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FRAGEN/013: Die EU - ein Werkzeug zur Verteidigung des Profits (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 13 vom 27. März 2015
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Die EU - ein Werkzeug zur Verteidigung des Profits
Polen: Sozialdumping, wirtschaftliche Abhängigkeit und Antikommunismus

Interview mit Beata Karon (Stellvertretende Vorsitzende des Zentralkomitees der KP Polens - KPP) von Günter Pohl


UZ: Polen gehört zu den europäischen Ländern, die begeistert in die Europäische Union eingetreten sind. Was ist von dieser Begeisterung geblieben?

Beata Karon: Im Jahr 2003, als Polen der EU beigetreten ist, hatten die meisten Menschen große Erwartungen. Heute wissen sie, dass diese Erwartungen falsch waren. Vorübergehend sank die Arbeitslosigkeit, aber nur aufgrund gewachsener Migration in die Schengen-Staaten und nach Großbritannien. Schätzungsweise mehr als 1,5 Millionen meist junge Polen sind auf der Suche nach besseren Arbeitsbedingungen und sozialen Standards ausgewandert. Heute, wo ganz Europa unter der kapitalistischen Krise leidet, steigt die Arbeitslosigkeit in Polen wieder. Außerdem sollten wir nicht vergessen, dass 13 Jahre nach dem EU-Beitritt Polens Wirtschaft die eines Peripherielandes ist.

Heute steht Polen nach Spanien nach der Anzahl der "Junk-Arbeitsplätze", die nicht auf einer Anstellung, sondern auf anderen Vertragsarten beruhen, an zweiter Stelle unter den EU-Ländern. Es geht um erzwungene Selbstständigkeit, vor allem in der Bauindustrie und bei den Dienstleistungen. Diese Werktätigen sind nicht durch das Arbeitsrecht geschützt, verdienen wenig und arbeiten unter schlechten Bedingungen.

Die Schere zwischen den Einkommen klafft immer weiter auseinander, eine kleine Wirtschaftselite profitiert von den internationalen Handels- und Finanzbeziehungen, aber eine wachsende Zahl von Armen und Arbeitern kann kaum mehr ihren Lebensunterhalt verdienen. Themen wie nicht ausreichende soziale Sicherheit, kaum bezahlbare Wohnungen oder niedriges Arbeitslosengeld bleiben ein Problem. In Polen fallen die sozialen Standards weiter hinter die der "alten" EU-Länder zurück. Wir sind Zeugen eines typischen kapitalistischen Mechanismus, des Sozialdumpings.

Die EU ist nur ein Werkzeug der Krisenbewältigung und der Verteidigung des Kapitals und des Profits. Hinter Phrasen von Demokratie ist es das wirkliche Ziel der Union, die Armen auszubeuten, den Imperialismus zu stärken und die neokoloniale Abhängigkeit vieler Länder zu bewahren - man denke nur an Libyen, den Tschad und Mali.

UZ: Wie tief steckt Polen in der kapitalistischen Krise? Wie seht ihr die Rolle Deutschlands in der EU?

Beata Karon: Die Wirtschaft Polens ist in hohem Maße abhängig von der und eingebunden in die Deutschlands. Es gibt zum Beispiel Opel-Werke und andere deutsche Fabriken. Im Falle einer Krise werden sie als erste geschlossen. Über 24 Prozent der polnischen Exporte gehen nach Deutschland, damit wäre der Verlust des deutschen Marktes eine Katastrophe für viele polnische Unternehmen.

Wir stehen der deutschen Politik in der Krise sehr kritisch gegenüber. Sie setzt in den von der Krise betroffenen schwächeren Ländern Sparmaßnahmen durch, vor allem in Griechenland, Spanien und Italien. Deutschland gehört zu den führenden kapitalistischen Mächten Europas und nutzt seine Position gegen die schwächeren Volkswirtschaften anderer Länder. Wir machen uns keine Illusionen, das Deutschland möglicherweise ähnliche Instrumente gegen Polen einsetzen wird. Wir sehen, dass es zwei Möglichkeiten der Bewältigung der Krise gibt: Die strengen Vorgaben durch Deutschland oder die die sanftere sozialdemokratische Variante. Wir lehnen beide als sozial ungerecht ab.

