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ITALIEN/184: Italiens Linke bläst zum Sammeln in einer neuen Centro Sinistra (Gerhard Feldbauer)


Italiens Linke bläst zum Sammeln in einer neuen Centro Sinistra

Scharfe Abrechnung mit Renzis Kollaboration mit Berlusconi

von Gerhard Feldbauer, 4. Juli 2017


In Rom versammelten sich am Sonnabend auf der Piazza Santi Apostoli führende Persönlichkeiten der Linken in und außerhalb des regierenden Partito Democratico (PD) mit ihren Anhängern, um die Bildung einer regierungsfähigen Mitte Links-Alternative zu den anstehenden Parlamentswahlen zu bekunden. Über der Tribüne stand "Niemanden ausschließen" und "Zusammen" (Insieme). Zu den Rednern gehörten der frühere Bürgermeister von Mailand, Giuliano Pisapia, Chef des parteiübergreifenden Fortschrittslagers "Campo Progressista", der ehemalige PD-Sekretär Pierluigi Bersani und der Premier von Mitte Links-Regierungen Massimo D'Alema, die beide die Demokratische und Fortschrittliche Bewegung (MDP) anführen. Unter den laut der Nachrichtenagentur ANSA etwa 8.000 Teilnehmern befanden sich viele Mitglieder und Anhänger der im Februar gegründeten Sinistra Italiana (SI), darunter der frühere Vize-Minister Stefano Fassina, während SI-Vorsitzender Nicola Fratoianni nicht erschienen war. Die Basis forderte in Transparenten und Losungen, entschieden gegen Faschisten und Rassisten vorzugehen, die Rechte der Arbeiter zu verteidigen bzw. wiederherzustellen, darunter den von Renzi als Premier beseitigten Artikel 18 des Arbeitsgesetzes über den Kündigungsschutz. Scharf wurde die Kollaboration Renzis mit Berlusconi verurteilt.

Auf der Piazza Santi Apostoli hatte der linksliberale Christdemokrat Romano Prodi 1995 die einst von Aldo Moro begründete Centro Sinistra (Linke Mitte) unter dem Symbol des Ulivo (Olivenbaums) neu gebildet. Im April 1996 bereitete die Koalition aus Christdemokraten, der Linkspartei PDS und der Kommunistischen Wiedergründung (PRC) bei der Parlamentswahl mit über 40 Prozent den Faschisten (Forza Italia (FI) und den Rassisten der Lega Nord unter dem Mediendiktator Berlusconi eine Niederlage. Prodi, der den Vorschlag Pisapias abgelehnt hatte, als Kandidat gegen Renzi anzutreten, kam nicht zur der Kundgebung, übermittelt aber eine Grußbotschaft für gutes Gelingen.

La Repubblica betonte, es sei ein "progressiver Archipel" entstanden, der "den Vormarsch der Rechten stoppen" und sich den brennenden sozialen Fragen zuwenden werde. Dieser Archipel solle, so Pisapia, von seinem Campo über die Fortschrittsbewegung MDP bis zu den Grünen und der SI reichen, aber auch auf soziale Bewegungen und die vielseitigen Erfahrungen von unten setzen. Es gehe um keine neue Partei. Zu den Wahlen werde, so D'Alema, "jeder mit seiner eigenen Plattform antreten".

Alle Bekenntnisse, "insieme" Mitte Links neu zu bilden, konnten nicht verdecken, dass über deren Haltung zur PD und ihrem Chef Renzi offensichtlich keine Übereinstimmung herrscht. Wer die Centro Sinistra in den Wahlkampf führt, soll in Vorwahlen entschieden werden. Pisapia, der bedrängt wird, als Spitzenkandidat anzutreten, lehnt das - zumindest bisher - ab. Er will die in der PD verbliebenen Linken einbeziehen und einen kritischen Dialog mit der PD insgesamt führen, fordert aber, dazu müsse Renzi der bisherigen Kollaboration mit Berlusconi und auch dem derzeitigen Regierungsbündnis mit dem früheren Vize der FI, Angelino Alfano, eine klare Absage erteilen. D'Alema dagegen lehnt einen Dialog mit Renzi ab. Bersani äußerte sich nicht eindeutig, er neigt zu Pisapie. Kritik selbst von Opponenten in der Regierung, so von Justizminister Andrea Orlando: Mit Renzi werde die PD "eine Niederlage einfahren".

Nicht zu übersehen ist, dass die letzte Centro Sinistra-Regierung, wie sie 2006-2008 unter Prodi existierte, sich zum kapitalistischem System bekannte und eine Abkehr nicht vorgesehen ist. Wovon bereits ein klares Bekenntnis Pisapias zur EU zeugt.

Deshalb hatte auch die aus den No-Komitees beim Referendum gegen Renzi am 4. Dezember 2016 hervorgegangene "Volksallianz für Gleichheit und Demokratie", in der PRC und PCI mitarbeiten, nicht an der Kundgebung teilgenommen.

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Quelle:
© 2017 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juli 2017

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