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FLUCHT/102: Getretene Würde - auf dem Rücken der Not ... (RAV)


Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V. - 09.11.2015

Katastrophale Zustände vor dem Berliner LAGeSo

Mobile Rechtsberatung vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales


Tage- und sogar wochenlang warten Geflüchtete auf die Möglichkeit, ihren Antrag auf Asylbewerberleistungen stellen zu können. Ohne diesen Antrag erhalten die Geflüchteten nichts, also auch keine Verpflegung und keine Unterkunft. Außerdem ist die Vorsprache beim LAGeSo Voraussetzung für den Fortgang des gesamten Asylverfahrens. Viele verbringen die Nacht im Freien aus Angst, ihren Platz in der Warteschlange zu verlieren. Ihre Versuche, nach wochenlangem Warten endlich Zugang zum LAGeSo zu bekommen, werden vom privaten Sicherheitsdienst des LAGeSo, teilweise mit brutaler körperlicher Gewalt, verhindert. Verpflegung für die Wartenden wird ausschließlich von freiwillig Helfenden bereitgestellt.


Der Staat entzieht sich seiner Verantwortung

Und, diese Situation ist nicht zufällig entstanden. Das UNHCR machte bereits vor Jahren auf die zu erwartenden steigenden Zahlen von Geflüchteten aufmerksam. Trotzdem kam es in den vergangen Jahren zu einem massiven Stellenabbau in der Berliner Verwaltung und somit auch im LAGeSo. Kritik darüber kommt auch von den Mitarbeitern, die in einem Offenen Brief den Personalabbau im Landesamt kritisieren.

Statt selbst für menschenwürdige Wohnmöglichkeiten zu sorgen, delegiert das LAGeSo diese Verantwortung an die Geflüchteten. Die Hostel-Gutscheine, mit denen sich die Geflüchteten einquartieren sollen, sind wertlos, denn das Landesamt bezahlt die Rechnungen nicht oder nur mit großer Verspätung. Die so entstandene Situation ist nicht Produkt einer zufälligen Überforderung, sondern Ergebnis eines bewusst eingegangenen Kalküls der Stadt Berlin.


Systematischer Rechtsbruch

Das Berliner Sozialgericht hat diese Praxis mehrfach für rechtswidrig erklärt. Im Oktober stellten ca. 20 Geflüchtete erfolgreich Eilanträge. Das LAGeSo wurde daraufhin verpflichtet, den Antragsstellenden Leistungen zu gewähren. »Das LAGeSo ignoriert diese Gerichtsentscheidungen aber konsequent und führt seine rechtswidrige Praxis systematisch fort«, so Rechtsanwältin Anya Lean vom RAV. »Für Obdachlosigkeit, Hunger und Kälte trägt so das Landesamt die Verantwortung«.

Ab 10. November 2015 werden das Aktionsbündnis für eine mobile Rechtsberatung vor dem LAGeSo und der RAV daher eine kostenlose Rechtsberatung eröffnen. Von Dienstag bis Freitag täglich von 12 bis 14 Uhr werden Geflüchtete über die Möglichkeit informiert, ihre Rechte in Eilrechtsschutzverfahren geltend zu machen.

Es geht nicht nur um Hilfe im Einzelfall, sondern um eine generelle Kritik am systematischen Versagen dieser Behörde. »Wir werden dabei möglichst viele Betroffene über ihre Rechte aufklären und die Rechtsverletzungen des LAGeSo dokumentieren sowie gerichtlich bestätigen lassen«, so Rechtsanwältin Lean. Ziel ist es, durch eine Vielzahl an Fällen Druck auf das LAGeSo aufzubauen und die Zustände dort öffentlich zu skandalisieren.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 9. November 2015
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.
Haus der Demokratie und Menschenrechte
Greifswalder Straße 4 | 10405 Berlin
Telefon +49 (0)30 417 235 55 | Fax +49 (0)30 417 235 57
E-Mail: kontakt@rav.de
Internet: www.rav.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. November 2015

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