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ITALIEN/363: Proteste bei der neuen Fluggesellschaft ITA gegen Massenentlassungen (Gerhard Feldbauer)


Proteste bei Italiens neuer Fluggesellschaft ITA halten an

8000 Beschäftigte kämpfen um ihre Arbeitsplätze

von Gerhard Feldbauer, 13. September 2021


In den vergangenen Monaten hat Italien mit der Zerschlagung seiner Fluggesellschaft Alitalia ein bisher beispielloses Kapitel nationaler Würdelosigkeit erlebt. Der dafür verantwortliche frühere EZB-Chef und jetzige Premier Mario Draghi hat sich dabei als ein williger Vollstrecker der Weisungen aus Brüssel gezeigt. Das Ergebnis ist die neue Gesellschaft Italia Trasporto Aereo (ITA), "eine kleine Billigfluggesellschaft, die auf kommerzieller Ebene bereits tot geboren ist. Wenige Flugzeuge (ungefähr fünfzig), wenige Strecken und fast keine der profitabelsten", fasst das kommunistische Online-Portal Contropiano zusammen.

Mit den Folgen - zu denen weiter gehört, dass von den etwa 11.000 Beschäftigten 8.000 skrupellos auf die Straße gesetzt werden - wollen die Alitalia-Mitarbeiter sich nicht abfinden. Am vergangenen Sonnabend demonstrierten sie auf der Piazza San Silvestro in Rom und forderten von der Regierung sofortige Maßnahmen zur Gestaltung der neuen ITA auf sicherer ökonomischer Basis und die Gewährleistung entsprechender Arbeitsplätze. Es war, berichtete das linke Manifesto, "eine einheitliche Demonstration der Alitalia-Mitarbeiter aus allen Bereichen: Piloten, Flug- und Bodenpersonal bis zur Wartung".

Inzwischen ist bekannt geworden, dass noch nicht einmal sicher ist, ob die zugesagten 2.800 Arbeitsplätze bei der ITA frühere Alitalia-Beschäftige erhalten. Für diese Stellen sind Ausschreibungen erlassen worden, auf die sich 30.000 Bewerber meldeten, "darunter auch Personen, die offensichtlich keine Berufserfahrung in der Luftfahrtbranche haben, sowie auch Mitarbeiter anderer Billigunternehmen, die von einem besseren Gehalt träumen". Es sei klar, so Manifesto, dass das "der Austritt aus dem nationalen Vertrag - mit Lohnkürzungen" ist.

Von den Verhandlungen über die Bildung der ITA sind die Gewerkschaften ausgeschlossen worden. Es sei, so der Generalsekretär der größten Gewerkschaft CGIL, Maurizio Landini, "inakzeptabel, dass die Europäische Kommission entscheidet, welche Art von Verträgen auf italienische Arbeitnehmer angewendet wird". Die Tragweite bestehe darin, dass "ein Präzedenzfall" geschaffen werde. Der nationale Sekretär von Filt CGIL, Fabrizio Cuscito, warnte: "Die Regierung schaut untätig zu, die Spannungen wachsen" und forderte eine sofortige Sitzung der Regierung, sonst "bewegen wir uns auf einen Punkt ohne Wiederkehr zu". Der Nationalsekretär von Uiltrasporti, Ivan Viglietti, forderte Arbeitsminister Andrea Orlando auf, für die Mitarbeiter, die von ITA nicht übernommen werden, "soziale Sicherheitsnetze" zu garantieren.

Unter dem Druck der Gewerkschaften versprach Minister Orlando laut der Nachrichtenagentur ANSA, Verhandlungen über die Einstellung und den Vertrag aufzunehmen. Vize-Finanzministerin Laura Castelli habe zugesagt, nächste Woche im Ministerium "einen Tisch für Arbeit und Sozialpolitik einrichten", um die "Gespräche über die Einstellung neuer Mitarbeiter fortzusetzen".

Konfliktstoff dürfte laut ANSA weiter sein, dass ITA in den nächsten drei Jahren nicht mehr als 1,35 Mrd. EUR Kapital erhalten soll, davon 700 Mio. in diesem Jahr. Im Relaunch-Dekret der Conte-Regierung seien Kapitalerhöhungen in Höhe von 3 Milliarden Euro vorgesehen gewesen.

Inzwischen "fordern die Wettbewerbshüter der EU-Kommission die Rückerstattung staatlicher Beihilfen in Höhe von 900 Millionen Euro", die Italien für Alitalia erhalten habe. Das sehe Brüssel als "illegale staatliche Beihilfen". Laut ANSA soll die Regierung das Geld zuzüglich Zinsen von Alitalia zurückfordern. Die Summe war als Darlehen gezahlt worden, damit Alitalia seinen Betrieb aufrechterhalten konnte.

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Quelle:
© 2021 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 14. September 2021

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