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PROJEKT/205: Südafrika - "A chance to play"... Unterstützung für benachteiligte Kinder


die zeitung - terre des hommes, 1. Quartal 2010

»A chance to play«
Südafrika: terre des hommes und der Volkswagen-Konzernbetriebsrat unterstützen benachteiligte Kinder

Von Athanasios Melissis


In kleinen Gruppen kommen die Kinder in das Stadion. Die Mädchen und Jungen sind aufgeregt, es geht drunter und drüber und dauert eine Weile, bis sich alle zu Mannschaften zusammengefunden haben. Wie jede Woche findet in einem armen Vorort von Port Elizabeth ein für alle Kinder des Viertels offenes Sporttraining statt. Doch diesmal ist es etwas Besonderes: Patrick Mbedi, ein ehemaliger Spieler des populären Johannesburger Fußballclubs Moroka Swallows, leitet das Fußballtraining. »Du musst dem Ball entgegengehen«, erklärt der Ex-Profi die Pass-Übungen. Aufmerksam hören die Zehn- bis 14-Jährigen zu. Auch der zwölfjährige Siyabonga ist mit großem Eifer bei der Sache. Wie viele andere spielt er barfuß und in seiner Schuluniform. Sportkleidung ist für viele Familien ein Luxus, den sie sich nicht leisten können. Den Kindern macht das jedoch wenig aus, mit hohem Tempo dribbeln sie durch den Hütchenparcours und köpfen sich gegenseitig die Bälle zu. »Für die jetzige Fußball-Weltmeisterschaft bin ich noch zu jung«, lacht Siyabonga. »Aber bei der WM 2018 will ich auf jeden Fall mitspielen.«


Eine WM für alle

Groß war die Begeisterung in Südafrika, als die FIFA seinerzeit beschloss, die Weltmeisterschaft in dem Land am Kap austragen zu lassen. Doch schnell wurde klar: Die WM muss ein Großereignis werden, von dem alle etwas haben. Daher beschlossen der Volkswagen-Konzernbetriebsrat und terre des hommes, in Südafrika ein dreijähriges Sonderprojekt ins Leben zu rufen. Die Erfahrung war bereits vorhanden: Seit mehr als zehn Jahren werden über die Aktion »Eine Stunde für die Zukunft« mit Spenden der Volkswagen- und Audi-Belegschaften Projekte für Straßenkinder umgesetzt. Mit Blick auf die diesjährige Fußball-WM werden seit 2008 unter dem Motto »A chance to play« neue Angebote geschaffen, mit denen sozial benachteiligten Mädchen und Jungen bessere Spiel- und Sportmöglichkeiten eröffnet werden. Die Projekte werden in Port Elizabeth, dem Produktionsstandort von Volkswagen Südafrika, in Johannesburg und in der ländlichen Region Limpopo im Norden des Landes durchgeführt. Neben Fußball wird das in Südafrika sehr populäre Rugby angeboten, aber auch Volley- und Korbball sowie traditionelle afrikanische Spiele.

»A chance to play« betont eines der grundlegenden Rechte von Kindern - das Recht zu spielen. Dieses Recht ist auch in Artikel 31 der UN-Konvention über die Rechte des Kindes verankert. Spielen umfasst immer Elemente des Lernens und der Persönlichkeitsentwicklung, es erlaubt Kindern, ihre Welt und ihre eigenen Fähigkeiten zu entdecken und gegenseitig Erfahrungen auszutauschen. »Durch Spiel und Sport lernen Kinder Fairness und das Einhalten von Regeln«, erklärt Claudia Berker, die das Programm für terre des hommes in Südafrika koordiniert. »Das hat in mehrfacher Hinsicht auch vorbeugende Wirkung: Kinder, die in der Lage sind, einer sinnvollen Freizeitbeschäftigung nachzugehen, sind weniger dem Risiko von Missbrauch ausgesetzt und kommen weniger in die Versuchung, sich kriminellen Gruppen anzuschließen.« Über Sport und Spiel erreicht Kinder und Jugendliche mit weitergehenden Angeboten. Es gibt Bildungsprogramme, die Kindern und Jugendlichen berufspraktische Kompetenzen vermitteln, aber auch Schulungen zu Themen, die den Alltag von Heranwachsenden in Südafrika unmittelbar betreffen: Schutz vor HIV und Aids, gesunder Lebensstil oder der Umgang mit Gewalt.


