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ITALIEN/004: Erneut Gefängnis für Berlusconi (Gerhard Feldbauer)


Erneut Gefängnis für Berlusconi

Auf den korrupten Ex-Premier warten noch mehrere Prozesse

von Gerhard Feldbauer, 11. März 2013



Knapp zwei Wochen nach den Parlamentswahlen, bei denen der wegen zahlreicher krimineller Vergehen angeklagte Milliardär und Ex-Premier Berlusconi mit seiner Koalition einen zweiten Platz belegte, hat ein Mailänder Gericht ihn jetzt wegen einer illegalen Abhöraffäre zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. 2005 hatte der damalige Regierungschef Amtsmissbrauch begangen, indem er ein illegal abgehörtes Telefongespräch über eine von der Versicherungsgesellschaft Unipol geplante Bankenübernahme in seinem Hausblatt "Il Giornale" publik machte. Ein Abgeordneter der Mitte Links-Koalition unter Romano Prodi hatte den Bankendeal begrüßt. Unipol-Chef Giovanni Consorte, ein Anhänger Prodis, wurde wegen Insiderhandels verurteilt. Berlusconi wollte der bei den Wahlen 2006 gegen ihn antretenden Koalition Prodis, die die Kommunisten einschloss, öffentlich schaden.

Bereits im Oktober 2012 war der Mediendiktator wegen Steuerbetrug, Führung von Scheinfirmen und schwarzer Kassen im Ausland in erster Instanz zu vier Jahren Gefängnis und zur Zahlung von zehn Mio Euro an die Staatskasse verurteilt worden. Die "Financial Times" hatte 2001 von 64 zur Berlusconi-Holding Fininvest gehörenden Auslandsfirmen, die den Aufsichtsbehörden verschwiegen worden seien, berichtet.


Drei Millionen Euro für Kauf eines Senators

Mehrere Verfahren gegen den Ex-Premier laufen noch oder stehen vor der Wiederaufnahme, darunter ein Prozess wegen Geschlechtsverkehrs mit einer Minderjährigen und wiederum Amtsmissbrauch. Die Mailänder Staatsanwaltschaft will die Anklage jetzt auf Organisation eines "Systems umfassender Prostitution" erweitern. Die zu "Partys" in die Villa Berlusconis eingeladenen jungen Frauen, darunter Minderjährige seien bar bezahlt oder ihnen berufliche Perspektiven versprochen worden. In Neapel wird gegen Berlusconi wegen Kauf eines Senators ermittelt. Der Medientycoon habe einem Senator der Partei der Werte Italiens (IdV) für einen Wechsel zu seiner Volksfreiheitspartei (PdL) drei Mio. Euro gezahlt. Das ermöglichte es 2008 die Regierung Prodi im Senat durch ein Misstrauensvotum zu stürzen.


Ein Krimineller als Regierungschef

Prozesse gegen frühere Machthaber sind heute so selten nicht. Aber die gegen das überführte Mitglied der faschistischen Putschloge P2 sind schon von besonderem Kaliber. Nachdem der Medientycoon im April 1994 Regierungschef geworden war, wurde er bis 2008, wie "Der Spiegel" damals berichtete, in 17 Prozessen der Korruption, der Geldwäsche, des illegalen Waffenhandels und Kapitaltransfers und der Führung von Tarnfirmen angeklagt und insgesamt zu über zehn Jahren Gefängnis und zehn Mio. DM Geldstrafe verurteilt. Ein derart kriminell belasteter Politiker hätte bei einer einigermaßen funktionierenden Demokratie gar nicht für das höchste Regierungsamt kandidieren dürfen. Da es nicht gelang, die Juristen generell mundtot zu machen, verschaffte sich der Regierungschef Immunität vor Strafverfolgungen durch eine von seiner Parlamentsmehrheit verabschiedete sogenannte "Lex Berlusconi", die untersagte, strafrechtlich gegen ihn vorzugehen. Juristen, die dagegen protestierten, attackierte er als "rote Richter", welche die Regierung stürzen wollten, beschimpfte sie in unflätiger Weise als "Taliban", "Schwerverbrecher", "Eiterbeulen der Gesellschaft". Das betraf 789 an Prozessen gegen ihn beteiligte Richter.

Auch jetzt bleiben in Rom Zweifel, ob es gelingen wird, den angeklagten Ex-Premier einer Strafe zuzuführen. So wurde er 2012 in einem Prozess wegen nachgewiesener Anwaltsbestechung in Höhe von 600.000 Euro wegen Verjährung freigesprochen. Italiens Mühlen der Justiz mahlen langsam. Die jetzigen Prozesse laufen in Erster Instanz. Gegen ein Urteil werden Berlusconis Anwälte in Berufung gehen, und die kann bis zur letzten Instanz Jahre dauern. Nun hat der immer mit seiner Fitness prahlende Berlusconi vor dem Termin im Ruby-Prozess in Mailand sich sogar krank gemeldet und Aufschub beantragt. Das Gericht hat vorerst abgelehnt.


Berlin und Brüssel waren Förderer

Bleibt die derzeit nach den Wahlen, die Berlusconi zu einem Comeback nutzte, diskutierte Frage, warum diesem Treiben bisher nicht Einhalt geboten werden konnte. Befördert von der EU und ihrer deutschen Führungsmacht hat der mit Faschisten und Rassisten verbündete Berlusconi in einem in der Nachkriegsgeschichte beispiellosen antikommunistischen Feldzug Kommunisten und alle Linken aus dem Parlament ausgeschaltet und diese haben sich geduckt und nicht gewagt, gegen diesen Demokratieverfall energisch vorzugehen.


Beppe Grillo profitierte vom Versagen der Linken

Es gab in den letzten Jahren faktisch nur eine Protestbewegung die das verfassungswidrige Gebaren des kriminellen Medientycoon anprangerte: das Fünf Sterne-Movimento des Komikers Beppe Grillo, eines Anarchisten der Gegenwart. 25,5 Prozent der Wähler haben die Radikalität seiner Proteste honoriert. Eine Radikalität, die den Linken schon lange Abhandengekommen ist. Sie erhielten dafür vom Wähler eine Antwort, wie sie drastischer nicht ausfallen konnte. Sie sanken unter zwei Prozent.

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Quelle:
© 2013 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. März 2013