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FLUCHT/032: Wiener Asyl - trennen, vereinzeln, abschieben (SB)


Flüchtlingsproteste in Wien - 23. Juni 2013

Abschiebungsgefahr und versuchte Spaltung des gemeinsamen Widerstands ab 30. Juni



In den vergangenen Wochen und Monaten ist es still geworden um die protestierenden Flüchtlinge in Wien, die seit Herbst vergangenen Jahres durch ihre vielfältigen Aktionen nicht nur auf sich und ihre verzweifelte Lage aufmerksam gemacht, sondern durch ihren solidarischen Widerstand auch dafür gesorgt haben, daß ihre für alle in Österreich lebenden geflohenen Menschen erhobenen Forderungen in den Medien berücksichtigt und damit öffentlich gemacht wurden.

Inzwischen zeichnet sich ab, was schon zu Beginn ihres Wechsels von der Wiener Votivkirche in das Servitenkloster und ihrer damit einhergehenden Kooperation mit den zuständigen Behörden zu befürchten stand, nämlich daß die ihnen gemachten Versprechungen allein dem Zweck dienten, sie aus der Kirche und damit auch dem öffentlichen bzw. Medieninteresse herauszuholen. Mit Stichtag 30. Juni steht nun eine abermalige Zuspitzung der Lage kurz bevor, wie dem Blog der Wiener Refugees in einem Beitrag vom 18. Juni zu entnehmen ist [1]:

Mitarbeiter_innen der Caritas sowie der Erzdiözese Wien haben verlautbart, dass der Fonds Soziales Wien den Vertrag, durch den das Servitenkloster vorübergehend eine Grundversorgungseinrichtung sein konnte, nicht mehr verlängert hat. Das bedeutet, dass wir das Servitenkloster am 30. Juni 2013 verlassen müssen.
Nach mehr als sieben Monaten Protestbewegung, in der es u.a. auch um die Skandalisierung der Lebensbedingungen in den Asyllagern als Teil einer rassistischen und menschenrechtswidrigen Asylpolitik in Europa ging, und in der wiederholt eine politische Gruppenlösung gefordert wurde, werden uns nun jeweils Individual"lösungen" angeboten, sprich Unterkünfte in Quartieren der Caritas, der Diakonie, der Volkshilfe, des Kolping(hauses) sowie Vereins Tempus.
Darüber hinaus besteht das Angebot der Caritas und der Erzdiözese darin, uns bis Oktober 2013 das ehemalige Kellertheater im Servitenkloster, das bisher als Schlafraum gedient hat, als Raum für Vernetzungstreffen zur Verfügung zu stellen.
Bislang gibt es also keinen Ort, an dem wir als Refugee-Aktivist_innen nach Ende Juni weiter gemeinsam leben und unseren Protest fortsetzen können. Die Versprechen, dass nach einem Umzug ins Servitenkloster alle Asylverfahren nochmals individuell überprüft werden würden und dafür "bestmögliche Rechtsvertretungen" bereit gestellt würde, wurden bislang auch nicht eingehalten. Die vielfachen Versuche, mit Vertreter_innen des Bundesministeriums für Inneres und der Regierung Gespräche zu führen, um so zu einer politischen Lösung zu gelangen, wurden von den Zuständigen stets ignoriert.

Dringend gesucht werden nun ein geeignetes leerstehendes Haus, das für alle Refugees als privates Grundversorgungshaus in Frage kommen könnte, oder auch freie Zimmer in Wohnungen oder WGs solidarischer Menschen. Für den 28. Juni um 17.00 Uhr laden die Geflohenen unter dem Motto "Alle die hier sind, sind von hier" zu einem Nachbarschaftsfest ins Servitenkloster (Müllnergasse 6, 1090 Wien) ein, um gerade auch in dieser Situation deutlich zu machen, wie wichtig es ist, Solidarität zu zeigen und den Kampf für die Menschenrechte auch unter noch so widrigen Bedingungen fortzusetzen.

Über den Verlust der gemeinsamen Unterkunft hinaus befürchten die Refugees aber auch, abgeschoben zu werden. Aus einer Mitteilung der Leiterin Asyl und Integration der Caritas der Erzdiözese Wien, Natalie Failla-Grahn, zu den "aktuellen Entwicklungen und Zukunftsperspektiven im Servitenkloster" vom 18. Juni [2] geht hervor, inwiefern der den Flüchtlingen bevorstehende Verlust der gemeinsamen Unterkunft mit der ihnen womöglich drohenden Abschiebung zusammenhängt:

