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ITALIEN/223: Fünf Sterne und Rassisten-Lega wollen Koalitionsregierung bilden (Gerhard Feldbauer)


Fünf Sterne und die Rassisten-Lega wollen Koalitionsregierung bilden

Entscheidung Präsident Mattarellas erwartet - Bei Neuwahlen will Berlusconi wieder kandidieren

von Gerhard Feldbauer, 19. Mai 2018


In Rom haben am Sonnabend die rechte Fünf Sterne-Bewegung (M5S) und die rassistische Lega Staatspräsident Mattarella ihre Vorschläge zur Bildung einer Koalitionsregierung übermittelt. Nach mehreren vorangegangenen Versuchen war zuletzt M5S an der Ablehnung der Demokratischen Partei (PD), nach den Wahlen am 4. März eine gemeinsame Regierung zu bilden, gescheitert. Wie die Nachrichtenagentur ANSA meldete, haben sich M5S-Führer Luigi Di Maio und Lega-Chef Matteo Salvini jedoch noch nicht auf einen Vorschlag für den durch Präsident Sergio Mattarella mit der Bildung einer Regierung zu beauftragenden Kandidaten geeinigt. Nachdem Di Maio und Salvini wochenlang den Posten des Premiers verlangt hatten, haben beide inzwischen ihren Verzicht erklärt. Einer Bedingung Mattarellas, eine dritte neutrale Person vorzuschlagen, kommen sie, so ANSA, jedoch nicht nach.

Am 4. März wurde M5S mit 32 Prozent stärkste Partei, während die Lega nur 17 Prozent erreichte. Die faschistisch-rassistische Allianz, die sie mit der Forza Italia (FI) Berlusconis und den Fratelli/Brüdern Italiens (FDI) bildete, kam jedoch auf 37 Prozent. Di Maio schlug jetzt gleich fünf Bewerber für die Berufung zum Regierungschef vor, die jedoch, mit seinem engen Vertrauten Alfonso Bonafede an der Spitze, alle seiner Partei angehören. Salvini soll zugestimmt haben. Die römische La Repubblica schreibt, zur Nominierung eines Premiers blieben aber "Meinungsverschiedenheiten" bestehen.

Vorangegangen waren heftige Auseinandersetzungen mit Brüssel über den Entwurf eines Regierungsprogramms, das sich gegen ein "Diktat" aus Brüssel wandte, eine "Neuverhandlung der EU-Verträge" forderte, einen Austritt aus der Eurozone androhte und verlangte, Italien Auslandsschulden von 250 Milliarden Euro bei der EZB zu erlassen (die Gesamtverschuldung liegt bei 2,263 Billionen Euro). Brüssel reagierte mit scharfer Ablehnung. "Die Regeln des Stabilitätspakts gelten für alle Mitgliedstaaten, und ich habe keinen Hinweis darauf, dass die Kommission irgendjemandem Ausnahmen gewähren wird", so der Vizepräsident der EU-Kommission, Jyrki Katainen. Die Börsen reagierten mit Kursstürzen. Während der Euro auf den tiefsten Stand seit Ende 2017 sank, schossen die Risikoaufschläge für italienische Staatsanleihen in die Höhe.

Dem derart forsch vorgetragenen Widerstand gegen das "Diktat aus Brüssel" folgte postwendend eine Unterordnungserklärung. Der Text der inzwischen dem Quirinale (Amtssitz des Präsidenten) übermittelten Endfassung des Entwurfs sei "an den entscheidenden Stellen geändert worden", zitierte ANSA Di Maio und Salvini. Außer dem Festhalten an den 250 Milliarden Euro gebe es im Text "keine Spur mehr von einem Austritt aus dem Euro". Salvini, so die Agentur weiter, habe "gebremst, die Realitäten zu sehen". Die ehemalige Protestbewegung der Fünf Sterne verliert damit ein Feigenblatt zur Kaschierung ihres Wechsels an die Seite der Rassistenpartei. Gegen das Dubliner Abkommen zur Migration (das festlegt, dass Flüchtlinge in dem Land Asyl beantragen, in dem sie erstmals EU-Boden betreten) wollten beide Parteien weiter vorgehen.

Dass in dem 40seitigen Regierungsabkommen, von Versprechungen abgesehen, keine sozialen Verbesserungen auszumachen sind, interessiert in Brüssel natürlich niemanden. Die Online-Plattform der Basis-Gewerkschaften COBAS enthüllte die Demagogie, mit der die neue Regierung vorzugehen gedenke. Die Unternehmer, denen Steuererleichterungen zugesichert werden, befänden sich im "vollen Angriff auf elementare Arbeiterechte" und das Regierungsprogramm halte nicht dagegen. COBAS ruft auf: "Stoppen wir den Angriff auf das Streikrecht, die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, die Kürzung der Löhne, die zunehmende Verarmung, die Entlassungen, die Verschlechterung des Gesundheitswesens".

Am Wochenanfang wird die Entscheidung des Staatschefs erwartet. Er hatte M5S und Lega zur Bedingung gemacht, eine neutrale Person für die Berufung zur Regierungsbildung zu benennen. La Repubblica betont, "die Grundfrage bleibt, wer diese Regierung führen wird". Laut Medien wird nicht ausgeschlossen, dass Mattarella ablehnen und eine Präsidentenregierung einsetzen könnte. Dabei dürfte in Betracht kommen, dass am 8./9. Juni in Malbaie in Quebec der 44. G7-Gipfel stattfindet, auf dem Rom durch eine funktionsfähige Regierung vertreten sein soll. Wenn ein Kabinett des Präsidenten im Parlament keine Mehrheit erhalte, könnte Mattarella den jetzigen Premier Paolo Gentiloni von der PD mit der Fortführung der Amtsgeschäfte ersuchen, damit dieser ins Flugzeug nach Quebec steigen könnte.

Der nächste Schritt wären Neuwahlen, die wahrscheinlich frühestens im Herbst stattfinden könnten. Auf sie setzt vor allem Ex-Premier Berlusconi. Ein Mailänder Gericht hat gerade das nach seiner Verurteilung 2013 wegen Steuerbetrug in Millionenhöhe gegen ihn verhängte Ämterverbot aufgehoben. Laut Repubblica will der Chef der faschistischen Forza Italia dann selbst kandidieren.

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Quelle:
© 2018 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Mai 2018

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