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MELDUNG/091: Afrikanische Communities gegen weibliche Genitalverstümmelung unerlässlich


Terre des Femmes - Pressemitteilung vom 28. Januar 2015

Internationaler Tag "Null-Toleranz gegenüber weiblicher Genitalverstümmelung" (6.2.)

Afrikanische Communities gegen weibliche Genitalverstümmelung unerlässlich



Berlin, 28.1.2015. Weibliche Genitalverstümmelung ist eine weltweit verbreitete Menschenrechtsverletzung. 140 Millionen Mädchen und Frauen sind von weiblicher Genitalverstümmelung (FGM) betroffen, drei Millionen Mädchen erleiden dies jedes Jahr. Um Mädchen davor zu schützen, müssen in den Herkunftsländern der Betroffenen neben gesetzlichen Verboten auch mehr koordinierte nationale Maßnahmen zur Bekämpfung erfolgen. Das gleiche gilt für europäische Länder wie Deutschland, denn auch dort leben Betroffene und sind Mädchen in Gefahr, an ihren Genitalien verstümmelt zu werden. "Wobei Maßnahmen von den Regierungen allein nicht ausreichen", betont Christa Stolle, Bundesgeschäftsführerin von TERRE DES FEMMES, "wichtig ist die tagtägliche Überzeugungsarbeit in den Communities von Mensch zu Mensch. Insbesondere in europäischen Ländern ist die direkte Einbeziehung afrikanischer Communities deshalb unerlässlich, um Mädchen wirklich schützen zu können."

Aus diesem Grund initiierte TERRE DES FEMMES vor zwei Jahren das europäische Projekt CHANGE. Darin werden Mitglieder afrikanischer Communities als sogenannte CHANGE-Agents ausgebildet. Mit ihrem neu erworbenen Wissen gehen sie in ihre Community, um Menschen davon zu überzeugen, mit der Tradition der Genitalverstümmelung zu brechen. Innerhalb des Projekts wurden 50 Personen geschult und in ihrem Engagement vor Ort unterstützt. Über 150 Aktionen führten die CHANGE-Agents inzwischen für die Abschaffung weiblicher Genitalverstümmelung durch.

Auf der Konferenz "CHANGE - Weibliche Genitalverstümmelung in Europa überwinden", die heute am Mittwoch, den 28. Januar 2015 stattfindet, wurden die Ergebnisse des Projekts vorgestellt. Die Notwendigkeit der strukturellen verstärkten Einbeziehung der Communities wurde dabei ausdrücklich betont. Zum zwölften internationalen Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung (6.2.) fordert TERRE DES FEMMES deshalb, die Communityebene stärker bei allen Maßnahmen gegen die Praktik zu integrieren.

Wie erfolgreiche Arbeit gegen Genitalverstümmelung aussehen kann, beweist Bangr Nooma, die Partnerorganisation von TERRE DES FEMMES in Burkina Faso. Obwohl in Burkina Faso weibliche Genitalverstümmelung verboten ist, wird es in ländlichen Regionen noch praktiziert. Die MitarbeiterInnen von Bangr Nooma ziehen von Dorf zu Dorf und führen Aufklärungsarbeit durch. Sie führen Gespräche mit verschiedenen Gruppen eines Dorfes, vermitteln Wissen über die gesundheitlichen Risiken und zeigen Wege zur Überwindung von FGM auf. Mehr als 32.000 Mädchen konnten durch diese Überzeugungsarbeit vor der Verstümmelung bewahrt werden. "Leider werden solche personalintensiven Projekte, die nah am Menschen orientiert sind, nur selten strukturell durch Regierungsgelder gefördert", so Stolle, "das trifft auf Ländern wie Burkina Faso genauso wie auch Deutschland zu. Dabei sind es doch vor allem die kleineren Frauen-NGO-Projekte, die einen Unterschied machen."

Forderungen von TERRE DES FEMMES zur Überwindung von Genitalverstümmelung sind:

• Die gezielte Förderung von Selbsthilfe-Frauenprojekten gegen Genitalverstümmelung weltweit. Aktuell werden Projekte für den Aufbau von Strukturen und zur Vernetzung nur marginal unterstützt.

