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ITALIEN/241: Faschistisch-rassistische Regierung stabilisiert sich, EU-Staaten leisten Schützenhilfe (Gerhard Feldbauer)


Die faschistisch-rassistische Regierung Italiens aus Lega und M5S stabilisiert ihre Macht
Berlusconi will in die Regierung

Brüssel und die EU-Staaten schauen nicht nur tatenlos zu, sie leisten auch noch Schützenhilfe

von Gerhard Feldbauer, 21. September 2018


Die seit dem 1. Juni in Rom aus der rassistischen Lega und der rechten Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) amtierende Regierung installiert systematisch ein faschistisches Regime im parlamentarischen Rahmen. Brüssel und die EU-Staaten schauen dem nicht nur tatenlos zu, sondern leisten auch noch Schützenhilfe. Sie haben nichts dagegen einzuwenden, dass Lega-Chef Matteo Salvini, der als der eigentliche Regierungschef gilt, permanent die Verfassung verletzt, demokratische Rechte, beginnend in der Rundfunk- und Fernsehanstalt RAI, abbaut und versucht, die Justiz als unabhängige dritte Gewalt auszuschalten und Oppositionelle mit Terror mundtot zu machen. Der Hauptstoß richtet sich gegen Migranten, an ihrer Spitze Sinti und Roma, denen die Schuld für die wirtschaftliche und soziale Misere angelastet wird. Sie werden als Kriminelle diffamiert und aus der Gesellschaft ausgegrenzt.

Salvini will eine halbe Million Migranten aus Italien vertreiben, von denen viele die italienische Staatsbürgerschaft besitzen. Da das, wie er selbst einräumte, sich so nicht durchsetzen lasse, soll rassistischer Terror sie zum Verlassen Italiens zwingen. Seit Regierungsantritt sind mehrere Migranten getötet und zahlreiche verletzt worden. Sie werden aus ihren Wohnunterkünften vertrieben, soziale Zuwendungen werden ihnen gestrichen oder gekürzt. Die Aufnahme von Flüchtlingen, die vor Krieg, Terror und Verfolgung fliehen, ist auf ein Minimum reduziert worden, Hilfsschiffe mit geretteten Flüchtlingen dürfen italienische Häfen nicht anlaufen.

Ganz im Sinne Salvinis hat der EU-Kommissar für Einwanderung, Dimitris Avramopoulos, am Mittwoch auf der "Conference on Security and Migration" der EU-Innenminister in Salzburg gerade die Schließung der Balkanroute, die Aufstockung der Grenzwache "Frontex" auf 10.000 Mann und die Einrichtung von als "Anlande-Plattformen" getarnten EU-Außenlagern in Libyen als Erfolge herausgestellt. Die vorgesehenen Korrekturen der Dubliner Abkommen kaschierte Avramopoulos als "Paradigmenwechsel" in der Asyl- und Flüchtlingspolitik. Bereits vor der Konferenz hatte er den Plänen Salvinis, dass "die Rückführung von Migranten aus Italien verstärkt werden muss", zugestimmt.

Angesichts dieser Unterordnung fragt man sich besorgt, ob der neue italienische Faschismus unter Salvini, der kein Hehl aus seinen Bekenntnissen zu Mussolini macht, für Europa wie einst unter dem "Duce" wieder eine Vorreiterrolle spielt. Er beförderte 1920 in Budapest den Machtantritt des Horthy-Regimes, das Orban heute für seine Zwecke nutzt, ebenso 1923 die faschistische Diktatur in Bulgarien und 1926 in Portugal. Nicht zu vergessen, dass Mussolini ein Vorbild Hitlers und der hinter ihm stehenden Kapitalkreise um Thyssen und Stinnes war. "Das Braunhemd", so bekannte Hitler in seinen "Monologen im Führerhauptquartier" noch 1941, "wäre vielleicht nicht entstanden ohne das Schwarzhemd".

