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FLUCHT/024: Wiener Asyl - Gastrecht? (SB)


Flüchtlingsproteste in Wien - 16. März 2013

Vom Regen in die Traufe


Wie das Amen in der Kirche folgte den mehr oder minder hoffnungsfrohen Erwartungen, mit denen die zuvor in der Wiener Votivkirche protestierenden Refugees der an sie seit langem gestellten Forderung, in eines der angebotenen Ersatzquartiere auszuweichen, am 3. März schließlich nachgekommen waren, eine fundamentale Ernüchterung. Die Situation der rund 60 Menschen, die in ihrem Kampf um ein menschenwürdiges Asylsystem in Österreich als Zeichen ihres guten Willens zuvor schon ihren Hungerstreik beendet hatten, stellt sich für sie mittlerweile als sehr enttäuschend dar, sowohl was die räumlichen Verhältnisse im Servitenkloster als auch ihre derzeitige rechtliche Lage betrifft.

Wie auf einem Unterstützerblog am 6. März berichtet [1], sollen die Refugees bei ihrer Übersiedlung in das zuvor leerstehende Servitenkloster stickige und schimmlige Kellerräume vorgefunden haben, die ihnen offenbar als neue Heimstätte dienen sollten. Die Caritas, die schon Wochen zuvor diesen Wechsel angeboten und angeraten hatte, schien demnach kaum Vorkehrungen und Vorbereitungen für die Aufnahme der Flüchtlinge getroffen zu haben. Weder seien die Räumlichkeiten renoviert, noch Maßnahmen gegen die Schimmelbelastung ergriffen worden.

Erst nachdem die Refugees und ihre Unterstützer darauf hingewiesen hätten, daß der Aufenthalt in diesen Kellerräumen gesundheitsschädlich ist, sei ihnen ein Trakt mit 13 kleinen Zimmern, die keine Schimmelbelastung aufweisen und Fenster haben, zugewiesen worden. Im Kloster soll es mehr Räume in brauchbarem Zustand geben, die jedoch seitens der Erzdiözese bzw. der Caritas ebenso verschlossen gehalten wurden wie eine große und geräumige Küche, die den Refugees die Möglichkeit bieten könnte, sich selbst ihr Essen zu kochen. Da die kleinen Kammern insgesamt nicht genug Platz für alle böten, sei einigen nichts anders übriggeblieben, als weiterhin in den schimmelbelasteten Kellerräumen zu übernachten.

Ihre einzige Kochmöglichkeit im Keller habe zunächst aus zwei Kochplatten bestanden, die ihnen von Unterstützern mitgebracht worden seien. Um die sanitären Anlagen soll es ebenfalls nicht gut bestellt gewesen sein - zwei Toiletten und eine Dusche für 60 Menschen stellen vermutlich Verhältnisse dar, die im Vergleich zu den wohnlichen Anlagen in dem Flüchtlingserstaufnahmelager in Trailskirchen, aus dem die Refugees im Herbst vergangenen Jahres nach Wien gekommen waren, wohl schlecht abschneiden würden. Aus Sicht der Geflohenen gleichen die Lebensbedingungen in dem Kloster noch immer eher einem Asylantenheim, wenn nicht einem Gefängnis. [2]

Der Wechsel von der Votivkirche, in der ihnen eine gewisse Aufmerksamkeit von Medien, Politik und Öffentlichkeit entgegengebracht worden war, in das Servitenkloster war den Refugees schmackhaft gemacht worden durch die Zusicherung, dort ihren Lebensalltag selbst mitbestimmen, im Gespräch mit den kirchlichen Verantwortlichen eine Hausordnung gestalten sowie sich an den Renovierungsarbeiten beteiligen zu können. Nun sehen sie sich Reglementierungen ausgesetzt, die abermals ihren Protest hervorgerufen haben. Streitpunkt ist dabei wie schon in der Votivkirche die Begrenzung der Möglichkeit, Besucher zu empfangen. Nachdem am Mittwoch der Versuch unternommen worden sei, Besuche in den Privaträumen ganz zu unterbinden, soll es zu einem spontanen Protest der Refugees gekommen sein - einem Sitzstreik im Hof des Klosters. [2]

