem Versuch geschuldet, wachsendes Mißtrauen und zunehmende Empörung in der Öffentlichkeit zu befrieden. Insofern könnte man den Versuch, CETA ohne öffentliche Mitsprache und parlamentarische Kontrolle durchzusetzen, durchaus als einen Vorgriff auf wesentliche Ziele dieses Abkommens ausweisen.

Da die zu befürchtenden negativen Folgen des Freihandelsabkommens für die meisten Sphären der Gesellschaft Legion sind, seien hier nur die gravierendsten genannt. So ist CETA der erste Handelsvertrag der EU, der private Schiedsgerichte vorsieht. Demnach können Unternehmen die Vertragsstaaten vor Tribunalen verklagen, wenn sie ihre künftigen Profiterwartungen durch Gesetzgebungen eingeschränkt sehen. Dadurch kommen Klagen in Milliardenhöhe auf die Staaten zu, deren Spielraum für eine Gesetzgebung zugunsten des Gemeinwohls zudem erheblich eingeschränkt wird. Und da zahlreiche große US-Firmen in Kanada Niederlassungen unterhalten, könnten sie über CETA die EU-Staaten selbst dann verklagen, sollte das TTIP-Abkommen scheitern.

Zudem würde CETA völkerrechtlich bindend sein und sich kaum mehr zurücknehmen lassen. Für den unwahrscheinlichen Fall einer Auflösung des Abkommens sieht eine Klausel sogar vor, daß die Klagerechte für Investoren noch weitere 20 Jahre erhalten bleiben. Darüber hinaus ist CETA als ein "lebendes Abkommen" konzipiert, das nicht zurückgenommen, wohl aber restriktiv weiterentwickelt werden kann. Demnach soll ein nicht gewählter Regulierungsrat Gesetzesvorhaben daraufhin prüfen, ob sie Handelsinteressen beeinträchtigen könnten. Auf diesem Wege könnten dann unerwünschte Gesetzesentwürfe, noch bevor Parlamente und Öffentlichkeit davon erfahren, aus dem Verkehr gezogen werden. Selbst eine nachträgliche Veränderung oder Erweiterung des Vertrages ohne demokratische Kontrolle wäre möglich.

Anders als die meisten bisherigen Handelsverträge listet CETA nicht die zu liberalisierenden Bereiche auf, sondern in einer Negativliste nur die Ausnahmen. Folglich können alle Bereiche der Privatisierung und Deregulierung unterworfen werden, die nicht explizit davon ausgenommen sind. Damit trifft man Vereinbarungen, deren Tragweite zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch gar nicht abzuschätzen sind, zumal deregulierte Komplexe später nicht wieder zurückgenommen werden dürfen. CETA sieht keine grundsätzliche Ausnahme von öffentlichen Dienstleistungen von der Liberalisierung vor und stellt zudem ökologische und soziale Vergabekriterien in der öffentlichen Beschaffung in Frage, wodurch ein zentrales Element der kommunalen Selbstverwaltung beschnitten wird.

Durch CETA sind auch die Sozial- und Arbeitsstandards von Aushöhlung bedroht, die öffentliche Förderung von Kultureinrichtungen ist gefährdet, bestehende Umweltstandards werden untergraben. So wurde das Importverbot der EU für das extrem klimaschädliche Rohöl aus kanadischen Teersanden bereits im Laufe der Verhandlungen aufgeweicht, und künftig könnten Unternehmen auch gegen ein mögliches Fracking-Verbot klagen. Grundsätzlich ersetzt CETA das in der EU geltende Vorsorgeprinzip durch das angeblich wissenschaftsbasierte Prinzip, potentiell gefährliche Produkte und Technologien erst dann aus dem Verkehr zu ziehen, wenn ihre Schädlichkeit zweifelsfrei nachgewiesen ist. Auf diese Weise käme beispielsweise Gentechnik durch die Hintertür in die EU. [2]


Transparent von attac '2016 CETA-Monster bekämpfen' - Foto: © 2016 by Schattenblick

Foto: © 2016 by Schattenblick


Schiedsgericht bleibt Schiedsgericht

Tausende bestehende Investitionsabkommen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern beinhalten einen Streitschlichtungsmechanismus, der es ausländischen Investoren ermöglicht, Regierungen vor privaten, nicht-öffentlichen Schiedsgerichten (ISDS) auf Schadensersatz zu verklagen. Als USA und EU-Kommission diesen Mechanismus zu Beginn der Verhandlungen 2013 auch in TTIP etablieren wollten, löste das massive Proteste in Deutschland und anderen EU-Ländern aus. Daraufhin sah sich die EU-Kommission gezwungen, einen überarbeiteten Vorschlag einzubringen, der parallel dazu seinen Niederschlag in CETA fand. Dort sieht das neu formulierte Kapitel jetzt vor, einen Investitionsgerichtshof (IDS) einzurichten, der in Streitfällen zwischen Investoren und Staaten entscheidet. Der Gerichtshof soll mit einer vorab bestimmten Gruppe von Personen besetzt sein, die international akkreditiert und zum öffentlichen Richteramt zugelassen sind. Ihre Auswahl soll nach dem Zufallsprinzip erfolgen und nicht wie bisher durch die Streitparteien. Die Verfahren sollen öffentlich sein und es ist geplant, eine Revisionsinstanz zu etablieren.