Für eine neue italienische Vorreiterrolle stand nicht zuletzt, dass Salvini nach dem Wahlerfolg der AfD im September 2017 in Deutschland seinen deutschen Kumpanen die herzlichsten Glückwünsche schickte und äußerte, auch in Berlin werde man noch lernen, die deutsche Alternative zur Kenntnis zu nehmen und mit ihr zurechtzukommen. Das linke Manifesto äußerte besorgt, dass kein geringerer als der Chef des Verfassungsschutzes Maaßen wegen seiner "Sympathien für die Partei der extremen Rechten AfD" zwar sein Amt verlassen, aber zum Staatssekretär aufgestiegen sei.

Schockierend ist, dass dieser rassistisch-faschistische Kurs der Regierung von einer Mehrheit der Bevölkerung nicht erkannt wird. Anders ist es kaum zu erklären, dass eine Umfrage von La Repubblica ergab, dass 62 Prozent dem zustimmen. Die Lega, die im März 17,4 Prozent Stimmen erhielt, würde bei Wahlen mit 32,2 Prozent ihre Stimmen fast verdoppeln, während M5S von 34 Prozent auf 29,4 absinken würde. Wie La Repubblica zur Bilanz der ersten 100 Tage der Regierung schrieb, zeigten sich viele Wähler enttäuscht davon, dass bisher keines der Wahlversprechen - Erhöhung der Renten, Steuererleichterungen, Reduzierung der Mehrwertsteuer und ein sogenanntes Bürgereinkommen - von M5S verwirklicht wurde. Dass die einstige Protestpartei inzwischen von der Opposition, wie La Repubblica festhält, als rotes Anhängsel einer schwarzen Regierung oder, wie das Blatt weiter vermerkte, als "Strömung der Lega" eingeschätzt wird, scheint bei den M5S-Wählern noch nicht anzukommen.

Wie ANSA am Freitag schreibt, kündigte Berlusconi bei einem Treffen mit Salvini seinen Anspruch auf eine Beteiligung an der Regierung an.

Es gibt vielfältigen Widerstand. So haben Vertreterinnen der "Casa delle Donne" (Haus der Frauen), dass besonders in der Unterstützung der Migranten tätig ist, an das EU-Parlament appelliert, die Schließung durch die Gemeindeverwaltung von M5S zu verhindern. In ihrem Schreiben, das La Repubblica veröffentlichte, betonten sie, das sei nicht nur ein Akt, der elementare Frauenrechte verletze, sondern auch ein Ausdruck des von M5S in der Regierung verfolgten Rassismus.

Der auf Lampedusa tätige Arzt Pietro Bartolomo, der dort ankommende Flüchtlinge betreut, enthüllte in La Repubblica mit Fotos und Videos, in welchem Zustand sich die aus libyschen Lagern entkommenen Patienten befinden und was sie Furchtbares durchmachen mussten. "Sie haben Verbrennungen, Häutungen, Folterungen mit Stöcken, sie berichten von Enthauptungen. Von Szenen, die man sich nicht vorstellen kann." Der Behauptung des Innenministers, dass Libyen "ein sicherer Hafen" sei, entgegnete der Arzt, "das ist ein Hafen des Todes" - und in den sollen die Flüchtlinge zurückgeschickt werden.

Die Opposition ist weit davon entfernt, sich zu sammeln. Die Bildung einer weiteren linken Sammlungsbewegung Sinistra di Popolo (Volkslinke) vergangene Woche hat die Zersplitterung eher noch vertieft. Vor allem die Demokratische Partei (PD) hat sich noch nicht vom Schock ihrer Niederlage erholt. Wenn sie nicht eine radikale Abrechnung mit den Ursachen ihrer Niederlage vornehme, drohe ihr der Untergang, schätzt der Präsident der Regionalregierung des Lazium, Nicola Zingaretti, ein. Er gilt als Vertreter der linken Minderheit und fordert, dazu einen Kongess einzuberufen. Sein Kontrahent ist der frühere Premier und PD-Sekretär Matteo Renzi, der zur Neuwahl des Parteichefs gegen Zingaretti antreten will.

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Quelle:
© 2018 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. September 2018

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