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ITALIEN/312: COVID-19 in Italien - Überraschung, Schreck, Verlauf ... 28.4.2020 (SB)



Die Zahl der Covid-19-Neuinfektionen soll in Italien so niedrig sein wie seit Beginn der Ausgangssperre am 10. März nicht mehr. Die Zahl der Todesopfer soll mit 260 am Sonntag den niedrigsten Stand seit sechs Wochen erreicht haben. Angesichts dessen stößt die Entscheidung der Regierung Conte, die strikten Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie weitgehend aufrechtzuerhalten, auf Unverständnis und Frustration in der Bevölkerung. Nach Angaben der Frankfurter Rundschau werden Hunderttausende, zumindest vorübergehend, in die Armut gedrängt, von den in Aussicht gestellten Soforthilfen hätten viele noch keinen Euro gesehen. [1]

Am Montag hatte Ministerpräsident Conte per Dekret einen "Fahrplan für die Wiederaufnahme der wirtschaftlichen Aktivitäten sowie die neuen Regeln für die gesellschaftlichen Kontakte und die Freizeitaktivitäten der Bürgerinnen und Bürger" festgelegt. Die römische Tageszeitung "La Repubblica" bescheinigte ihm, die von ihm geführte Regierung aus Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) und der sozialdemokratischen Partito Democratica (PD) hätte in der Corona-Krise an Zustimmung in der Bevölkerung gewonnen, stehe aber auch unter dem Druck, "rasch mit Hilfsmaßnahmen und außergewöhnlichen Entscheidungen auf die Wünsche der öffentlichen Meinung zu reagieren".

Conte verteidigte sich am Montag gegen die gegen das Dekret laut gewordene Kritik. Die Nachrichtenagentur ANSA zitierte ihn mit den Worten: "Ich kann es mir nicht leisten, den Gefühlen der öffentlichen Meinung zu folgen." Er verstehe sie zwar, doch müsse die Ansteckungskurve "in jeder Hinsicht überprüft werden". Es sei besser, "auf der Grundlage eines gut organisierten Plans vorzugehen, um das Risiko eines tödlichen Rückfalls zu minimieren."

Matteo Renzi, Chef der von der sozialdemokratischen PD abgespaltenen Viva Italia (IV - Lebendiges Italien), kritisierte die Maßnahmen als zu bürokratisch und bezeichnete sie als "einen Verfassungsskandal". Offenbar schwebt ihm eine neue Regierung unter Einbeziehung der Forza Italia Berlusconis vor. Unterstützung erfährt er durch den Regierungschef Südtirols, Landeshauptmann Arno Kompatscher. In dem Dekret, so zitiert ihn das Onlineportal "Südtirol News", würden zwar einige Lockerungen in Aussicht gestellt, aber diese kämen "zu spät" und seien "zu zaghaft". Das Dekret sei "von einem zentralistischen und bürokratischen Ansatz geprägt". Kompatscher fordert für Handel und Tourismus, aber auch Friseure und Schönheitspfleger "eine klare, zeitnahe Perspektive für die Wiederöffnung". Die Südtiroler Regierung, so kündigte der Landeshauptmann an, werde eigene Wege gehen.

Wie ANSA desweiteren berichtet, hat die Regierung in Rom inzwischen beim Europäischen Solidaritätsfonds einen Antrag auf Unterstützung im Rahmen der Coronavirus-Pandemie gestellt. Damit gebe Conte seine Forderung nach Euro-Bonds auf. Italien sei "das erste Land, das eine finanzielle Unterstützung durch den EU-Solidaritätsfonds" beantragt. Da die Anträge bis zum 24. Juni eingereicht werden können, werde sich die EU-Kommission "die Zeit für eine gründliche Analyse nehmen", um zu gewährleisten, daß "die Verteilung der Beihilfen ausgewogen" sei, hieß es. Vor diesem Hintergrund wird in Italien realistischerweise mit Geldern aus dieser EU-Quelle nicht vor Ende des Sommers gerechnet.


Fußnoten:

[1] https://www.fr.de/politik/corona-coronakrise-italien-lockerungen-conte-wenig-hoffnung-13719525.html

28. April 2020


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