Kritiker sehen in dieser Modifikation zu Recht eine lediglich kosmetische Kaschierung, zumal die eigentlichen Schutzstandards, auf die sich Investoren im Streitfall berufen können, unverändert bestehen bleiben. Der Anspruch auf "faire und billige Behandlung" und Schutz vor indirekter Enteignung ist nicht näher definiert, eröffnet aber gerade deshalb internationalen Unternehmen die Möglichkeit, Klage gegen Staaten zu erheben. Die unbestimmten Rechtsbegriffe tragen maßgeblich dazu bei, daß internationale Schiedsgerichte einflußreichen Wirtschaftsinteressen zur Durchsetzung verhelfen.

Wenngleich CETA den Bereich Kultur im Unterschied zu TTIP weitgehend ausspart, warnt der Deutsche Kulturrat angesichts drohender Investorenklagen vor Gefahren auch in diesem Bereich. Was den Schutz geistigen Eigentums betrifft, hatte ein Leak im Dezember 2009 Überschneidungen zwischen CETA und ACTA offengelegt. In Reaktion auf heftige Kritik erklärte die EU-Kommission im Oktober 2013, daß die Ablehnung des ACTA-Abkommens durch das EU-Parlament im Juli 2012 berücksichtigt werde. So seien insbesondere das Three-Strikes-Prinzip und ein Auskunftsanspruch auf Ermittlung von IP-Adressen von Rechtsverletzern von den CETA-Verhandlungen ausgenommen worden. Nach einem Gutachten im Auftrag der Grünen enthält die ausverhandelte Version des Abkommens tatsächlich keine Regelungen mehr, die spezifisch ACTA entnommen sind.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß von einer substantiellen Entschärfung CETAs ebensowenig die Rede sein kann wie von maßgeblichen Unterschieden zu TTIP in dessen bislang bekannter Form. Das Abkommen zwischen der EU und Kanada ist mithin auch in dieser Hinsicht ein absolut ernstzunehmender Angriff auf die Lebens- und Arbeitsverhältnisse in den betroffenen Ländern.


Werden die nationalen Parlamente kaltgestellt?

Am 26. September 2014 unterzeichneten der kanadische Premierminister Stephen Harper, der damalige EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und der EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy während eines EU-Kanada-Gipfels in Ottawa eine Erklärung zum Abschluß der fünfjährigen Verhandlungen über das Freihandelsabkommen. Nachdem die EU-Kommission und Kanada die Rechtsförmigkeitsprüfung abgeschlossen und die genannten Punkte nachgebessert hatten, veröffentlichte die Kommission am 29. Februar 2016 die offizielle Endfassung des CETA-Vertragstextes. Sobald dieser in die Sprachen aller Mitgliedsländer übersetzt ist, soll er vom EU-Rat ratifiziert und anschließend vom EU-Parlament abgesegnet werden, was noch in diesem Jahr geschehen könnte. Zudem muß er auch vom kanadischen Parlament ratifiziert werden.

Umstritten ist jedoch, ob die Zustimmung der nationalen Parlamente der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten notwendig ist. Nach Auffassung der EU-Kommission handelt es sich um ein allein in den Kompetenzbereich der EU fallendes Abkommen, das nicht von den Mitgliedsstaaten ratifiziert werden muß. Dem widersprechen unter anderem der wissenschaftliche Dienst des Bundestages wie auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit der Begründung, Teile des Abkommens fielen in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedsstaaten, weshalb es sich um ein sogenanntes gemischtes Abkommen handle, dessen Vertragspartner neben der EU auch die Mitgliedsländer werden müßten.