UZ: Was bleibt von den Erfahrungen des Sozialismus in eurem Land? Sind sie im Gedächtnis der Menschen geblieben?

Beata Karon: 1989 ist der Sozialismus in Polen im Ergebnis einer Übereinkunft zwischen führenden Gruppen der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei, die den Sozialismus verraten haben, und der sogenannten "demokratischen Opposition" zusammengebrochen. Fast alle neuen politischen Kräfte einschließlich der von ehemaligen Mitgliedern der PVAP geführten Sozialdemokraten unterstützten die Einführung des Kapitalismus. Das war mit einer antikommunistischen Propagandakampagne verbunden, die die Geschichte fälschte und den Kapitalismus als einzige Lösung darstellte.

Dennoch erinnern sich viele Polen noch an das sozialistische Systems und beurteilen es positiv. Das ist vor allem der Ansatz der Älteren. Die Jugend weiß nichts mehr vom sozialistischen System. Sie wissen nur einige Bruchstücke, zum Beispiel, dass es keine Arbeitslosigkeit und keine Obdachlosen gab. Sie sind der antikommunistischen Propaganda ausgesetzt. Wir müssen ihnen die Ideen und Mechanismen des Sozialismus erklären - wie er funktioniert, damals und in der Zukunft.

UZ: Morgen findet euer 4. Parteitag statt. Welche aktuellen Hauptaufgaben hat die KPP?

Beata Karon: Ich hoffe, dass der 4. Parteitag der KPP die Linie der Unterstützung sozialer Kämpfe und Politik, unabhängig von anderen politischen Parteien und Wahlbündnissen, bestätigen wird. Die KPP unterstützt Streiks und gewerkschaftliche Proteste, Aktionen gegen die Abschaffung des 8-Stunden-Arbeitstages und die Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre. Wir wenden uns auch gegen den in Polen erstarkenden Militarismus und Nationalismus. Wir verteidigen Denkmäler der Roten Armee und der Arbeiterbewegung, die die Behörden schleifen wollen. Mitglieder unserer Partei beteiligen sich an Initiativen zur Verteidigung der Traditionen der Arbeiterbewegung. Wir müssen unsere Propaganda in der Arbeiterklasse und der Jugend verstärken und unsere Parteistrukturen ausbauen. Wir veröffentlichen unsere Monatszeitschrift "Brzask". Unsere Aufgabe ist auch, soziale Proteste zu verstärken. Heute sind die Arbeiter gespalten und haben keine Vertretung. Fast alle politischen Parteien konzentrieren sich auf die Interessen der privilegierten Klassen.

UZ: Eure Partei ist kein Mitglied der Europäischen Linkspartei (ELP). Wie ist eure Einschätzung dieser Partei?

Beata Karon: Die ELP versucht ihre opportunistische Politik hinter revolutionären Losungen zu verstecken. Das ist nichts anderes als klassische Sozialdemokratie mit Illusionen einer Reform oder "Humanisierung" des Kapitalismus. Hauptparteien der ELP wie "Die Linke" oder Syriza wollen das kapitalistische System nicht überwinden. Sie wollen die EU als einen "progressiven" Staatenbund, der Wohlstand und Frieden garantiert. Es ist eine gefährliche Illusion, die die Menschen von den wirklichen Problemen des Kapitalismus ablenkt. Es kann kein "gerechtes Europa" ohne Sturz des Systems und soziale Revolution geben. Die Positionen der Europäischen Linkspartei präsentieren den Menschen die falsche Perspektive, dass es einen Mittelweg zwischen Kapitalismus und Sozialismus gäbe. Hauptziel der ELP ist, so viele Sitze wie möglich in den nationalen Parlamenten und dem EU-Parlament zu erreichen.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 47. Jahrgang, Nr. 13 vom 27. März 2015, Seite 7
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. April 2015

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