Schattenblick → INFOPOOL → BÜRGER/GESELLSCHAFT → TICKER


FLUCHT/091: Getretene Würde - Angst- und Mangelgrenze ohne Not ... (ÄoG)


Ärzte ohne Grenzen - 23. April 2015

EU-Flüchtlingsgipfel: Ärzte ohne Grenzen fordert drastische Verbesserung der Seenotrettung und legale Fluchtwege nach Europa


Anlässlich des Flüchtlingsgipfeltreffens der EU-Regierungschefs heute in Brüssel fordert die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen dramatische Verbesserungen bei der Seenotrettung, legale Fluchtwege nach Europa sowie angemessene Aufnahmebedingungen für die ankommenden Bootsflüchtlinge. Ärzte ohne Grenzen wird Anfang Mai in Kooperation mit der Organisation MOAS selbst von Malta aus zu einem Hilfseinsatz im südlichen Mittelmeer aufbrechen. Zudem ist Ärzte ohne Grenzen in zahlreichen Herkunftsländern der Flüchtlinge und Migranten aktiv und unterstützt ankommende Flüchtlinge in Italien, Griechenland und auf dem Balkan.

Florian Westphal, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen Deutschland:

"Die EU muss dringend auf die humanitäre Katastrophe im Mittelmeer reagieren. Deshalb begrüßen wir den heutigen EU-Flüchtlingsgipfel. Die dramatisch angestiegene Zahl von Bootsflüchtlingen im Mittelmeer ist das Ergebnis der verfehlten EU-Politik der vergangenen Jahren: Grenzen wurden geschlossen, die Migrationskontrolle sollte in die Transitländer ausgelagert werden, sichere und legale Fluchtwege wurden versperrt. Die EU muss ihre derzeitige Politik drastisch verändern. Wir erwarten, dass bei dem heutigen Gipfeltreffen bedeutende Änderungen vorgenommen werden. Besonders Deutschland als wirtschaftlich stärkster Staat ist hier gefordert: Das Schicksal von Flüchtlingen an der EU-Außengrenze ist eine gesamteuropäische Verantwortung.

Wir begrüßen die im 10-Punkte-Plan der EU-Innen- und Außenminister gemachten Vorschläge zur Ausweitung der Seenotrettung und zu einem Pilotprojekt zur Flüchtlingsaufnahme in der EU. Allerdings bezweifeln wir, dass die von Frontex durchgeführte "Triton"-Operation der richtige Rahmen dafür ist. Triton ist keine Operation zur Seenotrettung, sondern zur Grenzsicherung ohne angemessenes Mandat. Seenotrettung sollte sich auf die Rettung von Menschenleben konzentrieren - gleichzeitig andere Ziele wie die Grenzsicherung zu verfolgen ist kontraproduktiv.

Nicht nur vor den Küsten Italiens und Maltas, auch in Griechenland ist die Situation von Flüchtlingen dramatisch. Unsere Teams beobachten, dass die Zahl der neu ankommenden Bootsflüchtlinge auf den griechischen Inseln dramatisch angestiegen ist. Schon jetzt erreichen die Zahlen die Höchststände vom Spätsommer des vergangenen Jahres - es ist damit zu rechnen, dass im Laufe des Jahres noch viel mehr Flüchtlinge ankommen werden. Die Mehrzahl auf dieser Route sind Kriegsflüchtlinge aus Syrien. Es ist verheerend, dass die EU für die Flüchtlinge aus Syrien und anderen Kriegsgebieten wie Afghanistan keine sicheren Fluchtwege öffnet. Das treibt die Menschen dazu, ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Die Schließung der EU-Außengrenzen lässt Flüchtlingen und Migranten keine andere Wahl als das Meer.

Es ist zudem ein Skandal, dass die reiche EU bisher nicht in der Lage ist, angemessene Bedingungen für die ankommenden Flüchtlinge zu schaffen. Auf den griechischen Inseln etwa gibt es kein funktionierendes Aufnahmesystem. Zum Teil werden hunderte Personen, darunter Schwangere und Kinder, in viel zu kleine Polizeistationen gepfercht, manchmal müssen sie sogar im Freien übernachten, bis alle administrativen Schritte abgeschlossen sind. Die Menschen müssen Unterkünfte, ausreichende Toiletten, Nahrungsmittel und medizinische Betreuung erhalten. Es kann nicht sein, dass private Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen für humanitäre Mindeststandards wie den Zugang zu medizinischer Versorgung einspringen müssen."


Weitere Informationen:

- Pressemitteilung vom 20.4.: Ärzte ohne Grenzen fordert großflächigen Rettungseinsatz im Mittelmeer:
http://www.aerzte-ohne-grenzen.de/fluechtlinge-rettung-mittelmeer
- Pressemitteilung vom 10.4.: Hilfseinsatz von Ärzte ohne Grenzen und MOAS im Mittelmeer:
http://www.aerzte-ohne-grenzen.de/presse/gemeinsamer-hilfseinsatz-von-aerzte-ohne-grenzen-und-moas-im-mittelmeer
- Pressemitteilung vom 9.4.: Deutlich mehr Bootsflüchtlinge in der Ägäis:
http://www.aerzte-ohne-grenzen.de/presse/deutlich-mehr-bootsfluechtlinge-der-aegaeis

*

Quelle:
Ärzte ohne Grenzen e. V. / Medecins Sans Frontieres
Am Koellnischen Park 1 - 10179 Berlin - Germany
Pressestelle: Telefon: + 49 (30) 700 130 - 230
Fax: + 49 (30) 700 130 - 340
E-Mail: office@berlin.msf.org
Internet: www.aerzte-ohne-grenzen.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. April 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang