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ITALIEN/384: Sanktionen gegen Russland schlagen mit voller Wucht zurück (Gerhard Feldbauer)


Sanktionen gegen Russland schlagen mit voller Wucht zurück

Landesweite Proteste gegen Preislawine
Benzin 2,3 Euro pro Liter, ein Kilo Brot 5,52 Euro

von Gerhard Feldbauer, 14. März 2022


Die von der EU gegen Russland verhängten Sanktionen schlagen mit voller Wucht auch auf die Wirtschaft Italiens zurück und treffen die Verbraucher. Am Montag protestierten die Beschäftigten von Trasportiunito (Verband der Spediteure) gegen "die Explosion der Spritkosten", die auf 2,3 Euro pro Liter anstiegen und von der "extremen Not in der Branche zeugten". Allein im Straßenverkehr betragen die Mehrkosten über 160 %. Die Proteste der Transportdienste führten zu starken Einschränkungen, da 85 % der verkauften Waren auf der Straße transportiert werden. Um weiteren Schaden für die Verbraucher und auch die Unternehmen abzuwenden, fordert Trasportiunito, die Mehrwertsteuer auf Benzin und Diesel sofort zu streichen und die Verbrauchssteuern zu senken.

Die Proteste halten an. Für den 15. März hatten der Verbraucherverband Assoutenti und weitere Verbände zu einem Streik aufgerufen, um gegen die im Ergebnis des Boykotts des nach Italien importierten russischen Gases steigenden Strom- und Gasverbrauchspreise zu protestieren. Unter den im "Flug durch die Kriegsauswirkungen steigenden Preise stehen die für Brot mit bis zu 30 % an der Spitze", zitiert die staatliche Nachrichtenagentur ANSA den Präsidenten von Assoutenti, Furio Truzzi. In Venedig koste ein Kilo frisches Brot im Durchschnitt 5,52 EUR. So "hängt das Damoklesschwert des Krieges" über dem Land, so Truzzi. "Es besteht die reale Gefahr neuer Preiserhöhungen zwischen + 15 % und + 30 % für eine Vielzahl von Konsumgütern, von Nudeln bis zu Desserts und Brot, Cracker und Kekse." Ein Ende ist nicht abzusehen. Das staatliche Statistikamt Istat meldete, dass die Verbraucherpreise im Februar um 7,9 Prozent anstiegen, die Produktionskosten um 9,7 Prozent, und warnt, sie würden weiter steigen.

Laut ANSA musste selbst Premier Draghi, der erfahrene frühere EZB-Chef, einräumen, dass die Sanktionen schwere Auswirkungen "auf Familien und Unternehmen und vor allem auf die Aufrechterhaltung ihrer Produktion haben". Die Situation könne, "wenn sie nicht angegangen wird, die EU zerbrechen, das Wirtschaftssystem in Richtung Protektionismus drängen". Draghi appellierte: "Ich hoffe, dass wir alles dafür tun werden, dass die Ukraine und Russland miteinander sprechen, solange die Würde der Ukraine besteht."

Das linke Manifesto warnte, Italien stehe "noch nicht einmal einen Schritt weit von einer Kriegswirtschaft entfernt". Das Mitglied der Leitung der Linkspartei Potere al Popolo (Die Macht dem Volke), Giorgio Cremaschi, schätzt dagegen im linken Magazin Contropiano ein, dass Italien bereits Kriegswirtschaft betreibt. "In den letzten zehn Jahren hat Italien seine Militärausgaben stetig erhöht und diese höheren Kosten durch Kürzungen im Gesundheits- und Bildungswesen ausgeglichen." Obwohl sie bereits auf 26 Milliarden Euro pro Jahr erhöht wurden, wolle Draghi sie jetzt gemäß der Richtlinien von EU und NATO auf etwa 40 Milliarden pro Jahr erhöhen. Das werde "Gesundheit, Schule, Renten und öffentliche Dienste noch mehr verwüsten".

Auch der Präsident des Industriellenverbandes Confindustria, Carlo Bonomi, musste zugeben, dass die explodierenden Rohstoff- und Energiekosten eine Folge der Sanktionen sind. Deren Einhaltung führte zur Schließung von "447 italienischen Unternehmen in Russland, die einen Umsatz von 7,4 Milliarden eingefahren haben". Der Anlagenbestand betrage über 11 Milliarden. Aber die Verluste, die die Unternehmer durch die Sanktionen gegen Russland erleiden, will er auf die Arbeiter abwälzen. "Wir können es uns nicht mehr leisten, mit Verlust zu produzieren, wir werden unweigerlich auf Entlassungen zurückgreifen müssen."

Gegen "das Gespenst einer weiteren Rezession mit explodierenden Preisen, drastischer Kaufkraftminderung der Löhne, Entlassungen und Arbeitslosigkeit" müssen sich die Arbeiter zur Wehr setzen, appelliert Contropiano.

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Quelle:
© 2022 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 17. März 2022

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