Wie sehr sich die Geister an dieser für die Durchsetzung des Abkommens so zentralen Frage scheiden, unterstreicht ein Riß, der mitten durch die Reihen der Sozialdemokraten verläuft. So ist der SPD-Europaabgeordnete Bernd Lange der Auffassung, daß angesichts einer vergemeinschafteten Handelspolitik das Europäische Parlament Kontrollorgan sei. Bei einem gemischten Abkommen wie CETA könnten zwar die nationalen Parlamente mitentscheiden, jedoch erst nach Inkraftsetzung. Und selbst das sei schon ein Zugeständnis, da es hauptsächlich um Angelegenheiten in EU-Zuständigkeit gehe. Sobald das EU-Parlament CETA ratifiziert habe, könne die Kommission ein vorläufiges Inkrafttreten beantragen. Theoretisch könnte man sogar Teile der Verträge, die nationale Kompetenzen nicht berühren, sofort endgültig in Kraft setzen. [3]

Matthias Machnig, SPD-Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und ebenfalls ein entschiedener Befürworter von Freihandelsabkommen, bestätigt zwar, daß CETA tatsächlich vorläufig in Kraft gesetzt werden soll. Das gelte für jene Teile, die komplett im Zuständigkeitsbereich der EU liegen. Er ist jedoch im Unterschied zu Lange der Auffassung, daß der höchst umstrittene Investitionsschutz ausdrücklich nicht dazu gehört. Parteilinke wie Ralf Stegner oder Marco Bülow fordern sogar, daß kein Teil des Abkommens in Kraft treten dürfe, bevor der Bundestag darüber abgestimmt hat, da dieser andernfalls entmachtet würde. Klären will die SPD ihre Haltung auf einem Parteikonvent, der laut Machnig im Juni oder September und damit vor dem Votum des Europäischen Rats über die vorläufige Anwendung von CETA stattfinden werde.

SPD-Parteichef Sigmar Gabriel befürwortet CETA, hat aber angedeutet, daß die nationalen Parlamente mitbestimmen, bevor Abkommen wie CETA und TTIP in Kraft treten. Andererseits ist inzwischen bekannt, daß die Bundesregierung den strategischen Winkelzug eines vorläufigen Inkrafttretens favorisiert. Offensichtlich bleibt die deutsche Sozialdemokratie also auch in dieser Frage ihrer traditionellen Rolle treu, sich um die Akzeptanz höchst unverträglicher Maßnahmen verdient zu machen.


Mit Mikrophon auf dem Podium - Foto: © 2016 by Schattenblick

Maritta Strasser
Foto: © 2016 by Schattenblick


Strategische Pläne für alle Eventualitäten

Die Einschätzung, welche Schritte die geplante Durchsetzung von CETA mutmaßlich durchlaufen wird und welche Konsequenzen für die Bewegung gegen die Freihandelsabkommen daraus zu ziehen sind, war denn auch eines der zentralen Diskussionsthemen im Workshop "CETA-Ratifizierung stoppen!", der von der Campact-Kampagnenleiterin Maritta Strasser auf der Kasseler Konferenz angeboten wurde. Wie sich rasch abzeichnete, ist die Rechtslage umstritten, zumal sich Befürworter und Gegner auf konträre Gutachten berufen. Beispielsweise ist bei einem gemischten Abkommen laut den EU-Verträgen im Rat eigentlich Einstimmigkeit bei der Ratifizierung erforderlich, doch gehen andere Auffassungen insbesondere bei einer vorläufigen Anwendung von einer qualifizierten Mehrheit aus. Das ist jedoch nur eine unter mehreren Unwägbarkeiten des Ratifizierungsprozesses, dessen Verlauf und Zeitrahmen von verschiedenen Faktoren abhängen. Wenngleich für unstrittig erachtet wurde, daß die CETA-Befürworter die nationalen Parlamente am liebsten kaltstellen würden, hielt man es doch für ungewiß, ob sie sich das tatsächlich leisten können und wollen. Die Bewegung gegen die Abkommen muß folglich verschiedene Szenarien in Betracht ziehen, also gewissermaßen auch einen Plan B haben, sollte Plan A nicht greifen, so die Referentin.

Sie legte in ihrem einführenden Vortrag die Schrittfolge der Ratifizierung dar und erörterte mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Workshops mögliche Gegenmaßnahmen auf jeder dieser Etappen. So könnte beispielsweise der Konsens unter den Mitgliedsstaaten aufgebrochen werden, zumal die rechte polnische Regierung ihre bilateralen Investorenverträge aus Kostengründen kündigen will und die Opposition gegen CETA in Deutschland und Österreich besonders stark ist. In den Niederlanden bestünde die Möglichkeit, mit Volksentscheiden in den Ratifizierungsprozeß einzugreifen.