• Bessere medizinische Versorgung und Unterstützung der Betroffenen in Deutschland z.B. durch psychosoziale Angebote und eine klare Selbstverpflichtung aller Kassen, die durch eine Genitalverstümmelung anfallenden Kosten zu übernehmen.

• Die Erarbeitung eines Nationalen Aktionsplans zur Bekämpfung von weiblicher Genitalverstümmelung in Deutschland unter Einbeziehung von NGOs und VertreterInnen betroffener Communities.

• Aufnahme des Themas weibliche Genitalverstümmelung in den Lehrplan von pädagogischen und medizinischen Berufen.


Formen von weiblicher Genitalverstümmelung

Weibliche Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation - FGM) ist eine schwere Menschenrechtsverletzung. Mädchen werden zur Kontrolle ihrer Sexualität Teile des Genitals abgeschnitten oder verletzt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterscheidet vier Formen: Typ I - Entfernung oder Beschädigung der Klitoris und/oder Klitorisvorhaut, Typ II - zusätzlich zu TYP 1 werden die inneren Schamlippen gekürzt oder komplett entfernt, Typ III - komplettes äußeres Genital wird entfernt und bis auf ein kleines Loch zugenäht, Typ IV - jegliche andere Praktiken die teilweise physische und/oder psychische Schäden hinterlassen. Je nach Typ und Praktik sind verschiedene Komplikationen und Risiken verbreitet. Circa 25 Prozent der betroffenen Mädchen und Frauen sterben entweder während der Genitalverstümmelung oder an den Folgen.


Verbreitung von weiblicher Genitalverstümmelung

In Europa leben 500.000 Mädchen und Frauen, die an ihren Genitalien verstümmelt wurden, bis zu 180.000 sind bedroht. Allein in Deutschland leben 25.000 Betroffene. Mindestens 2.500 Mädchen sind dem Risiko ausgesetzt, heimlich hierzulande oder im Ausland an ihren Genitalien verstümmelt zu werden. Laut WHO leben weltweit 140 Millionen Mädchen und Frauen, die an ihren Genitalien verstümmelt wurden. Nach Berechnungen von TERRE DES FEMMES dürfte die tatsächliche Zahl der Betroffenen aber eher doppelt so hoch sein. WHO und UNICEF vernachlässigen bei den Hochrechnungen, dass Genitalverstümmelung auch in Asien und im mittleren Osten praktiziert wird. Allein in Indonesien mit 88 Prozent islamischer Bevölkerung sind schätzungsweise 100 Millionen Mädchen und Frauen beschnitten.


TERRE DES FEMMES ist eine gemeinnützige Menschenrechtsorganisation für Mädchen und Frauen, die durch Aktionen, Öffentlichkeitsarbeit, persönliche Beratung, Förderung von Projekten und internationale Vernetzung von Gewalt betroffene Mädchen und Frauen unterstützt. TERRE DES FEMMES klärt auf, wo Mythen und Traditionen Frauen das Leben schwer machen, protestiert, wenn Rechte beschnitten werden und fordert eine lebenswerte Welt für alle Mädchen und Frauen - gleichberechtigt, selbstbestimmt und frei! Unsere Schwerpunktthemen sind Häusliche und sexualisierte Gewalt, Zwangsheirat und Ehrverbrechen, weibliche Genitalverstümmelung, Frauenhandel und Zwangsprostitution. Der Verein wurde 1981 gegründet, die Bundesgeschäftsstelle befindet sich in Berlin.

Weitere Informationen unter:
www.frauenrechte.de

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Quelle:
Pressemitteilung vom 28. Januar 2015
Bundesgeschäftsstelle TERRE DES FEMMES e. V.
Brunnenstr. 128, 13355 Berlin
Telefon: 030 40504699-0, Fax: 030 40504699-99
E-Mail: info@frauenrechte.de
Internet: www.frauenrechte.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2015


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