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ITALIEN/201: Führende Kapitalkreise finanzieren rechtsextreme Parteien und ihre Politiker (Gerhard Feldbauer)


Mailänder Espresso enthüllt

Führende Kapitalkreise finanzieren rechtsextreme Parteien und ihre Politiker

Meistbegünstigt Berlusconis faschistoide Forza Italia
von Gerhard Feldbauer, 2. Dezember 2017


Die Mailänder Wochenzeitschrift Espresso enthüllt in ihrer am Freitag erschienenen Ausgabe, dass die rechtsextremen Parteien des Landes und ihre Politiker mit der faschistoiden Forza Italia (FI) Silvio Berlusconis an der Spitze maßgeblich von führenden Industrie- und Bankkreisen finanziert werden. Berlusconi sei "der hauptsächliche Finanzier der italienischen Politik". Das Dossier erfasst finanzielle Transaktionen ab 2008, dem Jahre als Berlusconi zum dritten Mal Premier wurde. Mit seitdem persönlich gezahlten 109 Millionen Euro habe er "mehr als jeder andere ausgegeben", vermerkt Espresso. "Ohne die Finanzierung durch ihren Gründer wäre Forza Italia heute eine armselige Partei."

Das Magazin verweist auf die Verquickung der von Berlusconi 1994 gegründeten FI mit seinem Mediaset-Konzern, aus dem die Partei heraus entstand. Mediaset wurde von der in den 60er Jahren mit Unterstützung der CIA gegründeten faschistischen Putschloge Propaganda due (P2) finanziert, deren Dreierdirektorium Berlusconi angehörte. Die von Mediaset-Managern gebildete FI wurde von Berlusconis Meinungsforschungsinstitut Diakron finanziert, das deswegen 1994 von der internationalen Vereinigung Demoskopischer Institute ESOMAR wegen parteipolitischer Tätigkeit ausgeschlossen wurde. In der Eigenschaft als Unternehmer sei Berlusconi der "größte Spender" der FI.

Viele der Geldgeber sind korrupt, unterschlagen Steuern, sind Komplizen der Mafia. So Salvatore Buzzi, einer der Bosse des Clans Mafia Capitale, Komplize des faschistischen Terroristen Massimo Carminati und des früheren römischen Bürgermeisters Giovanni Alemanno von der Alleanza Nazionale (AN), der im Juli zu 19 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Francesco Gaetano Caltagirone, Teilhaber an einem Dutzend Medien, so des römischen Messagero, Vorstandsmitglied der Confindustria, dodierte mit drei Millionen Euro den Wahlkampf von Pier Ferdinando Cassini, Chef der christdemokratischen Mini-Partei CCD, die Berlusconis Regierung ein demokratisches Outfit verschaffte. Gian Marco Moratti, Chef des Mineral- und Energieunternehmens Saras, Aufsichtsratsmitglied der Banca Nazionale del Lavoro, steuerte 2006 zwölf Millionen Euro zur Wahl seiner FI-Frau Letizia zur Bürgermeisterin von Mailand bei. Große Finanziers der FI sind die im nationalen und internationalen Autobahnbau (3.320 km), in Infrastruktur und Technologie des Seeverkehrs führende Gruppo Gavi und der zweite Koloss des Strassenbaus Astaldi, der dafür Aufträge für den Bau der Brücke über die Strasse von Messina beanspruchte. Berlusconis enge Vertraute Licia Ronzulli soll laut Espresso sogar Gelder vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan genommen haben.

2009 beschlossen Kapitalkreise um den damaligen Direktor des FIAT-Imperiums und Confindustria-Chef Cordero di Montezemolo, Berlusconi fallen zu lassen, und AN-Chef Gianfranco Fini mit einer neuen Partei Futuro e Libertà an die Macht zu hieven. Als das scheiterte, orientierten sie sich um auf die 2007 entstandene Partito Democratico (PD) und ließen dieser Partei Finanzspritzen durch den Immobilienunternehmer Alfredo Romeo zukommen. Der Immobilienhai Angiola Armellini (1243 Häuser) unterstützte die Führerin der aus der AN hervorgegangenen Fratelli Italiens (FdI), Giogia Meloni, 2016 bei ihrer Kandidatur für das Amt des Bürgermeisters von Rom mit über 200.000 Euro.

Laut Espresso werden oft mehrere Eisen im Feuer gehalten. Der Stahlunternehmer Giovanni Arvedi unterstützte 2008 im Wahlkampf die FI, gleichzeitig die PD der Lombardei, wo die meisten seiner Unternehmen ihre Sitze haben. Gaetano Maccaferri vom multinationalen Gruppo Maccaferri griff FI-Minister Renato Brunetta finanziell kräftig unter die Arme, ließ gleichzeitig der PD etwas zukommen, um dann bei den Wahlen 2013 die Liste des Übergangspremiers Mario Monti zu unterstützen.

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Quelle:
© 2017 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Dezember 2017

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