Sportplätze und Spielbibliotheken

Um Sport und Spiel anzubieten, mussten zunächst einige Voraussetzungen geschaffen werden. Dafür sind in den letzten drei Jahren acht Sportplätze, mehrere Spielplätze und sogenannte Spielbibliotheken gebaut oder instand gesetzt worden. Einer der Sportplätze befindet sich im Johannesburger Stadtteil Hillbrow. Auf dem Vorplatz einer ehemaligen Kaserne mitten zwischen den Häuserschluchten ist mit von »A chance to play« finanzierten Toren, Bällen und Basketballkörben ein Sportplatz entstanden. Die Gegend ist alles andere als einladend. Die Menschen sind arm, die Kriminalitätsrate und der Drogenkonsum sind sehr hoch, ein Fleckchen Grün sucht man vergeblich. Auch Orte, an denen Kinder gefahrlos spielen können, waren bislang Mangelware. Doch nun jagen auf dem kleinen Sportplatz ein Dutzend Kinder einem Ball hinterher. Es geht lebhaft zu, die Kinder schreien und lachen. Am Rand des Spielfeldes stehen mehrere Mädchen und Jungen, die auf ihre Einwechslung warten. Wie jeden Nachmittag ist Betreuer Elliot Hluthwa anwesend, der für »A chance to play« als Sportkoordinator tätig ist. »Dies ist nicht nur ein Spielplatz. Die Kinder kommen auch zu mir, um mir ihre Probleme zu erzählen. Und das ist gut so. Ich will nicht, dass sie sich auf der Straße herumtreiben und von Kriminellen beeinflusst werden«, erklärt der engagierte Betreuer und betont: »Wir können den Kindern hier auch etwas beibringen - sie sind die Zukunft, wir müssen uns um sie kümmern.«


Internationale Unterstützung

Auf 1,2 Millionen Euro belief sich die Summe für das Projekt, als mit »A chance to play« begonnen wurde. Inzwischen sind weitere 170.000 Euro dazugekommen. Zunächst waren es vor allem die Werke in Deutschland, in denen die Beschäftigten Spendenaktionen organisierten. Mittlerweile beteiligen sich auch die Beschäftigten vieler internationaler Standorte: Audi Brüssel, Skoda Tschechien, Volkswagen Slowakei und sogar Volkswagen China. Auch der VfL Wolfsburg hat seinen Teil zum Gelingen des Projekts beigetragen: Anfang Januar hielt der amtierende deutsche Meister ein Trainingslager in Port Elizabeth ab. Die Spieler Grafite, Benaglio und Co besuchten die »A chance to play«-Projekte und trainierten gemeinsam mit den Kindern in einem Armenviertel.

Mit langfristiger Arbeit Wirkung erzielen - das ist das Leitmotiv der Kooperation von terre des hommes und dem Volkswagen Konzernbetriebsrat. »Deshalb werden wir, wenn die WM vorüber ist, die Projekte nicht einfach auslaufen lassen und die Kinder wieder nach Hause schicken«, so die Projektkoordinatorin Claudia Berker. »Die Projekte und die Aktivitäten sollen möglichst über 2010 hinaus erhalten bleiben. Beispielsweise sind wir gerade dabei, Fußballteams, die in unseren Projekten entstanden sind, in die lokalen Ligen zu integrieren.« Ein weiterer wichtiger Baustein für die Nachhaltigkeit ist das vor kurzem veröffentlichte »A chance to play-Manual«. Das Manual ist ein Buch, für das zahlreiche Organisationen, die mit Kindern arbeiten, Spielideen für Kinder zusammengetragen haben. Das besondere daran: Alle Spiele funktionieren ohne teures Spielgerät und mit geringem Aufwand, so dass auch Familien, die für Spielsachen kein Geld übrig haben, ihre Kinder kurzweilig und sinnvoll beschäftigen können. Die Organisationen wollen künftig landesweit bei Schulen, Kindergärten und ähnlichen Institutionen das Manual bewerben. So wird »A chance to play« auch lange nach der Weltmeisterschaft noch vielen Kinder Spaß und Freude bereiten.


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Quelle:
die zeitung, 1. Quartal 2010, S. 3
Herausgeber: terre des hommes Deutschland e.V.
Hilfe für Kinder in Not
Ruppenkampstraße 11a, 49084 Osnabrück,
Tel.: 0541/71 01-0, Fax: 05 41/70 72 33
E-Mail: info@tdh.de
Internet: www.tdh.de

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4 Mal jährlich. Der Verkaufspreis wird durch Spenden
abgegolten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. März 2010