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GRENZEN/144: Hunderte unbegleitete geflüchtete Kinder sind in Griechenland schutzlos dem Winter ausgeliefert (Oxfam)


Oxfam - Pressemitteilung vom 13. Dezember 2017

NGO-Bericht: Hunderte unbegleitete geflüchtete Kinder sind in Griechenland schutzlos dem Winter ausgeliefert

Chronische Mängel bei der Versorgung von Flüchtlingen und dem Zugang zum Asylverfahren


Mehr als 2.000 unbegleitete geflüchtete Kinder stehen in Griechenland derzeit auf Wartelisten für sichere Unterkünfte und befinden sich angesichts des nahenden Winters in akuter Gefahr. Dies ist ein zentrales Ergebnis eines aktuellen Berichts von 12 Nichtregierungsorganisationen (NGO), darunter Oxfam, CARE und IRC (International Rescue Committee). Der chronische Mangel an geeigneten Unterkünften ist nur einer der vielen Probleme bei der Versorgung Geflüchteter, die derzeit offenbar werden. Dabei soll die griechische Regierung in Kürze die volle Verantwortung für die Flüchtlinge im Land übernehmen.

Der Bericht liefert eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation von Flüchtlingen sowohl auf den griechischen Inseln als auch auf dem Festland und richtet konkrete Forderungen an die griechische Regierung, die Europäische Union und EU-Mitgliedsstaaten sowie an die Vereinten Nationen. Nur so können die aktuellen Probleme bei der Versorgung der geflüchteten Menschen, bei ihrem Zugang zu Asylverfahren und bei der Integration in die griechische Gesellschaft gelöst werden.

Untragbare Zustände auf den griechischen Inseln

Trotz verstärkter Anstrengungen, Geflüchtete auf das Festland zu bringen, sind die Aufnahmeeinrichtungen auf den griechischen Inseln nach wie vor massiv überfüllt. Zahlreiche Familien müssen in ungeheizten Zelten schlafen und sind so dem bevorstehenden Wintereinbruch schutzlos ausgesetzt. Der Mangel an medizinischem Personal gefährdet ihre Gesundheit zusätzlich und fehlende Rechtsberatung trägt zur extremen Verschleppung von Asylverfahren bei. Unbegleitete Kinder müssen immer häufiger in Polizeizellen, unsicheren Unterschlüpfen oder auf der Straße übernachten, da es zu wenige geeignete Unterbringungsplätze gibt.

Die NGOs fordern in ihrem Bericht, dass Menschen von den Inseln kontinuierlich in Unterkünfte auf dem Festland gebracht werden müssen, sobald die Kapazität der Aufnahmezentren auf den Inseln ausgeschöpft ist. Sie fordern außerdem alle EU-Mitgliedsstaaten auf, sich ihrer rechtlichen und moralischen Verantwortung zu stellen, Asylanträge im eigenen Land zuzulassen und die am meisten schutzbedürftigen Personen in andere europäische Staaten zu bringen.

Mehr Engagement der Vereinten Nationen nötig

Der Bericht empfiehlt Nichtregierungsorganisationen und der griechischen Regierung, mehr in Programme zur Förderung von Toleranz und Integration zu investieren und griechische Gemeinden stärker zu fördern, die bisher die Hauptlast bei der Flüchtlingsaufnahme getragen haben. Die Vereinten Nationen sind aufgerufen, ihr Engagement in Griechenland zu verstärken und vor allem für bessere Winterquartiere zu sorgen. Sie müssen ferner verhindern, dass die Standards bei der Unterbringung und Versorgung Geflüchteter auf den Inseln gesenkt werden.

Nicola Bay, Leiter des Griechenland-Programms der Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam: "Die griechische Regierung muss jetzt Verantwortung übernehmen und Lehren aus früheren Fehlern ziehen. Sie muss schleunigst Geflüchtete aus den überfüllten Einrichtungen auf den Inseln herausholen, bevor der Winter über die schutzlosen Menschen hereinbricht. Das Elend, das hier seit über zwei Jahren herrscht, muss endlich enden."

Jana Frey, Landesdirektorin von IRC (International Rescue Committee) in Griechenland: "Im Moment sind die Sicherheit und das Wohlergehen der über dreitausend Kinder, die ohne Familie allein in Griechenland leben, von größter Bedeutung. Nur etwa eintausend der Kinder sind in passenden Unterkünften untergebracht. Der Rest steht auf Wartelisten, wobei Hunderte von Kindern auf der Straße schlafen. Die griechische Regierung muss dringend zusätzliche Schutzräume finanzieren, zumal die Anzahl der verfügbaren Unterkünfte im August dieses Jahres weiter reduziert wurde."

Aleksandra Godziejewska, Länderdirektorin von CARE in Griechenland: "Obwohl sie im selben Land Schutz suchen, sind die Umstände, unter denen Asyl- und Schutzsuchende auf dem Festland und auf den Inseln leben, extrem unterschiedlich. Wir begrüßen daher die geplante Entlastung der Inseln und rufen die griechische Regierung dazu auf, Strategien umzusetzen, um die Ausgrenzung und Marginalisierung aller Flüchtlinge im Prozess der Integration zu verhindern."



Weiterführende Informationen:

• Der Bericht "Transitioning to a government-run refugee and migrant response in Greece: A roadmap for more fair and humane policies" wurde von folgenden Organisationen gemeinsam verfasst: Actionaid, CARE, DRC, Greek Helsinki Monitor, HIAS, IRC, JRS, Oxfam, Solidarity Now, Spanish Commission for Refugees (CEAR) und Terre des hommes.

• Mehr als 2.100 unbegleitete geflüchtete Kinder stehen derzeit auf Wartelisten für sichere Unterkünfte auf den griechischen Inseln (https://data2.unhcr.org/en/documents/download/60843); jeden Monat kommen mindestens 100 hinzu. Die griechische Regierung hatte zum 1. August 2017 die Verantwortung für die Finanzierung dieser Unterkünfte übernommen. Doch mindestens vier von ihnen haben Finanzierungsprobleme und müssen möglicherweise kurzfristig schließen. Dadurch würden weitere Kinder gezwungen, in Polizeizellen, unsicheren Unterkünften oder auf der Straße zu schlafen.

• Ende Juli 2017 übernahm die griechische Regierung die Verantwortung für die Unterstützung Geflüchteter auf den griechischen Inseln von der Generaldirektion für humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz der EU (ECHO). Einige Hilfsorganisationen haben ihre Einsätze in Griechenland beendet oder heruntergefahren, wodurch Engpässe bei wichtigen Dienstleistungen entstanden sind, etwa in der Gesundheitsversorgung.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 13. Dezember 2017
Oxfam Deutschland e.V.
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
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E-Mail: info@oxfam.de
Internet: www.oxfam.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Dezember 2017

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