Seit die Flüchtlinge Anfang März Quartier im Kloster bezogen, haben Caritas (Betreuung) und Erzdiözese Wien (Eigentümer) stets betont, dass das Kloster bis Ende Juni 2013 als Flüchtlingseinrichtung genutzt werden kann. Nicht zuletzt auch deshalb führen MitarbeiterInnen der Caritas seit Wochen Einzelgespräche mit den Klienten vor Ort, um sie auf die "Zeit danach" vorzubereiten.
Die Gründe warum die Flüchtlinge aus dem Servitenkloster ausziehen müssen, sind vielfältig. Zum einen gibt es vertragliche Festlegungen, wonach das Kloster von den Behörden (Fonds Soziales Wien) derzeit nur bis Ende Juni als Grundversorgungseinrichtung anerkannt wird. Klar ist aber auch, dass die Caritas den laufenden Betrieb und die erhöhten Personalkosten mit Spendenmitteln allein nicht bestreiten kann. Darüber hinaus werden am Standort in der zweiten Jahreshälfte auch bauliche Maßnahmen dringend notwendig. Denn 2014 werden unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) das Servitenkloster als neue Bleibe bewohnen. (...)
Bei den zukünftigen Wohnmöglichkeiten handelt es sich überwiegend um mobil betreute WGs, aber auch um Plätze in bestehenden Grundversorgungseinrichtungen folgender TrägerInnen: Volkshilfe, Diakonie, Verein Tempus, Kolping sowie die Caritas Wien. Werden diese nicht angenommen und die Flüchtlinge verbleiben weiterhin im Servitenkloster, was prinzipiell für einen kurzen Zeitraum möglich wäre, besteht die Gefahr, dass sie den Anspruch auf Grundversorgung verlieren, da sie die ihnen über den FSW angebotenen Plätze nicht annehmen. Natürlich besteht auch die Möglichkeit einer Privatunterbringung. Hierfür müssten die Flüchtlinge jedoch rechtzeitig (bis zum 30.06.2013) einen Mietvertrag bzw. Meldezettel in der Servicestelle Mariannengasse vorweisen.

Auf einer am 22. Juni von der Caritas und amnesty international gemeinsam durchgeführten Pressekonferenz machten die Betroffenen deutlich, wie sich die aktuelle Situation für sie darstellt [3]:

Ein Refugee schilderte im Juni 2013 allerdings, dass die Caritas in den Verhandlungen am 17. Juni keine der Forderungen der Refugees akzeptiert hätte. Sie müssten am 30. Juni 2013 das Servitenkloster verlassen und würden in ganz Wien auf verschiedene Quartiere aufgeteilt.
Er erlebte die Caritas in den letzten sechs Monaten stets als eine kontrollierende Institution. Zwischen Innenministerium, Caritas und Kirche sehe er keinerlei Unterschied. In den Medien spielte sie die humane Einrichtung, gegenüber uns agiert sie strikt nach den Gesetzen dieses Staates. Caritas und Kirche wollen unser Protestcamp zerstören!
Auch wenn wir nach dem 30. Juni zersplittert sind, werden wir imstande sein, den Kampf für unsere demokratischen Rechte weiterzuführen.

In Wien und ganz Österreich gibt es eine vielfältige Solidarisierung mit dem Kampf dieser Flüchtlinge. Der Künstler Peter Wurm beispielsweise richtete am 11. Juni ein Schreiben an Dr. Michael Landau, den Präsidenten der Wiener Caritas, in dem er diesen wie auch den Kardinal für das Leben und den den Refugees im Falle ihrer Abschiebung möglicherweise drohenden Tod "vor dem Herrn im Himmel" verantwortlich machte und die Römisch-Katholische Kirche aufforderte, den Aufenthalt der pakistanischen Flüchtlinge im Wiener Servitenkloster so lange zu garantieren, bis diesen die österreichische Staatsangehörigkeit zuerkannt werde. Wörtlich hieß es in dem Schreiben zur Begründung [5]:

Die Caritas Wien garantiert ihren Aufenthalt im Servitenkloster nur bis 30. Juni, 24:00 Uhr. Danach wäre die Erzdiözese zuständig, diese erlaubt jedoch nur den Aufenthalt während des Tages, explizit "ohne Schlafmöglichkeit". Somit ist die Grundversorgung der Flüchtlinge nicht mehr garantiert, sondern nur, wenn sie irgendwo anders legale Unterkunft finden. Und wenn sie plötzlich mitten in der Nacht deportiert werden, dann kann niemand was dafür. Alles legal... Wir haben nur unsere "Pflicht" getan! Und 24 Stunden nach der Ankunft in Karachi leben 40 Menschen weniger auf der Welt.


Fußnoten:

[1] http://refugeecampvienna.noblogs.org/post/2013/06/18/unfreiwilliger-auszug-wir-refugee-aktivist_innen-mussen-das-servitenkloster-mit-ende-juni-2013-verlassen/

[2] http://www.labournetaustria.at/natalie-failla-grahn-caritas-wien-aktuelle-entwicklungen-und-zukunftsperspektiven-im-servitenkloster-2/

[3] http://www.labournetaustria.at/pressekonferent-von-caritas-und-amnesty-internation-zum-internationalen-weltfluchtlingstag-und-zur-frage-des-protestcamps-vienna-servitenkloster/

[4] http://peterwurm.wordpress.com/2013/06/11/der-tod-der-pakistanischen-votivkirchen-fluchtlinge/

23. Juni 2013