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ITALIEN/060: Italiens Unternehmer danken Renzi für arbeiterfeindliche Haltung (Gerhard Feldbauer)


Italiens Unternehmer danken Renzi für arbeiterfeindliche Haltung

Gewerkschaften bleiben bei Vorbereitung von Generalstreiks

von Gerhard Feldbauer, 7. November 2014



Italien erlebt derzeit, dass seine von den Sozialdemokraten (Demokratische Partei - PD) geführte Regierung ein gefügiger Vertreter der Interessen des Kapitals ist. Nachdem Millionen gegen seinen Jobs act, die sogenannte Arbeitsmarktreform, die den Kündigungsschutz (Artikel 18 des Arbeitsgesetzes) und weitere elementare Arbeiterrechte beseitigt und zu einer Entlassungswelle ungeahnten Ausmaßes führen wird, streikten und in Rom über eine Million demonstrierte, traf sich der Premier und PD-Chef, Matteo Renzi, am vergangenen Montag in Brescia (Lombardei) mit Vertretern des Industriellenverbandes Confindustria und versicherte ihnen, er werde "keinen Schritt zurückweichen". Sein "Stabilitätsgesetz", das einschneidend die soziale Lage der Arbeiter, der Rentner und Millionen bereits in Armut Lebender noch mehr verschlechtern wird, werde "kein Gegenstand von Verhandlungen mit den Gewerkschaften sein". Er werde sich "auch in der PD nicht aufhalten lassen", verkündete er in seinem in der Partei umstrittenen autoritären Führungsstil. Confindustria-Präsident Giorgio Squinzi dankte dem Premier herzlich und versichert, dass die Unternehmer "mit ihm sind".


Kommunisten: Das "reaktionärste, was man sich vorstellen könne"

Die Generalsekretärin der CGIL, Susanna Camusso, konterte einen Vorwurf Renzis, die Gewerkschaft "spalte das Land" mit der Erwiderung, der Premier sei es, der "das Land spaltet". Bianca Di Giovanni vom CGIL-Sekretariat rief auf, den Widerstand gegen die arbeiterfeindliche Politik zu verstärken. Sie erinnerte daran, dass der Parteichef auch tatenlos zugesehen habe, dass die Druckausgabe der zuletzt sozialdemokratischen Zeitung "Unità" vom Markt verschwunden ist. Die Vorsitzende des Zentralkomitees der Partei der Kommunisten Italiens (PdCI), Manuela Palermi, nannte die Äußerungen Renzis das "reaktionärste, was man sich vorstellen könne". Sie verurteilte die Brüskierung von Millionen Arbeitern und erklärte, "Renzi spricht mit den Unternehmern, aber die Gewerkschafter schließt er aus." Die linksliberale "Repubblica" verwies auf die Heuchelei des PD-Chefs, der in Rom "die Linken unterdrückt", während er in Brüssel verkünde, "die Linke wird Italien verändern". Die Metallarbeitergewerkschaft FIOM und die CGIL bereiten gegen die gewerkschaftsfeindliche Haltung der Regierung einen Generalstreik vor, für November sind neue Protestkundgebungen in Mailand und Neapel angesagt.

Gegen eine Protestdemonstration vor dem Tagungsgebäude in Brescia ging die Polizei wieder mit Knüppeln vor. Bei den Auseinandersetzungen gab es mehrere Verletzte und zahlreiche Festnahmen. Bereits vergangene Woche war die Polizei gegen Proteste der Metallarbeiter in Rom gegen Entlassungen in den Stahlwerken von Terni (Umbrien) brutal vorgegangen und hatte mehrere Arbeiter krankenhausreif geschlagen. Forderungen nach dem Rücktritt des Innenministers, Angelino Alfano, von der neuen Rechtspartei NCD, einer Abspaltung von der rechtsextremen Forza Italia des Ex-Premiers Berlusconi, wies Renzi zurück. Da die PD dagegen stimmte, fand ein Misstrauensantrag der Linkspartei SEL und der Protestbewegung M5S gegen den Minister in der Abgeordnetenkammer keine Mehrheit.


Neues Treffen mit Berlusconi

Ein neuer Streitpunkt ist die bevorstehende Beschlussfassung über die Auflösung des Senats als zweiter Kammer und die Verabschiedung eines neuen Wahlgesetzes, zu der sich der Regierungschef wiederum mit Ex-Premier Berlusconi traf. Er möchte mit dessen Stimmen im Senat seine Reform durchbringen. Wie die Nachrichtenagentur ANSA am Donnerstag meldete, verliefen die zweistündigen Gespräche ergebnislos und das, obwohl Renzi das alte reaktionäre Wahlgesetz aus Berlusconis Zeiten nur mit geringfügigen Änderungen und teilweise sogar Verschärfungen (Anhebungen der Sperrklauseln für Koalitionen auf bis zu 12 Prozent, um die Kommunisten aus dem Parlament fernzuzuhalten) übernehmen will. Wie in Rom verlautete, fordert Berlusconi, der derzeit eine Haftstrafe wegen Steuerbetrugs im Sozialdienst verbüßt, das gleichzeitig verhängte zweijährige Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter aufzuheben. Nun berichtet "La Repubblica" am Freitag, dass Renzi sich wohl doch M5S zuwenden will, was er bisher ablehnte, um eine Mehrheit für seine Reform zu sichern. Parallel dazu wolle er sich an die Lega Nord wenden.

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Quelle:
© 2014 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. November 2014


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