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FRAGEN/002: Engagiert für TERRE DES FEMMES (frauensolidarität)


TERRE DES FEMMES in der frauensolidarität - Nr. 114, 4/10

Engagiert für TERRE DES FEMMES


Das Projekt "Desert Embroidery" in der Negev-Wüste in Israel hat zum Ziel, Frauen aus der traditionell patriarchal geprägten Beduinengesellschaft den Zugang zu eigenen Erwerbsmöglichkeiten bzw. Kontaktmöglichkeiten mit anderen Frauen zu erschließen. Das Projekt existiert seit 1997 und wurde von einer jungen Beduinenfrau ins Leben gerufen, deren Anliegen vor allem darin bestand, Frauen unterschiedlichen Alters einen größeren persönlichen Spielraum zu erschließen. Der Besuch der Wüstenstickerei, die in dem Dorf Laqiya angesiedelt ist, ist mittlerweile in viele Besucherreisen in Israel integriert, das Projekt wird auch von mehreren Fremdenführern empfohlen.


Wo genau liegt das Projekt?

INES FISCHER: Laqiya liegt im südlichen Israel in einer Gegend, in der mehrheitlich Beduinen leben. Es liegt mitten in der Negev-Wüste, umgeben von mehreren so genannten "illegalen" Beduinensiedlungen, die vom Staat Israel nicht als legale Wohnorte angesehen werden.

Was konnte bislang bewirkt werden?

INES FISCHER: Viele der Frauen, die dort leben, hatten in der Vergangenheit wenig Zugang zu anderen Lebenswelten und zu Bildung. Durch die Gründung des Projektes hat sich für die älteren Beduinenfrauen eine Möglichkeit ergeben, das eigene Haus in regelmäßigen Abständen verlassen zu können, da es im Dorf nun einen Treffpunkt gibt, der nur für Frauen zugänglich ist und insofern von den meisten Männern auch akzeptiert wird. Überzeugungsarbeit gegenüber den Männern des Dorfes muss jedoch immer wieder geleistet werden, gelegentlich kam es auch schon zu Brandstiftungen.

Für die jüngeren Beduinenfrauen wurde durch das Projekt der Zugang zu Bildung möglich, da parallel auch Alphabetisierungs- und so genannte Empowermentkurse angeboten werden. Es gibt außerdem eine fahrende Bibliothek, die mehrere Beduinendörfer mit Literatur versorgt. Mittlerweile studieren immer mehr Mädchen aus der beduinischen Gesellschaft an der nahe gelegenen Universitätsstadt Beer Sheva.

Wie viele Frauen arbeiten zur Zeit im Projekt?

INES FISCHER: Derzeit bietet das Projekt Arbeitsmöglichkeiten für 70 Frauen. Je größer die Unterstützung von außerhalb ist, umso mehr Frauen können auch in die Projektarbeit integriert werden. Die Zahl der Kurse, die vor Ort angeboten werden, um den Frauen Kenntnisse in Lesen und Schreiben zu vermitteln, hängt stark von dem finanziellen Volumen des Projektes ab, das in den vergangenen Jahren über drei Jahre durch die Heinrich-Böll-Stiftung gefördert wurde. Seit diese Förderung ausgelaufen ist, mussten die Frauen in Laqiya ihre Beschäftigungsmöglichkeiten begrenzen. Die Zahl der Frauen, die von dem Projekt profitieren können, hat sich fast halbiert.

Die Beduinenfrauen, die das Projekt derzeit betreiben, lassen sich von diesen Zwängen aber nicht entmutigen. Sie erweiterten die Stickereiwerkstatt im vergangenen Jahr um eine Schmuckwerkstatt und versuchen nun, diese Produkte gewinnbringend zu vermarkten. Hilfreich ist seit der Gründung des Projektes die Zusammenarbeit mit einem in der Nähe gelegenen jüdischen Kibbuz, eine jüdische Handarbeitslehrerin arbeitet seit 1997 mit den Beduinenfrauen zusammen. Das Projekt hat in der von Konflikten gebeutelten Nahostregion einen friedensstiftenden Charakter, der jüdische Frauen und arabische Beduinenfrauen zusammenbringt.

Bei einem Besuch im vergangenen August wurde deutlich, dass die Beduinenfrauen mehr Spenden denn je brauchen, um Beschäftigung garantieren zu können. Viele Frauen gehen aus den entlegenen Siedlungen mehr als eine Stunde, nur um einige Stunden in der Stickereiwerkstatt tätig sein zu können.

Was gefällt ihnen an diesem Projekt besonders?

INES FISCHER: Für mich selbst ist es beeindruckend, wie Frauen in einer stark patriarchal dominierten Gesellschaft sich an diesem Ort in Israel für ihre Rechte einsetzen und sich allen Widerständen und Vorbehalten zum Trotz immer wieder eigene Räume erkämpfen. Es ist wichtig, sie dabei zu unterstützen. Mich haben lokale Initiativen, die sich vor allem für die Rechte von Frauen und Mädchen einsetzen, immer beeindruckt, weil sie oft unter Bedingungen arbeiten, die für uns kaum vorstellbar sind. Darum ist das Projekt in Laqiya für mich ein zukunftsweisendes, denn es fördert langfristig die Bildung und Kommunikation von Frauen und unter Frauen.


Ines Fischer ist Pfarrerin in Mengen-Scheer. Seit 2OO3 ist sie ehrenamtliche Kontaktperson für das TDF-Förderprojekt Laqiya in Israel. Von September 2000 bis Juli 2001 war sie Praktikantin in der TDF-Geschäftsstelle in Tübingen.


TERRE DES FEMMES
Menschenrechte für die Frau e. V.
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Internet: www.frauenrechte.de


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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 114, 4/2010, S. II
Herausgeberin:
Frauensolidarität - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen,
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Telefax: 0043-(0)1/317 40 20-406
E-Mail: redaktion@frauensolidaritaet.org,
http://www.frauensolidaritaet.org

Die Frauensolidarität erscheint viermal im Jahr.
Einzelpreis: 5,- Euro;
Jahresabo: Österreich und Deutschland 20,- Euro;
andere Länder 25,- Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. März 2011