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GRENZEN/157: Menschenverachtender Flüchtlingspolitik die Stirn bieten - Das Ungarische Helsinki Komitee (Pro Asyl)


Pro Asyl - 3. September 2018

Menschenverachtender Flüchtlingspolitik die Stirn bieten:

Das Ungarische Helsinki Komitee


Ungarn verweigert Schutzsuchenden in den geschlossenen Transitzentren an der serbischen Grenze das Essen. Das Ungarische Helsinki Komitee erstreitet die Essenversorgung vor dem Menschenrechtsgerichtshof. Einer von vielen Gründen, wieso die Stiftung PRO ASYL am 8. September der ungarischen Organisation ihren Menschenrechtspreis verleiht.

Einen Asylantrag in Ungarn können Schutzsuchende nur noch in den zwei Transitzonen an der serbisch-ungarischen Grenze stellen. Seit Januar 2018 wird pro Tag und pro Transitzone nur einem Asylsuchenden Einlass gewährt. Die Liste der durch Orbán-Regierung verletzten Rechte ist lang. Selbst die Europäische Kommission sah sich am 17. Juli 2018 zur einer härten Gangart gezwungen: »Die Europäische Kommission hat heute beschlossen, Ungarn vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zu verklagen, weil die Asyl- und Rückführungsvorschriften des Landes nicht mit dem EU-Recht vereinbar sind.«

Trotz weiterer Schritte in Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn verschärfte die Orbán-Regierung ihre flüchtlingsfeindliche Politik im August 2018: Allen abgelehnten Asylsuchenden in den Transitzonen, auch denen, die gegen die negative Bescheide klagen, wird die Essensversorgung entzogen. Aushungern - so sieht eine der Konsequenzen des erneuten verschärften Asylrechts in Ungarn aus. Mit Eilanträgen an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat das Ungarische Helsinki Komitee der Verweigerung der Nahrungsmittelversorgung vorerst ein Ende bereitet. Am 23. August 2018 gab die zuständige Behörde in Ungarn bekannt, dass sie die Versorgung für alle Schutzsuchende in den geschlossenen Lagern wieder sicherstellen wird.

Wer klagt, bekommt nichts zu essen

Mitte August wurde eine weitere Verschärfung des bereits verstümmelten ungarischen Asylrechts umgesetzt. Nunmehr reicht die bloße Durchreise durch Serbien, um ein Schutzgesuch als »unzulässig« abzulehnen. Die abgelehnten Asylsuchenden werden verpflichtet, das Land umgehend zu verlassen. Klagen sie, müssen sie bis zur Entscheidung in der abgeschlossenen Transitzone bleiben, bekommen aber nichts mehr zu essen. Die Asylbehörde, Betreiber der Transitzonen, verweigert den abgelehnten Asylsuchenden mit Ausnahme von Kindern und stillenden Müttern die Nahrung, nach dem Motto: »Geht nach Serbien, da könnt ihr essen.« Humanitären Hilfsorganisationen wird zeitgleich der Zugang zu den Transitzonen verweigert.

Essen? Nur auf gerichtliche Anordnung!

Das Ungarische Helsinki Komitee unterstützt die betroffenen Asylsuchenden bei der Durchsetzung ihrer fundamentalen Rechte. In drei Fällen, die insgesamt acht Personen betrafen, reichte die Menschenrechtsorganisation einen Eilantrag gegen die Abschiebung nach Serbien und zur Sicherstellung der Ernährung der betroffenen Personen beim Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg ein. Dieser reagierte prompt und ordnete die Sicherstellung der Ernährung sowie den Stopp der Ausweisung an.

• Eine fünfköpfige afghanische Familie, das jüngste Familienmitglied ist ein drei Monate alter Säugling, stellte am 10. Juli 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz im Transitzentrum Röszke. Sie musste vorher zwanzig Monate in Serbien auf den Zugang zum Transitzentrum warten. In dieser Zeit mussten sie unter höchst prekären Umständen in Serbien leben. Auf Grundlage der neuen Unzulässigkeitsbestimmungen wurde ihr Antrag am 8. August abgelehnt. Die Flüchtlingsfamilie wurde angewiesen, bis zur Ausreise nach Serbien im Transitzentrum zu bleiben. Die stillende Mutter und die kleinen Kinder erhielten Nahrung, durften allerdings nichts mit dem Vater teilen.

• Der Asylantrag zweier Brüder aus Syrien wurde am 9. August 2018 zurückgewiesen. Nachdem der erste Eilantrag vor dem EGMR erfolgreich war, erhielten sie wieder Essen. Als sie am Morgen des 14. August frühstücken wollten, wurde dieses mit der Begründung verweigert, dass sie zunächst eine einstweilige Anordnung beim EGMR beantragen müssten.

Pro Asyl - Menschenrechtspreis für HHC

Rechtsstaatlichkeit und fundamentale Menschenrechte wie das Recht auf Leben, das Recht auf Asyl stehen in Ungarn zur Disposition. Trotz der zunehmenden Bedrohung und den Kriminalisierungsversuchen zeigt das Hungarian Helsinki Committee (HHC) weiterhin der Orbán-Regierung die Stirn. Die Stiftung PRO ASYL würdigt die herausragende Menschenrechtsarbeit des HHC. Am 8. September zeichnet die Stiftung PRO ASYL die beiden Vorsitzenden des HHC, Márta Pardavi und András Kádár, mit ihrem Menschenrechtspreis aus. Der Preis der Stiftung PRO ASYL ist mit 5.000EUR dotiert. Die Preisverleihung findet am 8. September in Frankfurt am Main statt. (mz)


URL des Artikels auf der Pro Asyl-Homepage:
https://www.proasyl.de/news/menschenverachtender-fluechtlingspolitik-die-stirn-bieten-das-ungarische-helsinki-kommitee/

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Quelle:
Pro Asyl, 3. September 2018
Postfach 160 624, 60069 Frankfurt/M.
Telefon: +49 (0) 69 - 24 23 14 - 0, Fax: +49 (0) 69 - 24 23 14 72
E-Mail: proasyl@proasyl.de
Internet: www.proasyl.de
mit freundlicher Genehmigung von Pro Asyl


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. September 2018

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