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ITALIEN/289: Regierung Conte und Stahlkonzern ArcelorMittal wollen Stahlwerk ILVA gemeinsam erhalten (Gerhard Feldbauer)


Nun doch Übernahme?

Regierung Conte und Stahlkonzern ArcelorMittal wollen Stahlwerk ILVA gemeinsam erhalten

von Gerhard Feldbauer, 27. November 2019


Nach italienischen Medien-Berichten haben sich die Regierung von Giuseppe Conte im Streit mit dem Stahlkonzern ArcelorMittal um die Übernahme des Stahlwerkes ILVA im südlichen Taranto geeinigt. Anfang November hatte das international größte multinationale Unternehmen mit Sitz in Luxemburg einen Vertrag von 2018 über die Übernahme des stark umweltverschmutzenden italienischen Stahlwerkes ILVA aufgekündigt. Der Käufer hatte das mit inzwischen von der neuen Regierung aus M5S und den Sozialdemokraten (Demokratische Partei-PD) beschlossenen schärferen Bedingungen des Umweltschutzes begründet, die sich auf die Sanierung auswirken würden. Die Umgebung des Werkes ist durch den Ausstoß von Dioxinen, Schwefel und anderen Giften stark umweltverseucht. Mittal behauptete, deshalb sei ein Ausschluss von strafrechtlichen Verfolgungen zugesichert worden, was die Regierung in Rom entschieden bestritt. Da Mittal das Unternehmen bereits geleast hatte, entließ es danach rund 1000 Arbeiter und kündigte die Schließung des Werkes an. Damit ging es um 10.000 Arbeitsplätze.

Laut der italienischen Nachrichtenagentur ANSA vom Dienstag sei nun ein Spitzentreffen in Rom "konstruktiv verlaufen". Zu dem Gipfel war Premier Giuseppe Conte begleitet von Finanzminister Roberto Gualtieri und Industrieminister Stefano Patuanelli mit dem Vorstandsvorsitzenden Lakshmi Mittal, dessen Sohn und Finanzvorstand Aditya Mittal zusammen gekommen. Hatte Rom zunächst auf Einhaltung des Vertrages gepocht, scheint es nun mit Kompromissen auf beiden Seiten auszugehen.

ArcelorMittal habe zugestimmt, ein "neues Abkommen über eine stabile Stahlproduktion" zu schließen. ILVA ist mit einer bis 2023 geplanten Fertigproduktion von 9,5 Millionen Tonnen immerhin zweitgrößter Stahlerzeuger Europas. Vorgesehen seien "Produktionslösungen unter Einsatz ökologischer Technologien und maximalem Engagement für die Umweltsanierung". Dazu sei eine "Dekarbonisierung" vorgesehen, mit der auch auf die Sorgen der Einwohner von Tarento" reagiert werde. Conte haben aber betont, das werde "langwierig, anstrengend und kompliziert" und die Ergebnisse seien "keineswegs offensichtlich". Unter der Bedingung, dass die Produktion fortgesetzt werde und es keine angekündigte Schließung eines Hochofens gebe, habe Conte entschieden, eine für den 27. November vorgesehene Anhörung vor dem Mailänder Gericht vorerst auszusetzen.

Wenn es bei ANSA heißt, die Regierung habe sich ihrerseits zu "sozialen Maßnahmen" bereit erklärt, so zu "staatlichen Auffangprogrammen für Arbeitnehmer, die ihren Job verlieren", dann heißt das, dass die Regierung jetzt Entlassungen zustimmt. Der Ministerpräsident, der noch vor einer Woche den Gewerkschaften - Metallarbeitergewerkschaft FIOM und der Regionalverbände der CISL und UIL - versichert hatte, "die Beschäftigten zu schützen" und alles zu unternehmen, "die Arbeitsplätze zu sichern", scheint nun einzuknicken. Gegenüber den Gewerkschaften, die entschieden protestierten und neue Streiks ankündigten, hat Conte nun laut ANSA eingeschränkt dass "ein Höchstmaß an Beschäftigung garantiert", die von Mittal verfolgte Entlassung von 5000 Arbeitern "auf ein Minimum reduziert wird".

"Die Stilllegung der Werke wird vorerst vermieden und die Fortführung der Produktion sichergestellt", heißt es abschließend bei ANSA, die gleichzeitig den vorher angestimmten Optimismus dämpft und betont, die Sorgen "über einen endgültigen Rückschlag von Mittal" seien noch nicht vom Tisch. Während die großen Medien, wie der Mailänder Corriere della Sera oder die La Repubblica sich auffallend zurückhalten, betont auch der römische Messagero, in den Verhandlungen gehe es "um die Prüfung von Möglichkeiten", die Ergebnisse blieben offen.

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Quelle:
© 2019 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. November 2019

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