Eine ganz wesentliche Hürde ist insbesondere das EU-Parlament. Legt man die Abstimmung über die TTIP-Resolution vom Juli 2015 zugrunde, müßten 75 Abgeordnete das Lager wechseln, damit eine Mehrheit gegen CETA zustande kommt. Von den deutschen Abgeordneten haben damals 24 für die Resolution gestimmt und nur vier dagegen. Wie man insbesondere auf die sozialdemokratischen Abgeordneten einwirken könne, war Gegenstand einer ausgiebigen Diskussion, in die wie auch zu anderen Punkten zahlreiche Vorschläge wie Netzwerke, Postkartenaktionen, persönliche Ansprache und manches mehr debattiert wurden, da der Workshop insbesondere den zu ergreifenden praktischen Maßnahmen gewidmet war. Lokale Kampagnen an verschiedenen Orten brachten ihre Erfahrungen ein, die im Austausch mit anderen als sehr hilfreich und produktiv wahrgenommen wurden.

Eine Bürgerklage vor dem Bundesverfassungsgericht ist möglich, aber nicht einfach, da der Nachweis geführt werden muß, warum man unmittelbar in den Grundrechten betroffen ist. Das Risiko des Scheiterns ist hoch, was wiederum ungünstig für die Argumentation der Bewegung und deren Wahrnehmung in der Öffentlichkeit wäre. Zur Klage Marianne Grimmensteins, die im ersten Anlauf gescheitert war und es nun mit Prof. Dr. Andreas Fisahn als Beistand noch einmal versucht, merkte die Referentin an, daß die dafür benutzte Plattform Change.org keine NGO, sondern ein Unternehmen sei, das man nicht unterstützen sollte.

Was eine Abstimmung im deutschen Bundestag betrifft, könnte die Große Koalition CETA problemlos durchwinken, da die zusammen 20 Prozent der Opposition noch nicht einmal für eine Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht ausreichen. Auch hat das Ausbleiben eines grundsätzlichen Protests gegen die Leseräume unter den Abgeordneten gezeigt, in welchem Ausmaß die Bundesregierung das Parlament unter Kontrolle hat. Im Bundesrat wären die Mehrheitsverhältnisse derzeit günstiger, würden die Grünen ihre Schlüsselposition in den Ländern gegen CETA einsetzen. Denkt man an den Freihandelsbefürworter Kretschmann in Baden-Württemberg und die schwarz-grünen Perspektiven, ist allerdings Skepsis geboten. Sollte CETA nicht bis Frühjahr 2017 durchgesetzt sein, wird dieser Prozeß voraussichtlich bis nach der Bundestagswahl im Herbst verschoben werden, um dieses brisante Thema aus dem Wahlkampf herauszuhalten, so die allgemeine Einschätzung.


Handstreich oder Verzögerungstaktik?

Das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen CETA könnte in Brüssel im Handstreich vorläufig in Kraft gesetzt und wenig später angewendet werden. Es könnte aber auch in Erwartung, der Widerstand werde sich totlaufen, auf die lange Bank geschoben werden. Die damit verbundene Ungewißheit stellt enorme strategische Anforderungen an die Bewegung gegen CETA, TTIP und TiSA, entlang der gesamten Kette versuchter Durchsetzung jeweils da anzugreifen, wo sich der Prozeß gerade befindet. Inhaltlich gilt es, die volle Breite der Argumente zu nutzen, das europäische Netzwerk von 400 Organisationen aus allen EU-Ländern auszubauen, sich auf lokaler Ebene auf Schwerpunkte zu konzentrieren, die für bestimmte Zielgruppen relevant sind, und zugleich den Protest massenhaft auf die Straße zu bringen.

Wurde die Oktoberdemonstration der 250.000 Menschen in Berlin von den Medien noch in einen Mantel des Schweigens gehüllt, so hat die Bewegung daraus gelernt. Der Aufruf zur Kundgebung des Widerstands am 23. April in Hannover vor dem Messebesuch von Barack Obama und Angela Merkel wurde erfolgreich in den Leitmedien plaziert, die nicht umhin konnten, zentrale Argumente zu zitieren. So steht zu erwarten, daß diese Demonstration weithin wahrgenommen wird und sich eines Zuspruchs zahlreicher Menschen erfreut, die sich bei dieser Gelegenheit der Bewegung anschließen und sie künftig auf noch breitere Füße stellen.


Fußnoten:


[1] Laut EU-Kommission war Kanada 2012 mit einem Anteil von 1,8 % am gesamten EU-Außenhandel der zwölftwichtigste Handelspartner der EU. Auf der Grundlage der Zahlen von 2011 entfielen auf die EU 10,4 % des gesamten kanadischen Außenhandels, was sie zum zweitwichtigsten Handelspartner Kanadas nach den USA machte.

[2] http://www.attac.de/ceta

[3] http://www.taz.de/!5288286/


TTIP Strategie- und Aktionskonferenz in Kassel im Schattenblick
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14. April 2016


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