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ITALIEN/207: Am 4. März wählt Italien ein neues Parlament (Gerhard Feldbauer)


Am 4. März wählt Italien ein neues Parlament

Die Karten werden neu gemischt

von Gerhard Feldbauer, 19. Januar 2018


Sechs Wochen vor den Parlamentswahlen am 4. März läuft der Wahlkampf in Italien auf Hochtouren. Der Chef der regierenden Partito Democratico (PD), Matteo Renzi, verkündete am Donnerstag in der römischen Repubblica, seine Partei trete "mit der besten Mannschaft an". Zwei Zugpferde sollen ihm helfen, die in Wählerumfragen auf Platz drei zurückgefallenen Sozialdemokraten zum Sieg zu führen: Der in Neapel angesehene Kinderarzt Paolo Siani, dessen Bruder von der Camorra ermordet wurde, und die frühere Gewerkschaftsführerin der mit über vier Millionen Mitgliedern stärksten CGIL, Carla Cantone, die beide als Unabhängige für die PD antreten.

Jüngste Meinungsforschungen von "Ipsos Italia", die der Mailänder Corriere della Sera gerade veröffentlichte, sehen allerdings weiter die faschistisch-rassistische Koalition (Forza Italia - FI von Ex-Premier Berlusconi, Matteo Salvinis Lega und die Fratelli/Brüder Italien - FdI von Giorgia Meloni mit 35,9 Prozent an der Spitze. Mit 28,7 Punkten folgt die kleinbürgerliche Protestbewegung Fünf Sterne (M5S). Eine sich nach langen Auseinandersetzungen zusammengeraufte Linke Mitte käme auf 27,6 Prozent, davon 23,1 für den PD. Die linke Liste Liberi e Uguali - Freie und Gleiche (LEU) käme mit Senatspräsident Pietro Grasso an der Spitze auf 6,4 Prozent. Keine der Koalitionen bzw. Parteien erreichte eine Mehrheit und müsste Bündnisse eingehen.

Dazu werden erstmal die Karten neu gemischt. Renzi, laut Statut Spitzenkandidat, will nun nach der Wahl den Vorstand bestimmen lassen, wer Premier wird. Entscheidend sei, wer die meisten Stimmen für sich erzielt. Als weitere Bewerber treten Premier Paolo Gentiloni und Finanzminister Carlo Padoan an. Renzi widerruft auch, eine Regierung mit Berlusconi zu bilden. Obwohl M5S weit hinter Berlusconis Koalition liegt, ist nicht diese, sondern M5S für ihn der Hauptfeind. Sie sei eine "sehr schwierige Herausforderung, die ich nicht unterbewerten will". Und er warnt, "wer die radikale Linke (LEU) wählt begünstigte die Lega".

M5S tritt allein an, will aber seine Chancen erhöhen und, wie Spitzendkandidat Luigi Di Maio mitteilte, der Partei nicht angehörende Bewerber auf seiner Liste kandidieren lassen. Nach den Wahlen werde er "einen Appell an alle politischen Kräfte richten und Konsultationen einleiten". Da der PD davon ausgeschlossen bleibt, zielt das auf eine Allianz mit Salvini und/oder der FdI. Auch ein Ausscheiden aus der Euro-Zone "stehe derzeit nicht an", so Di Maio.

Neben der LEU tritt noch eine Gruppe Potere al popolo (Die Macht dem Volke) an: Die Kommunisten (Rifondazione Comunista - PRC, unter dem Namen der 1991 aufgelösten PCI, die zweite KP), eine Sinistra Anticapitalista und andere Linke.

Berlusconi will seiner Allianz mit einer Gruppe "Noi con l'Italia (Wir mit Italien) aus früheren Christdemokraten, auch "quatra Gamba" (Viertes Bein) genannt, ein demokratisches Outfit verschaffen. Mit Lega-Chef Salvini buhlt er um die meisten Stimmen, damit seine FI den Premier stellen könnte. Dass er wegen seiner Verurteilung für Steuerbetrug selbst nicht kandidieren darf, umgeht er mit einem Trick, indem er auf dem Wahlkampf-Logo verkündet "BERLUSCONI PRESIDENTE" Das bezieht sich auf ihn als FI-Chef, soll den Wähler aber glauben machen, er stimme für ihn als künftigen Premier.

Eine offensive Auseinandersetzung mit der extremen Rechten ist nicht auszumachen. Ein soziales Programm hat keine der Parteien bzw. Koalitionen vorzuweisen. Alle versprechen mehr Arbeitsplätze. Fast mehr noch rückt die PD Steuern auf elektronische Zigaretten in den Mittelpunkt, oder die Einführung der Impfpflicht, wo Italien weit hinter der WHO-Schwelle liegt. Lega-Chef Salvini lehnt sie als Gesetz ab. Berlusconi will die von Renzi durchgesetzte "Jobs-Act" genannte Arbeitsmarktreform "verbessern". Di Maio verspricht den künftigen Rentnern, dass sie unter ihm " nach 41 Jahren Arbeit in Rente gehen" können.

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Quelle:
© 2018 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Januar 2018

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