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AUTOREN/035: Friedrich von Schiller - Arzt, Dichter, Historiker und mehr (Uni-Journal Jena)


Uni-Journal Jena - Nr. 01 - Sommersemester 2009

Weder Kaufmann noch Kapuziner
Friedrich von Schiller - Arzt, Dichter, Historiker und mehr

Von Uschi Lenk


Ein Porträt über einen der Größten der Weltliteratur, in einem Atemzug genannt mit William Shakespeare und Johann Wolfgang von Goethe? Eine Lebensskizze - mehr kann es kaum sein - über einen Genius? Was lässt sich sagen, was nicht schon bekannt ist? Nichts! Also: Eine eher persönliche Annäherung an Friedrich von Schiller - dem Mediziner und Philosophen, Dichter und Herausgeber, Goethe-Intimus und Professor, der durch die Umstände seiner Zeit aber auch zum Rechtsbrecher und Flüchtling wurde, zu seinem 250. Geburtstag am 10. November 2009.

Meine erste Begegnung mit seinem Werk liegt beinahe 50 Jahre zurück. "Das Lied von der Glocke" brachte mir eine miese Note im Literaturunterricht. Angeblich hatte ich "die produktive Arbeit und den Frieden, die Schiller in seinen Versen preist", nicht richtig interpretiert und die "ins Philisterhafte abgleitende Idylle" nicht entsprechend verurteilt. Den Dichter näher brachten mir nur wenig später Inszenierungen von "Kabale und Liebe", "Die Räuber" und "Maria Stuart", unter anderem am Deutschen Nationaltheater Weimar, dem einstigen Hoftheater, an dem viele Dramen Schillers uraufgeführt wurden.

Näher jedoch kam ich Schiller in Jena. Sein Wohnhaus im Schillergässchen zog mich in den Bann und die "Gartenzinne", die suggeriert, der Hausherr habe nur mal eben den Raum verlassen. "Ich habe dir also von Jena zu erzählen...", schreibt der Dichter an seinen Freund Körner, als er 1787 kurz in der Saalestadt weilt. Schon damals lobt er die freie Atmosphäre der Universitätsstadt und tat "ein Gelübde", sie "nicht zum letztenmal gesehen zu haben". Zwei Jahre später löst er dies ein, lebt zehn Jahre und damit die längste zusammenhängende Zeit seines nur 45 Jahre kurzen Lebens in Jena. Eine unbesoldete Professur für Geschichte an der hiesigen Universität, die er durch Fürsprache Goethes beim Herzog von Sachsen-Weimar erhielt, ist der Anlass. Eine Aufgabe, die dem 29-Jährigen nicht ganz recht ist. Zum einen fürchtet er, weniger schreiben zu können. Seine anderen Bedenken: "Mancher Student weiß vielleicht schon mehr Geschichte als der Herr Profeßor." Doch er besteht am 26. Mai 1789 "das Abenteuer auf dem Katheder rühmlich und tapfer". Fast 400 und damit mehr als die Hälfte der damaligen Jenaer Studenten wollen den berühmten " Räuber"-Dichter hören, bringen ihm gar eine Nachtmusik und ein dreifaches Vivat als Ständchen. Eine "elende Zänkerey" allerdings bereitet ihm Verdruss: Die Edition seiner Vorlesung weist ihn als "Professor der Geschichte" aus. Das ruft die Ordinarien auf den Plan und er wandelt es in "Professor der Philosophie".

In Jena wurde Schiller endlich sesshaft. Er war überzeugt, dass ihm "kein Ort in Deutschland" das sein würde, "was Jena und seine Nachbarschaft mir ist". Tatsächlich wird Jena für ihn eine sehr produktive Schaffensperiode. Er lehrt nicht nur an der Universität, arbeitet für verschiedene Zeitschriften, verfasst seine Aufsätze zur Ästhetik. Dort schreibt er an seinen unvergänglichen Balladen, entsteht mit "Wallenstein" eines seiner bedeutendsten Werke, nimmt seine "Maria Stuart" Konturen an, schließt er bei einem Aufenthalt 1801 "Die Jungfrau von Orleans" ab. Er pflegt Kontakte zu den Geistesgrößen der Stadt, besiegelt 1794 seine fortan enge und literarisch fruchtbare Freundschaft mit Goethe. Und er heiratet 1790 in der Kirche von Wenigenjena Charlotte von Lengefeld. Sie und ihre Schwester Caroline lernt er 1787 in Rudolstadt kennen. Mehrere Monate dauert die glückliche Dreiecksbeziehung. "Ich habe meine Empfindungen durch Vertheilung geschwächt, und so ist das Verhältniß innerhalb der Grenzen einer herzlichen Freundschaft", bekennt er. Letztlich gibt er der jüngeren Charlotte den Vorzug, die ihm in Jena drei der vier Kinder schenkt.


