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PROJEKT/192: Vietnam - Aufklärungsarbeit im Armenviertel


die zeitung - terre des hommes, 4. Quartal 2008

"Das Schweigen brechen..."
Vietnam: Aufklärungsarbeit im Armenviertel

Von Michael Heuer und Urte Tegtmeyer


Anh Nguyen zuckt mit den Schultern. "Das sind wohl die negativen Folgen der neuen Entwicklung." Doch hier, so fährt die Frau fort, sei die Lage besonders dramatisch. Die erfahrene Ärztin Anh Nguyen ist Leiterin eines Hilfsprojektes in Tan Quy, einem Stadtbezirk in der südvietnamesischen Metropole Ho Chi Minh Stadt. Vom großen Wirtschaftsaufschwung, den Vietnam in den letzten Jahren erlebte, ist hier in Tan Quy nicht viel zu spüren: Die Arbeitslosigkeit ist hoch, viele Jugendliche haben aus Mangel an Perspektiven die Schule abgebrochen. Andere lungern auf den Straßen herum, weil sie von zu Hause abgehauen sind. Der Bezirk gehört zu den ärmsten in der ganzen Stadt.

Es sind vor allem Familien aus den ländlichen Regionen im Norden Vietnams, die sich in Tan Quy angesiedelt haben. Sie alle träumen davon, am neuen Wohlstand in der Großstadt teilhaben zu können. Doch der Alltag in Tan Quy sieht anders aus: Prostitution, Gewalt, Drogenmissbrauch und Kriminalität breiten sich immer mehr aus. Mit den Drogen kam auch eine neue Bedrohung, von der vor allem Jugendliche betroffen sind: HIV und Aids. Mehrere tausend Jungen und Mädchen, so schätzt Ärztin Anh Nguyen von der Hilfsorganisation "Ho Chi Minh City Child Welfare Foundation" (HCWF), sind allein in diesem Bezirk akut gefährdet. Viele Jugendliche sind bereits an den Folgen der Immunschwäche gestorben. Nach neuesten Schätzungen sind in Vietnam 300.000 Menschen betroffen. In Tan Quy ist die Zahl der HIV-Infizierten besonders hoch. Obwohl die Regierung in den vergangenen Jahren zahlreiche Aufklärungskampagnen gestartet hat, wissen viele Menschen noch immer nicht, wie das Virus übertragen wird und wie man sich vor einer Ansteckung schützen kann.


Opfer nicht isolieren

Die Mitarbeiter des Projektes haben die Erfahrung gemacht, dass Aids noch immer ein Tabu-Thema in Vietnam ist. Betroffene werden sozial isoliert, angefeindet oder von der eigenen Familie verstoßen. Zu groß sind immer noch Ängste und Vorurteile. Daher setzt der langjährige terre des hommes-Partner HCWF auf ein zweigleisiges Angebot: Die verstärkte Aufklärung der Bevölkerung über HIV/Aids und die praktische Unterstützung gefährdeter Kinder und ihrer Familien. Dazu entsteht ein Netzwerk, in dem örtliche Frauen- und Jugendgruppen sowie Vertreter der Kommune eng zusammenarbeiten. Mädchen und Jungen werden darin geschult, ihr Wissen über die Immunschwächekrankheit an Gleichaltrige weiterzugeben. Schulabbrecher, die durch Vernachlässigung zu Hause oder das Zerbrechen der Familie auf die Straße getrieben wurden, werden unterstützt, damit sie wieder lernen und eine Ausbildung machen können. So soll verhindert werden, dass Jugendliche weiter in die Kriminalität abrutschen, zu Drogen greifen oder sich prostituieren.

Um Kindern das schwierige Thema altersgerecht näher zu bringen, veranstaltet HCWF außerdem Malwettbewerbe zu HIV und Aids. Die dabei entstehenden Bilder sollen möglichst viele Geschichten über das Leben mit Aids erzählen. "Das ist ein wichtiger Schritt, um das Schweigen zu brechen und die Isolation der Betroffenen zu verhindern", erklärt Anh Nguyen. Familien, in denen infizierte oder erkrankte Angehörige leben, erhalten regelmäßig Besuch von geschulten Beratern, die mit ihnen über Pflege, gesunde Ernährung, medizinische Versorgung und all die Fragen sprechen, die sich in dieser schwierigen Situation stellen. Innerhalb von drei Jahren will HCWF etwa 3.000 Kinder und Erwachsene mit den verschiedenen Angeboten erreichen und so die Ausbreitung von HIV im Bezirk Tan Quy eindämmen.


terre des hommes unterstützt die Arbeit der Ho Chi Minh City Child Welfare Foundation mit insgesamt 33.000 Euro.


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Quelle:
die zeitung, 4. Quartal 2008, S. 7
Herausgeber: terre des hommes Deutschland e.V.
Hilfe für Kinder in Not
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Tel.: 0541/71 01-0, Fax: 05 41/70 72 33
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Januar 2009