Allmorgendlich sollen Anwesenheitskontrollen durchgeführt werden mit der Androhung, bei Abwesenheit die Grundversorgung zu verlieren. Die den Flüchtlingen in der Votivkirche zuvor angekündigte Rechtsberatung habe sich als Rückkehrberatung entpuppt. Bereits am 6. März soll ein Vertreter des Innenministeriums die Refugees in ihrem neuen Domizil besucht haben. Stets hatten diese ihre Interesse an einem offenen Dialog auch mit der Regierung bekundet, doch in diesem Gespräch habe sich schnell herausgestellt, daß der offizielle Repräsentant gekommen war, um die Protestierenden mit dem Rückführungsprogramm vertraut zu machen. [3] Dieser Programm zielt darauf ab, Asylwerber, wie es in Österreich heißt, zur "freiwilligen" Rückkehr in ihr Herkunftsland und damit zurück in die Situation, vor der sie geflohen waren, zu bewegen.

Unter Rückführung ist zu verstehen, daß dem Geflohenen das Flugticket für den Flug in sein Herkunftsland bezahlt wird. Eine Abschiebung ist das rechtlich gesehen nicht, und doch steht zu befürchten, daß auf mannigfache Weise, mehr oder minder subtil, versucht wird, immer mehr Druck aufzubauen, bis die Betreffenden schließlich "freiwillig" ihrer Rückführung zustimmen, also ihre Abschiebung akzeptieren. Ein wesentlicher Grund, warum die Flüchtlinge Anfang des Monats mit dem Ortswechsel von der Kirche ins Kloster einverstanden gewesen waren, hatte im übrigen in der Zusicherung bestanden, daß dort, da sie regulär gemeldet sein würden, die ihnen noch in der Votivkirche drohende Gefahr der Schubhaft bzw. Abschiebung nicht mehr bestehen würde.

Inzwischen jedoch klingt auch diese Zusicherung nicht mehr so zuverlässig, wie die Refugees zunächst geglaubt haben mögen. So sei von ihnen verlangt worden, eine Erklärung zu unterschreiben, in der sie ihre Kooperationsbereitschaft mit den Behörden bekunden, und zwar als Voraussetzung für eine Prüfung ihrer Asylanträge im einzelnen sowie die Zusicherung, daß "vorerst" keine Schubhaft verhängt werde. [1] Am 5. März dämpfte die Erklärung eines Mitarbeiters des Innenministeriums, ein erneutes Aufrollen der Asylverfahren sei schon aus rechtlichen Gründen nicht möglich, die Zuversicht der Refugees, im Kloster ohne Angst vor Inhaftierung und Abschiebung leben zu können.

Die Caritas, der gegenüber sich die Flüchtlinge nach der Beendigung ihres Aufenthalts in der Votivkirche, in der sie von der Hilfsorganisation betreut worden waren, dankbar gezeigt hatten, scheint in die Bemühungen einer rotgrünen Wiener Stadtverwaltung, sich sozusagen auf sanften Wegen der unerwünschten Menschen zu entledigen, eingebunden zu sein. Eine Willkommenskultur sähe jedenfalls anders aus. Die Flüchtlinge ihrerseits sind nach wie vor darum bemüht, zu ihrem Gastland Österreich und seinen Bewohnern und Bewohnerinnen in einen konstruktiven und lebhaften Kontakt zu treten. Für den heutigen Nachmittag hatten sie ins Servitenkloster zu einem Nachbarschaftsfest eingeladen.


Fußnoten:

[1] Indymedia

[2] http://refugeecampvienna.noblogs.org/post/2013/03/13/sitzstreik-im-hof-des-servitenklosters/

[3] http://www.liv3.at/gallery/das-bmi-im-servitenkloster

16. März 2013


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