Über Nacht berühmt

Des Dichters Leben in der Zeit zuvor ist rastlos. Von Herzog Karl Eugen von Württemberg in dessen Militärakademie gezwungen, studiert er zunächst Jura, dann Medizin, wird 1780 Regimentsarzt in Stuttgart. Im gleichen Jahr vollendet Schiller, der bereits in Schultagen die Literatur für sich entdeckte und sich mit 13 Jahren erstmals als Dramatiker versuchte, sein von rebellischem Geist geprägtes Stück "Die Räuber". Dessen Premiere im Januar 1782 am Mannheimer Theater sorgt für Furore und macht den Dichter, der der Uraufführung im Kurpfälzischen unerlaubt beiwohnt, über Nacht berühmt. Trotz des Erfolgs verbietet der Herzog dem 22-Jährigen, weiterhin Komödien "und dergleichen Zeug" zu schreiben. Schiller sucht sein Heil in der Flucht, die er als erlaubt ansieht, "wenn man Tyrannen flieht". Mannheim, später auf Einladung Henriette von Wolzogens Bauerbach, wo er in Ruhe arbeiten kann, sind die wichtigsten Stationen.

"Bruder...ich habe Menschen gesehen, ihre Bienensorgen und ihre Riesenprojekte - ihre Götterpläne und ihre Mäusegeschäfte...", lässt Schiller seinen "Räuber"-Helden Karl Moor sagen. Zwischen Götterplänen und Mäusegeschäften verläuft auch des Dichters eigener Weg als einer der ersten freien Schriftsteller, der von den Einnahmen aus seinen Werken leben will. Auf der einen Seite stehen seine großen Ideale, auf der anderen das alltägliche Leben mit all seinen Problemen. "Zum Kaufmann schicke ich mich überhaupt so wenig als zum Kapuziner", bekennt der 1802 in Weimar geadelte Dichter, den Zeit seines Lebens Geldnot und Krankheit begleiteten. Letztere bricht 1790/91 aus - eine Lungenentzündung, der eine Rippen- und eine chronische Bauchfellentzündung folgen. Doch er verzagt nie, obwohl man ihn bereits zu Lebzeiten einmal totsagt. "Ich habe mehr als einmal dem Tod ins Gesicht gesehen, und mein Mut ist dadurch gestärkt worden", meint er trotzig.

"Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze", weiß der Dichter, der als Mann mit sanften Augen und stolzen Bewegungen beschrieben wird, der "nicht eigentlich schön" spricht, dessen Geist aber immer "in Schärfe und Bestimmtheit einem neuen geistigen Gewinn" zustrebt.

Nachdem Schiller 1799 aus dem Lehrkörper der Jenaer Universität ausgeschieden ist, zieht es ihn nach Weimar. Fünfeinhalb Lebensjahre sind ihm dort noch vergönnt, und in jedem verfasste er ein Drama. Als letztes vollendetes Drama erlebt "Wilhelm Tell" am Hoftheater seine Uraufführung und wird zu Schillers größtem Triumph zu Lebzeiten. Als er am 9. Mai 1805 stirbt, liegt ein pralles Leben im "tintenklecksenden Säkulum" hinter ihm. "Die ihm näher waren, vergessen in diesem Augenblicke den großen Schriftsteller; sie beweinen den edlen und verständigen, den durchaus geläuterten und liebenswürdigen Mann", hieß es in einem Nachruf der Jenaer Allgemeinen Literatur-Zeitung.


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Quelle:
Uni-Journal Jena Nr. 01, Sommersemester 2009, S. 35
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2009