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ITALIEN/386: Basis-Gewerkschaften in Arbeiterkämpfen radikal antikapitalistischer Vortrupp (Gerhard Feldbauer)


Italiens Basis-Gewerkschaften
Radikal antikapitalistischer Vortrupp in Arbeiterkämpfen

Waffen für die Ukraine verhindert

von Gerhard Feldbauer, 19. März 2022


Italiens Basis-Gewerkschaften sind in den Arbeiterkämpfen für soziale Gerechtigkeit seit Jahren der radikal antikapitalistische Vortrupp. Mit ihrem Aufruf in der vergangenen Woche an die Hafenarbeiter des Flughafens Galileo Galilei in Pisa, keine Waffen für die Ukraine zu verladen, der voll befolgt wurde, haben sie gezeigt, dass das auch den Kampf gegen die von den USA und der NATO geschürte Kriegshetze, die zu einem dritten Weltkrieg führen kann, einschließt. Ihre konsequente Haltung zwang den Leiter der Flughäfen in der Toskana, Marco Carrai, zuzusagen, Waffentransporte würden von Pisa aus "nicht mehr stattfinden". Unterstützt von der USB Porto Livorno bekräftigten am Samstag in Pisa Tausende Menschen, nicht nur Hafenarbeiter, sondern auch Einwohner der Stadt, unter der Losung "Von der Toskana sollen Brücken des Friedens statt Kriegsflüge ausgehen" ihren Willen, der geschürten Kriegshysterie entgegenzutreten.

Pisa war keine Eintagsfliege. Die Basis-Verbände organisierten erfolgreich den Generalstreik im Januar vergangenen Jahres im Verkehrs- und Transportsektor, Arbeitsniederlegungen im Bankensektor und im Gesundheitswesen, an den Schulen und in öffentlichen Diensten. Ihre Forderungen beschränkten sich nicht mehr nur auf soziale Fragen, sondern nahmen politisches Profil an. Davon zeugte am 4. Dezember 2021 ein von allen Organisationen der Basis-Gewerkschaft Si-Cobas organisierter "No Draghi Day". Der Aufruf machte den Regierungschef für die neuen Angriffe "auf die Lebensbedingungen der schwächsten sozialen Sektoren" verantwortlich und stellte klar, dass gleichzeitig "die großen Unternehmen zusätzliche Finanzeinnahmen erhalten".

Der Sindacalismo di base geht auf anarcho- bzw. revolutionär-syndikalistische Strömungen im 19. Jahrhundert zurück, die Antonio Gramsci als Kraft des Kampfes gegen "alles Elend der Unterdrückten" bezeichnete. Wurzeln bilden auch die gegen die opportunistischen Erscheinungen in der Arbeiterbewegung in den 1970er Jahren entstandene linksradikale "Autonomia Operaia" und ihr "Operaismus".

Die Geburtsstunde der Basis-Verbände liegt in den 1990er Jahren, als die drei großen Gewerkschaften Confederazione Generale Italiana del Lavoro (CGIL), Confederazione Italiana Sindacati Lavoratori (CISL) und Unione Italiana del Lavoro (UIL) zunehmend Kampfpositionen aufgaben und mit den Unternehmern "Sozialpakte" schlossen. Sie entstanden vorwiegend in den öffentlichen Diensten wie Post, Transportsektor, Erziehungs- und Gesundheitswesen, aber auch in der Industrie. Die hauptsächlichen Verbände sind die 1992 gegründete Confederazione Unitaria di Base (CUB), die Federazione Lavoratori Metalmeccanici Uniti (FLMU), die Confederazione Cobas, ein Zusammenschluss von Cobas-Gruppen in Bildung und Erziehung, darunter die einflussreiche Cobas Scuola. Als Basis-Organisation versteht sich auch die Transportarbeitergewerkschaft SULT.

All diese Verbände beschränken sich nicht auf soziale Forderungen zur Verbesserung der Lage der Beschäftigten, sondern attackieren direkt das kapitalistische System, dessen Überwindung sie fordern, sowie Regierungen als dessen Vertreter. Sie lehnen die Privilegierung von Facharbeitern gegenüber Ungelernten ab, vertreten die Interessen aller Berufsgruppen und Beschäftigten, sind gegen Prekarisierung und für menschenwürdige soziale Grundsicherungen, einschließlich ausreichender Wohnungen. Auf der Suche nach Bündnissen mit anderen sozialen Bewegungen wie Globalisierungskritikern, Ökologen und Feministinnen beteiligten sie sich 2017 zusammen mit Sozialzentren wie den "Je so' pazzo" (Ich bin verrückt) von Neapel und der No Tav-Bewegung an der Gründung der antikapitalistischen Linkspartei Potere al Popolo (Die Macht dem Volk), mit der sie seitdem in den Arbeiterkämpfen zusammenwirken.

Obwohl Mitgliedszahlen kaum vorliegen, kann angenommen werden, dass ihre Zahl inzwischen insgesamt in die Hunderttausende geht. Sie ist, auch durch Zulauf von CGIL, CISL und UIL, steigend. Nicht nur dass deren Mitglieder an den Aktionen der USBs teilnehmen, sie zwingen öfter auch deren Vorstände, sich ihnen anzuschließen. So wandte sich CGIL-Generalsekretär Maurizio Landini nach dem USB-Aufruf von Pisa gegen Waffenlieferungen in die Türkei und auch die UIL äußerte sich so. Alle drei Vorstände haben bisher auch nicht gewagt, einem von Confindustria-Chef Carlo Bonomi und Premier Draghi vorgeschlagenen neuen "Pakt für Arbeit und Sicherheit" beizutreten.

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Quelle:
© 2022 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 21. März 2022

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